Investitionserwartung in Gebäudetransformation leicht gestiegen
Die grüne Transformation der Gebäudebestände ist kein Selbstläufer. Seit die Krise die Immobilienwirtschaft fest im Griff hat, beschleicht viele Marktteilnehmer der Eindruck, dass das Nachhaltigkeitsengagement stagniert. Systematisch im Markt nachgefragt, zeigt sich ein etwas anderes Bild: Trotz weiterhin verhaltener Konjunkturerwartungen (- 4,5/100 Pkt.) gibt es Hoffnung auf Bewegung: Bestandshalter und Immobiliendienstleister rechnen in den kommenden zwölf Monaten mit einer leichten Verbesserung der Transformationsneigung (+5/100 Pkt.). Dabei wird der Regulatorik ein positiver Beitrag zur Klimaziel-Erreichung zugesprochen (+ 14/100 Pkt.).
Optimistische Dienstleister, zurückhaltende Bestandshalter
Auffällig ist jedoch, dass die Transformationserwartungen in der Teilgruppe der Dienstleister mit +15,5 Pkt. signifikant höher liegen als bei den Bestandshaltern. Deren Prognose tendiert mit + 1,5 Pkt. zur Gleichförmigkeit. Ein ähnliches Bild zeigt sich beim regulatorischen Impact:
Asset Manager schätzen den zugesprochenen Einfluss mit + 3 Pkt. leicht positiv ein. Bei den Service Providern liegt der Wert mit + 21 Pkt. siebenmal höher.
Krisenmanagement und Arbeit am Asset
Die Wahrnehmungsschere ist mit Blick auf die Marktsituation nachvollziehbar: Der letztes Jahr gestartete Prozess der Preiskorrekturen ist noch in vollem Gange, viele Portfoliohalter operieren im Krisen-Modus. Die Auftragsbücher der Service-Provider sind hingegen gut gefüllt, verspricht die Arbeit am Asset schließlich, Wertverlust zu mindern. Da es in der Regel die Investorenseite ist, die Transformationsmaßnahmen finanziert, bleibt abzuwarten, wie stark sich die Hoffnung auf anziehende Nachhaltigkeits-Aktivitäten bewahrheitet.
Im Markt nachgefragt
„Die Umfrage ist ein guter Indikator für die Stimmung im Markt. Vor allem, wenn sie wie geplant regelmäßig durchgeführt wird“, begrüßt Lutz Kandzia, ESG-Leiter bei HanseMerkur Grundvermögen, die TKI-Initiative. Überrascht hat ihn hingegen die niedrige Transformationsneigung: „Wir investieren deutlich und meine Vermutung ist, dass die Branche das auch tut.“ Auch er nahm an der Erhebung teil und bewertet sowohl Konjunktur- als auch Transformationserwartung deutlich positiver. „Aufgrund des wirtschaftlichen und regulatorischen Drucks, hätte ich mit einem Transformations-Wert von 50 Pkt. plus gerechnet“, räumt er ein.
Erstaunt hat ihn auch die positive Einstellung der Dienstleister zur Regulatorik. „Es gibt leider gegeneinander wirkende Kräfte, sodass manch gutes von schlechtem ausgebremst wird.“ So leistete die EU-Taxonomie und die Offenlegung durchaus positive Beiträge zur Klimazielerreichung, dem stünde aber manche Regulierung, insbesondere auf nationaler Ebene, dauerhaft im Weg. Als Beispiel führt Kandzia fertiggestellte Photovoltaik-Anlagen an, deren Inbetriebnahme von Genehmigungsprozessen ungebührend verzögert wird.
Nachgefragt bei Ralph Stemper, Head of Structured Sales beim Sonnenenergie-Anbieter Envira, weist er zwar auf regulatorische Schwachstellen hin, rechnet aber aufgrund anstehender Gesetzesänderungen künftig sogar mit noch besseren Bewertungen: „Der Gesetzgeber hat einige Mängel erkannt und will nachbessern. Das zieht sich leider länger hin als erwartet, doch deutliche Erleichterungen sind absehbar“, prognostiziert er für den Energiesektor. Auch die Transformations-Zuversicht unter Dienstleistern verwundert ihn wenig, spielt ESG seinem Sektor doch zweifellos Geschäft zu: „Erneuerbare Energien sind in aller Munde und mehr nachgefragt denn je“.
Das Zaudern unter Investoren hingegen kommt ihn aus Gesprächen bekannt vor: Für viele seien ESG-Themen immer noch unbekanntes Neuland. Eigene Erfahrungen fehlten; das Kerngeschäft ließe keine ausreichende Zeit zur Einarbeitung. Aber natürlich wolle man die richtige Entscheidung treffen. So würden selbst dringliche Themen aufgeschoben. Die To-do-Listen wüchsen. Und mit ihnen der Eindruck unbeherrschbarer Komplexität.
Am Puls der Transformationsdynamik
Soweit die Ergebnisse und Einschätzungen des TKI des ersten Quartal 2024. Insgesamt wurden für die Umfrage rund 200 Bestandshalter und Service-Provider auf Führungsebene und mit Verantwortung für die Gebäudetransformation angeschrieben. Mit 104 Rückmeldungen antworteten über 50 %. Davon sind 40 % Bestandshalter, 47 % Immobilien-Dienstleister sowie 13 % Marktteilnehmer, die sich keine der beiden Gruppen angehörig fühlen.
Seit Anfang 2024 erhebt der TKI jedes Quartal die Transformationsstimmung im deutschen Immobilienmarkt. Ziel des drei Fragen umfassenden Index ist es, Stimmungsumschwünge früh zu erkennen, um Marktentwicklungen bewertbar zu machen. Dazu wird alle drei Monate die Einschätzung zu Konjunktur, Transformationsneigung und zum Einfluss der Regulatorik abgefragt.
Herausgeber des TKI ist die Initiative ESG Solution Partners. Der Zusammenschluss namhafter ESG-Dienstleister hat sich der Vereinfachung der Transformation verschrieben. Die Mitglieder engagieren sich aktiv in Workshops und Austausch-Formaten, um die Nachhaltigkeit im Gebäudesektor zu professionalisieren und weiter voranzutreiben. Initiator und Durchführer der TKI-Umfrage ist Bell Management Consultants, eine auf Marktreports und Brancheninitiativen für den Immobilienmarkt spezialisierte Unternehmensberatung.