FACILITY MANAGEMENT im Interview mit…

Bereits 2014 erhielt combine den Auftrag, das umfangreiche Neubauvorhaben zu begleiten und verantwortet ­seitdem das nutzerseitige Projektmanagement während aller Planungsphasen. Nach dem Startschuss im Jahr 2018 findet das Projekt zum Ende dieses Jahres seinen Abschluss. Die Aufgabenstellung hat sich während dieser langen Laufzeit nicht nur verändert, sondern auch erweitert. Wir haben mit den beiden Projektverantwortlichen von combine, Martin Krause, Head of Project Management, und Marco Kuhlwilm-Diaz, Senior Consultant, dazu gesprochen. 

Martin und Marco, sagt doch bitte mal in welcher Funktion ihr für Beiersdorf tätig seid, und welchen Beratungsauftrag combine über die vergangenen neun Jahre innehatte.

Martin: Ich begleite das Projekt schon seit 2015. Ich bin Projektleiter für die Betreiberorganisation und Projektkoordinator für das Gesamtprojekt auf combine-Seite. Über den gesamten Zeitraum des Projektes waren bestimmt zehn Kolleginnen und Kollegen involviert, wobei zu Peak-Phasen zeitgleich vier bis fünf Mitarbeitende eingebunden waren.

Unser Beratungsauftrag basiert auf vier Kernfeldern: 1. Projektmanagement, 2. Anforderungsermittlung und Entwurfscontrolling, 3. Nutzer- und Betriebsprozesse sowie 4. Entwicklung eines Workplace-Konzepts samt Belegungsplanung.

Also zum einen sind wir zuständig für das klassische Projektmanagement mit der Unterstützung der allgemeinen Projektorganisation, der Gesamtkoordination und Information, der Erstellung und Aufbereitung von Entscheidungsvorlagen, der Dokumentation sowie für das Qualitäts- und Terminmanagement.

2014, also noch bevor ich Teil dieses Projektes war, wurden Anforderungen ermittelt, um einen Architekturwettbewerb ausrufen zu können, den wir als combine (damals noch unter dem Namen Quickborner Team) nicht nur begleitet, sondern auch komplett durchgeführt haben. Im Nachgang haben wir dann die Anforderungen zusammen mit den Stakeholdern von Beiersdorf geschärft. Dabei ging es um sämtliche Büroflächen und auch um die Sonderflächen. Diese überarbeiteten Anforderungen haben wir an den Architekten kommuniziert und kontrolliert, dass sie auch planerisch berücksichtigt wurden.

Wie sämtliche Prozesse, die auf einem Campus ablaufen, effizient funktionieren können – von Logistikprozessen, Prozessen rund um Food & Beverage, über Konferenzräume und Begegnungsflächen bis hin zum Empfangsbereich und dem Postverkehr, haben wir in einer Vielzahl von Workshops gemeinsam mit den Fachverantwortlichen von Beiersdorf ermittelt.

Unser Hauptaugenmerk lag hier darin, zu überprüfen, wie sich die oben genannten Anforderungen bestmöglich in der Fläche verwirklichen lassen. Von der Grob- bis zur Feinbelegung haben wir, insbesondere auch in den Büroflächen, alles durchgeplant und mit diesem Part würde ich direkt mal an Marco übergeben.

Marco: Ich bin seit Ende 2018 Teil des Projektteams und trotz eines abgeschlossenen Architekturstudiums leider nicht am Design des Gebäudes beteiligt gewesen – das wäre auch eine tolle Aufgabe gewesen! Gestartet bin ich damals unter einer Projektleitung auf Seiten Beiersdorf, die im Laufe der Zeit dreimal gewechselt hat. Man kann also sagen: Die Konstanten in diesem Projekt sind Martin und ich (beide schmunzeln). Wir halten dieses Projekt wie eine Spange zusammen.

Ich bin hier aktuell eingebunden als klassischer Workplace Consultant. Ursprünglich war es meine Aufgabe, die Bedarfe noch einmal zu klären und eine Rückabstimmung mit den Nutzenden zu führen. Im Grunde genommen bin ich dafür verantwortlich, dass, alles, was sich in so einem Gebäude befindet, am richtigen Platz eingebaut wird.

Mein Beteiligungsfeld hat sich im Laufe der Zeit erweitert. Auch aufgrund der Pandemie haben sich bei diesem Projekt Bedarfe, Ausrichtungen und Zielrichtungen geändert. Auch Vorstände haben an einem gewissen Punkt erkannt, dass eine neue Perspektive eingenommen werden muss. Das hatte zum Beispiel zur Folge, dass ein Bürogebäude, das ursprünglich geplant war, dann gar nicht mehr gebaut wurde. Oder bestimmte Zonen, die monothematisch durch Besprechungsräume besetzt werden sollten, dann in andere Funktionalitäten überführt wurden.

Wenn ich meinen Job in einem Satz zusammenfassen müsste, würde ich mich so beschreiben: Ich bin Übersetzer von Nutzerbedarfen in Architektur und Ausstattung, bin aber auch im Themenfeld Unterstützung von internen Transformationen und Change Management aktiv. Das lässt sich nicht klar eingrenzen, das gehört fest zusammen. Und so bin ich auch mit Martin zusammen ein fester Bestandteil des Beiersdorf-Nutzerteams. Inzwischen sind wir ein recht großes, aber sehr gut funktionierendes Team.

 

Welche Dimensionen hat dieses Projekt, also in Bezug auf Menschen, Arbeitsplätze, Baugrundfläche?

Martin: In diesem Projekt wurden zwei Werksgelände zusammengelegt, das bedeutet mehr als 3.000 Mitarbeitende mit über 3.200 Arbeitsmöglichkeiten auf rund 50.000 m² ober- und unterirdischer Neubaufläche. Neben den reinen Arbeitsplatzflächen und den Flächen für Begegnung waren wir auch maßgeblich beteiligt an der Planung der zentralen Sonderflächen.

Dabei war eine besondere Maßgabe, dass der gesamte Verkehr und die innere Logistik auf dem Campus nicht sichtbar, also nicht oberirdisch, stattfinden soll. Es gibt einen großen unterirdischen Ladehof, in dem sämtliche Verkehre – seien es Anlieferungen für Küche, Post oder Gefahrenstoffe und auch die Entsorgung – stattfinden. Alle Gebäude sind unterirdisch miteinander verbunden, sodass auch die Wege zwischen den Bestands- und Neubauten nicht durch die neugestalteten Außenanlagen erfolgen müssen.

Marco: Bei den Zahlen muss ich nochmal den Faden aufnehmen, hier untertreibt Martin etwas. Wir sprechen hier von locker 100.000 m² Nutzungsfläche, eher noch etwas mehr. Ursprünglich sind wir mal angetreten, um nur das Headquarter von Beiersdorf, das inzwischen das Gebäude „C.onnect“ ist, neu zu gestalten. Diese Aufgabe hat sich erweitert auf ein „HeadQuartier“, auch Campus genannt. Also eine Fläche mit mehreren Gebäuden, zu denen neben Büro- auch Laborgebäude und eine Parkierung gehören. All diese Bereiche begleiten wir aktiv mit und stellen eine Vernetzung sicher.

Das Bürokonzept haben wir beständig adaptiert und partizipativ durch die Mitarbeitenden begleiten lassen, was ganz wichtig für ein gutes Gelingen dieses Projektes war. Auch dadurch haben wir inzwischen eine volle Akzeptanz erzielen können, was mindestens genauso wichtig ist, wie die Sicherstellung, dass alles Technische läuft.

Selten habe ich übrigens so viel positive Resonanz vor, während und nach der Inbetriebnahme erster Flächen erfahren.

 

Wie würdet ihr das Bürokonzept des neuen Campus beschreiben? Ist Beiersdorf damit für die hybride Arbeitswelt gut ­aufgestellt?

Marco: Von Anfang an war ein Kern des Bürokonzepts die volle Unterstützung des Activity-Based-Working, also tätigkeitsorientiert ausgerichtete Arbeitsplätze. Bei Beiersdorf ist der Begriff dafür: „Dynamic Working“. Auch hier galt jederzeit die Zielmaxime: so viele Arbeitsplätze wie nötig mit so wenig Aufwand wie möglich. Effizienz beim Projekt und für das Ergebnis waren allzeit präsent.

Ein zweiter Kern war die volle Unterstützung des IIM. Das Integrated Innovation Management Team treibt bei Beiersdorf Innovationsprozesse, übergreifend und strategisch, voran. Mit dem Bau der neuen Gebäude hat man die Organisationseinheiten, die bei Beiersdorf wichtig und zukunftsführend sind, sehr hoch priorisiert. Um diese Bereiche dreht sich alles – sowohl organisatorisch als auch räumlich. Diese Anforderungen finden sich auch in der Flächenverteilung, in der Ausstattung und in den Räumen, die geschaffen wurden, wieder.

Durch die Pandemie kam das Learning hinzu, dass wir noch mobiler und agiler werden müssen. All das ist einprogrammiert in die neuen Arbeitswelten. Klar ist auch, dass wir auf einer Reise sind und jetzt auf einen Zwischenstand blicken. Die Reise wird in den nächsten Jahren noch weitergehen und man wird sich immer wieder neu erfinden (müssen). Hauptziel wird es auch zukünftig sein, eine Begegnungsfläche anzubieten, die Kommunikation und Kollaboration ermöglicht. (Mit einem breiten Grinsen) Also „die drei K“, die ich mal gebildet habe: Kollegen, Kommunikation & Kaffee.

Martin: Marco hat eigentlich alles auf den Punkt gebracht. Vielleicht ergänze ich noch, dass wir schon damals, beim Architekturwettbewerb 2015, die Basis gebildet haben, dass alle Gebäude, die auf dem Campus neu entstehen, die volle Flexibilität bieten. Das „Dynamic Working” basiert auf einer Open-Space-Lösung mit zahlreichen Rückzugsmöglichkeiten, auch für konzentriertes Arbeiten.

Das Gebäude bietet aber auch die Möglichkeit, sämtliche andere Büroformen (z. B. eine klassische Zellenstruktur) abzubilden, sollte eine neue Entwicklung das fordern.

 

Was waren bei diesem
Projekt die wichtigsten An­forderungen an Einzelnutzungs- aber auch Gemeinschaftsflächen?

Marco: Hier muss die zuvor kurz erwähnte, hohe Partizipation, genannt werden. Wir hatten ein klares Konzept und nachdem die Leitplanken und Prämissen feststanden, wurden Nutzende von Beginn an eingebunden. Mit Nutzenden meine ich die „Co-Kreatoren“ und später auch die „Representatives“. [Anmerkung: „Co-Kreatoren“ sind bereichsübergreifend eingebundene Mitarbeitende, die schon in der frühen Projektphase Leitplanken und Inhalte des Projektes mit entwickelt haben. „Representatives“ sind Multiplikatoren der einzelnen Fachbereiche, die dabei helfen, Bedarfe zu identifizieren und partizipative Lösungen zu finden.]

Das bedeutet, dass in Summe rund 200 Menschen regelhaft in Findungs- und Gestaltungsprozessen mitgenommen wurden, damit wir Ergebnisse erzielen, die zukunftsgerichtet sind, sowohl die Umgebung als auch die technische Ausstattung betreffend. Und das zahlt sich jetzt voll aus. Wir haben keine blind spots und bislang funktioniert alles sehr gut – denn wir haben mittlerweile schon 600 Arbeitsplätze, die voll in Funktion sind und entsprechendes positives Feedback.

 

Gab es bei diesem Projekt ein Thema oder einen Wunsch, den ihr so noch nie umgesetzt habt?

Martin: Es gibt viele besondere Flächen auf dem Campus, muss man sagen. Zum Beispiel gibt es ein sehr großes Restaurant mit Food Court und ein Working Café, Sportbereiche, die heutzutage immer häufiger vorzufinden, aber nach wie vor keine Selbstverständlichkeit sind, ein IT-Helpdesk, einen Produktshop, oder auch Bibliotheken, ein Meditationsraum sowie ein Brand Heritage Room.

Nicht alle aufgeführten Angebote werden direkt zum Einzug fertig sein, da sich Teile dieser Flächen in Bestandsgebäuden befinden, die erst entsprechend umgebaut werden können, nachdem diese leergezogen sind.

Zentral angeordnet im zweiten OG des C.ONNECT-Gebäudes. Ich kenne bislang nur die Visualisierung, er ist noch nicht fertig, wird aber sicher sehr cool.

Marco: Ein ursprünglich geplanter Zen-Garten wird nun zu einem Meditationsraum. Es gibt Andachtsräume, in denen verschiedene Konfessionen kontemplativ in sich gehen können.

Ein Highlight, auch wenn wir planerisch dafür nicht verantwortlich zeichnen, ist der sehr gut designte und kuratierte Außenbereich mit hoher Aufenthaltsqualität, der im Sommer bewusst zum Aufenthalt einlädt. Also nicht nur, um die Pause draußen zu verbringen, sondern auch, um Teammeetings dort abzuhalten – aus diesem Grund ist er auch mit 100% WLAN-Coverage ausgestattet. 

 

Was würdet ihr sagen sind die identitätsstiftenden Merkmale von Beiersdorf, die jetzt in die neuen Gebäude bzw. Arbeitsplätze einfließen?

Marco: Ich mache es mir mal einfach und nehme die Core Values von Beiersdorf.

Die lassen sich zusammenfassen mit CARE, was wiederum steht für Mut, Zielstrebigkeit, Verantwortung und Empathie (also das Ganze auf Englisch natürlich). Diese Unternehmenswerte wurden über Jahre ausgearbeitet und gelebt – das spürt man. Im Unternehmen Beiersdorf sind aber auch die einzelnen Brands extrem wichtig, das heißt, diese müssen sich wiederfinden und ihre Identifikationspunkte bekommen. Das geschieht alles unter dem großen Dach Beiersdorf – das dabei nicht verloren gehen darf.

Hohen Stellwert genießt auch die Internationalität, der Konzern ist ja weltweit aktiv und, was sie jetzt hier schaffen, hat weltweite Strahlkraft. So ist es ist auch ein Planungsziel gewesen, dass sich andere Standorte gedanklich an Hamburg „anlehnen“ und hier umgesetzte Konzepte auch andernorts ausgerollt werden können.

Ein weiteres besonderes Merkmal, das bei weitem nicht bei vielen Unternehmen so gegenwärtig ist, ist das Thema Inklusion. Wirklich alle Mitarbeitenden, egal, woher sie kommen und welche Handicaps sie haben, werden gleichermaßen eingebunden.

Martin: An das Thema Inklusion anknüpfend muss ich sagen, dass es Beiersdorf von Anfang an sehr wichtig war, die Barrierefreiheit auf dem Campus hoch aufzuhängen. Dafür haben sie sehr eng mit den „Sozialhelden“ zusammengearbeitet. Das ist ein gemeinnütziger Verein, der sich insbesondere dafür einsetzt, dass Unternehmen Maßnahmen zur Barrierefreiheit umsetzen können. Zusätzlich hat man das Integrationsamt eingebunden und über den gesetzlichen Standard hinaus sinnvolle Maßnahmen realisiert. Manchmal kann man ja auch mit einfachen Mitteln viel erreichen.

Eine weitere identitätsstiftende Maßnahme, ist das Designkonzept des Campus, das sehr stimmig ausgearbeitet wurde. Es spiegelt mit den gewählten Farbtönen die Beiersdorf-DNA wider und schon am Eingang wird dem Besucher deutlich, dass er bei einem Konzern ist, bei dem sich alles um das Thema Haut dreht.

 

FM Über welchen Erfolg freut ihr euch bei diesem Projekt am meisten?

Marco: Wir wollen uns ja nicht mit fremden Federn schmücken, denn für das Innendesign waren die Kollegen der Ippolito Fleitz Group GmbH verantwortlich. Wir haben allerdings dafür gesorgt, dass überhaupt ein Designarchitekt mit an Bord genommen wurde. Denn das war nicht selbstverständlich zu Beginn. Wir freuen uns sehr darüber, dass dieser Baustein erfolgreich integriert wurde und das Ganze so gut gelungen ist. So ist eine faszinierende Arbeitswelt entstanden.

Ein weiterer Erfolg ist, dass wir zahlreiche Baustellenbegehungen durchgeführt haben, sodass inzwischen über 1.200 Mitarbeitende durch das neue Headquarter gegangen sind. Dabei gab es 0 % negatives Feedback (beide lächeln). Und größtes Lob kam in diesem Kontext vom Betriebsrat, mit dem wir auch regelmäßig verhandeln, der sagte: „Das ist ja alles gar nicht so schlecht.“ Das bestätigt, dass wir jetzt ein Top-Produkt abliefern. Am Ende des Tages ist es nur eine Hülle, die mit großer Sicherheit von denen, die das zum Leben bringen, begeistert angenommen wird.

Martin: Ich glaube auch, dass wir durch diese vielen Höhen, aber auch die Tiefen, die in so einem langen Projekt mit dazu gehören, und durch unser starkes Durchhaltevermögen einen

Campus geschaffen haben, der bei Beiersdorf für gute Laune sorgen wird und einen echten Mehrwert im Alltag bietet. Das ist auf jeden Fall ein großer Erfolg, der sicherlich auch uns zuzuschreiben ist.

 

FM Zum Abschluss teilt doch bitte euer größtes Learning mit uns!

Martin: Ein großes Learning für mich war, weil ich zu Beginn des Projekts teilweise bis zu 4 Tage in der Woche bei Beiersdorf vor Ort gearbeitet habe, zu sehen, wie ein Konzern tickt. Welche Berichtslinien einzuhalten sind, was ein Gremiendurchlauf mit sich bringt und auch welche Bürokratie damit einhergeht. Davon ausgehend dann auch die hohe Bedeutung für die Zusammenführung von unterschiedlichen Projekt-Stakeholdern.

Und ein Merksatz zum Schluss: Eine stets gute Dokumentation sichert den Projekterfolg!

Marco: „Be bold!“ Man kann nicht mutig genug sein. Man muss immer noch mehr hinterfragen und auf den Prüfstand stellen. Und mein zweites Learning, das aber für jedes Projekt große Bedeutung hat: Die Digitalisierung von Anfang an als festen integralen Bestandteil mitdenken. Das ist der Kern der zukünftigen Arbeitskultur und Arbeitswelt.

 

 

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