Dokumentation kann Entwickler und Asset Manager vor „braunem Abschlag“ schützen
27.10.2022Der Weg in eine grünere Immobilienzukunft wird auf dem Papier entschieden – denn grün ist nur, wer das nachweisen kann. Auf viele Projektentwickler und Asset Manager kommen deswegen ein knappes Jahr nach Inkrafttreten der EU-Taxonomie und gut anderthalb Jahre nach Inkrafttreten der ESG-Offenlegungsverordnung Probleme zu. „Für Projektentwickler, Bestandshalter und Investoren bedeutet die angestrebte Dekarbonisierung der Immobilienbranche vor allem eines: die Pflicht zur Dokumentation und damit zusätzlichen Datenaufwand“, bilanziert Patrick Penn, Gründer und Geschäftsführer der docunite GmbH.
Wer heute noch so arbeitet, wird mit ESG abgehängt
© Wesley Thingey, Unsplash
Verlustrisiko einschätzen
Die aktuelle Energiekrise verschärft für Asset Manager und Bestandshalter den Druck, Objekte und Portfolien den Klimazielen der Bundesregierung anzupassen – beziehungsweise den empfindlich gestiegenen Anforderungen der Mieter und Investoren. Schon jetzt droht energetisch veralteten Objekten ein sogenannter brauner Abschlag von optimistisch gerechneten 10 Prozent. Auch der Zeitpunkt, an dem Objekte zu Stranded Assets werden, verkürzt sich immer mehr. Bestandshalter müssen sich fragen, ob sie energetisch alte Objekte sanieren oder sich heute trennen. „Der erste Schritt ist eine Bestandsaufnahme, um Verlustrisiken ein- und den besten Verkaufszeitpunkt abschätzen zu können“, erklärt Penn. Doch das ist für viele die mit Abstand größte Hürde, wie Penn weiß. Der einfache Grund: Informationen zu Objekten sind nicht ausreichend dokumentiert oder im Unternehmen nicht auffindbar.
Nachweisbar nachhaltig und nachhaltig nachweisbar
Für den künftigen Umgang mit altem Gebäudebestand zählt neben der Bausubstanz vor allem eines: Informationen. Denn nur was nachweisbar nachhaltig ist, wird auch im Markt bestehen. Das gilt nicht nur für energetisch sanierungsbedürftige Objekte. „Moderne Immobilien müssen auf dem Papier genauso energieeffizient sein wie in der Praxis. Wer noch nicht mit BIM baut, muss dennoch genauso aussagefähig sein, auch zu alten Beständen.“ Ein sauber dokumentierter Gebäudebestand wird für Bestandshalter oder künftige Käufer zum Wertfaktor, der nachhaltig Entscheidungsgrundlagen und Effizienz im Umgang mit den Objekten sichert. Es ist ein bisschen wie mit Online-Bewertungen von Restaurants oder Ärzten: Es existiert nur, wer bei Google und Co. auch gefunden wird. Effektive Dämmung, eine intelligente und energiesparende Heizungs- und Klimaanlage oder eine alternative Energieerzeugung nutzen laut docunite im aktuellen Marktumfeld wenig, wenn die aktuellen Dokumente und Nachweise dazu fehlen.
Das Forum Energieeffizienz kam in einer Analyse schon vor mehreren Jahren zu folgendem Fazit: Ob Eigennutzer, direkte oder indirekte Investoren: Fast alle Entscheider scheuen Sanierungen wegen des hohen Aufwands zur Informationsbeschaffung. Zentrale Hemmnisse für Investitionen in Gebäudeenergieeffizienz seien die fehlende Transparenz über den monetären Mehrwert und die noch zu geringe direkte Realisierbarkeit von Wertsteigerungen – also belastbare Informationen.
Energieeffizienzdaten
Energieausweise und darin enthaltene Energieeffizienzdaten sind im Gebäudelebenszyklus nur ein Teil, der Dokumente und Daten verursacht. Mindestens genauso wichtig mit Blick auf die Nachweispflichten im Zuge der EU-Taxonomie sind Daten dazu, wie im Objekt verbaute Materialien genutzt, transportiert oder wiederverwendet werden. Diese Informationen müssen in Dokumenten verfügbar und abrufbar sein. Sind sie das nicht, mindert das nicht nur den ökologischen, sondern den ökonomischen Wert einer Immobilie. „Von der Produktionsphase über Transport und Bau über die Nutzung bis zur Entsorgung: Der Lebenszyklus einer Immobilie verdeutlicht, dass die Betriebsphase eines Gebäudes nur einen Bruchteil der gesamten Ökobilanz ausmacht“, sagt Penn. Das wirft ein völlig neues Licht auf den nachhaltigen Umgang mit Daten und Dokumenten.
Reportingpflichten erfüllen
Mangelhafte Dokumentation führt laut Penn aktuell dazu, dass Investoren von ESG-Fonds Probleme haben, geeignete Objekte am Markt zu finden. Nur wenige Developer haben frühzeitig begonnen, die Voraussetzungen für die strengen Vorgaben dunkelgrüner Fonds zu schaffen, um den Taxonomie-Check im Zuge der ESG-Due Diligence zu bestehen. Projekte müssen heute nicht nur höchste Nachhaltigkeitsanforderungen wie einen maximal energieeffizienten Gebäudebetrieb erfüllen. Sie müssen dafür vor allem die erforderlichen Daten liefern. „Investoren, die zum Beispiel gerade einen Artikel-9-Fonds aufsetzen, kämpfen damit, dass sie gar nicht genügend Objekte finden, die nachweislich den Kriterien entsprechen und die strengen Reportingpflichten erfüllen können. Das Investitionspotenzial, das hier auf der Strecke bleibt, ist riesig“, so Penn. Eine weitere Schwierigkeit: Welche Dokumente genau gefordert sind, ist nicht immer ganz klar. Wer deswegen aus einem breiten Fundus aktueller Informationen schöpfen kann, ist im Vorteil.
Effizienz schützt Margen
Die docunite Experten schätzen, dass allein die ESG-Verordnung zu Mehrkosten von bis zu fünf Prozent bei der Dokumentenverwaltung führen wird. Das gilt auch, wenn Immobiliendokumente zwar bereits digitalisiert vorliegen, jedoch nach alten, analogen Ordnerstrukturen, Hierarchien und Zugriffsrechten verwaltet werden. Laut docunite kommt eine durchschnittliche Gewerbeimmobilie schon heute auf rund 7.000 Dokumente, von denen jedoch teilweise die Hälfte doppelt abgelegt ist. Bis zu fünf Prozent der wichtigen Dokumente sind erst gar nicht auffindbar. „Wer verpasst hat, die Grundlagen in seinem Immobilienmanagement zu schaffen, muss in der heutigen Phase des Umbruchs mit Problemen kämpfen, die vermeidbar gewesen wären.“