Zukunftsmarkt Revitalisierung
Die Revitalisierung großer Fachmarktzentren und Shopping-Center löst als Markt schrittweise den Neubaumarkt ab. Dies liegt begründet in einem wachsenden Sanierungsstau gepaart mit der sinkenden Verfügbarkeit neuer geeigneter Standorte. Die Durchführung der Revitalisierungen wird regelmäßig mit Strukturanpassungen in der Vermietung sowie mit Effizienz- und Sicherheitsoptimierungen verknüpft. Die Umsetzung der Maßnahmen ist organisatorisch hoch anspruchsvoll und erfordert eine akribische Vorbereitung im Rahmen der Planungsphase…
Die Revitalisierungsmaßnahmen werden wesentlich von der technischen Gebäudeausrüstung in Verbindung mit Belangen der späteren
Gebäudebewirtschaftung bestimmt, TGA-Gesamtanbieter mit FM-Kompetenz bieten gute Lösungen für diesen Zukunftsmarkt.
In Deutschland werden seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts in wachsendem Umfang größere Shopping-Center und Fachmarktzentren errichtet. In den 90er Jahren erreichte der Trend, vermehrt in Stadtrandlagen zu investieren, seinen Höhepunkt. Nach der Jahrtausendwende wurden, nicht zuletzt von den Genehmigungsbehörden erzwungen, wieder vermehrt Innenstadtstandorte gesucht und ausgebaut. Mittlerweile kann in vielen Städten davon gesprochen werden, dass die besten Standorte hinsichtlich Einzugsgebiet und infrastruktureller Anbindung „besetzt“ sind. Der Trend geht daher immer mehr zum Ausbau und zur Revitalisierung bestehender und gut laufender Center. Obwohl funktionierende und gut gemanagte Center im Zuge von Mieterwechseln und dem allgemeinen Betrieb immer wieder Auffrischungen und Umbauten erfahren – Fachkreise sprechen von einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von zehn Jahren je Einzelfläche – baut sich ein immer größerer Sanierungsstau in den Gesamtgebäudestrukturen, Allgemeinflächen und zentralen technischen Anlagen auf.
Laut einer Studie von Sonae Sierra und der GMA aus dem Jahr 2010 gibt es 414 Einkaufszentren in Deutschland mit mehr als 10.000 m² Verkaufsfläche. 70 % der Gebäude sind dabei vor 2000 entstanden. Es überrascht hier nicht, dass rund die Hälfte der deutschen Shopping-Center renovierungsbedürftig sind. (Die komplette Studie finden Sie als Download unter www.facility-management.de. Geben Sie einfach den Webcode FMOU86C ein.)
In der Regel werden Revitalisierungen als Gesamtmaßnahme geplant, die baugenehmigungspflichtig sind und somit mit einer baurechtlichen, insbesondere brandschutztechnischen Neubewertung einhergehen.
Bei gut laufenden Centern soll eine Beeinträchtigung des laufenden Geschäftes vermieden werden, um den bestehenden Kundenstamm zu behalten. Die Durchführung der Maßnahmen muss damit im laufenden Betrieb und unter – im Wesentlichen – Beibehaltung der Mieterstruktur erfolgen. Die Tatsache, dass die Wünsche bestehender Mieter umfassend umgesetzt werden müssen, um ihre Akzeptanz für die Maßnahme zu erreichen, erschwert die Planung häufig nicht unbeträchtlich. ↓
Hauptziele von Revitalisierungsinvestitionen
Erneuerung des Brandschutz- und Sicherheitskonzeptes auf Basis der neuesten Vorschriften, in der Regel mit kompletter Neuinstallation der Lösch- und Sicherheitsanlagen und des passiven Brandschutzes sowie Neudefinition der Flucht- und Feuerwehrangriffswege
Anpassungen in der Mietflächenstruktur und Grundrissveränderungen zur Erhöhung der Attraktivität (größere Schaufensterflächen, größere und attraktiver gestaltete Mall, mehr und hochwertigere Gastronomie), Neuorganisation von Funktions- und Lagerflächen
Erneuerung der TGA-Installationen mit dem Ziel einer deutlichen Reduzierung der Betriebs- und Verbrauchskosten und einer Einbindung regenerativer Energien ohne Reduzierung des Komforts (Außenluftmengen, Temperaturen)
Erneuerung der Aufzüge und Fahrtreppen
Überarbeitung der Fassade (Dämmung, optische Gestaltung), Sanierung der Dachflächen, neues Lichtkonzept (Fassade, Mall) mit Effektbeleuchtungen
Zertifizierung des Projektes (BREEAM / LEED / DGNB) zur Erhöhung des Immobilienwertes in Verbindung mit einem Imagegewinn bei Nutzern, Mietern und Investoren; damit einhergehende zusätzliche Auflagen an Gebäudekonzept und Effizienz.
Umsetzung der Revitalisierungsmaßnahmen
Um die Revitalisierung eines kompletten Fachmarkt- oder Shopping-Centers im laufenden Betrieb zu ermöglichen, ist ein durchdachtes Planungs- und Terminkonzept vonnöten. Sowohl je Mieter als auch im Gesamtkomplex müssen Lösungen gefunden werden, die den Weiterbetrieb des Centers mit möglichst geringe Einschränkungen ermöglichen. Dies bringt gleich eine ganze Reihe von notwendigen Maßnahmen mit sich:
Schaffung von Anlieferungswegen und Baustelleneinrichtungsflächen, ohne die Zufahrts- und Parksituation für die Kunden zu sehr zu beeinträchtigen
Provisorien für die Energiezuführung (Strom, Wärme, ggf. Kälte) während des Umbaus der Zentralanlagen, sowie für statische Maßnahmen z. B. bei Wandveränderungen
Abstimmung eines Sicherheitskonzeptes (aktiver und passiver Brandschutz, Fluchtwege) für die Bauzeit mit Behörden und Sachverständigen, das zu jeder Zeit die Anforderungen der Sicherheit mindestens soweit erfüllt wie der alte Zustand des Centers
Entwicklung eines Zonenkonzeptes für die Umbauarbeiten, das die optische Trennung von Umbau- und Nutzungsbereichen zu jedem Zeitpunkt sicherstellt; staubdichte Trennung der Umbauzonen von den Verkaufsbereichen; bei Schadstoffbelastung (s. u.) ggf. besondere Maßnahmen (Unterdruck, Absaugung)
Schaffung von abgetrennten und gesicherten Schutt- und Materialtransportwegen für jede Umbauzone und -phase.
Organisatorische Maßnahmen (z. B. Nachtarbeit) zur Vermeidung überhöhter Lärmbelästigungen.
Schadstoffproblematik
Ein großes Problem speziell bei Centern aus den 80er Jahren oder älter stellt das Auftreten von Schadstoffen dar. Umbauten im laufenden Betrieb bergen die Gefahr, dass Kontaminationen neben dem Bau- und Montagepersonal auch unbeteiligte Kunden in Mitleidenschaft ziehen können, und sind daher mit erhöhter Sicherheit zu planen. In praktisch allen Gebäuden aus der Zeit vor 1990 wurden asbesthaltige Materialien verbaut, am häufigsten in Flanschdichtungen, Brandschutzklappen und Brandschutzdämmungen. Deren Beseitigung erfordert den Einsatz zugelassener Spezialfirmen (Sachkundenachweis) sowie besondere und aufwändige Schutzmaßnahmen nach der TRGS 519.
Mengenmäßig noch umfangreicher im Bestand, aber in Ausschreibungen und sogar in Schadstoffgutachten häufig übersehen, sind sogenannten KMF (kanzerogene Mineralfaserstoffe). Eine Demontage der Dämmstoffe – und dies sind in der Regel alle Dämmstoffe der Heizungs- und Lüftungsinstallation – ist nur unter weitgehenden Maßnahmen (TRGS 521) gegen Verbreitung der Fasern im Gebäude und zum Schutz des Demontagepersonals zulässig.
Ein dritter typischer Schadstoffherd in Revitalisierungsprojekten sind Staubablagerungen in Zwischendeckenbereichen sowie auf und in Installationen – besonders in und an Lüftungskanälen. Diese enthalten neben den o. g. Schadstoffen auch noch weitere Belastungen, insb. Schwermetalle. Für diese Stäube gelten ähnliche Randbedingungen wie für die KMF.
Eine vorgezogene Ausführung der Schadstoffsanierungsleistungen, wie sie bei Generalsanierungen im Hochbau üblich und sinnvoll ist, ist bei einem Umbau im laufenden Betrieb aufgrund der zonenweisen Ausführung nicht möglich. Bauherren sind daher gut beraten, wenn sie dieser Thematik in der Planungs- und Ausschreibungsphase hohe Aufmerksamkeit widmen.
Technische Lösungen für die Gebäudetechnik
Im Prinzip unterscheiden sich die Planungsansätze für revitalisierte Shopping-Center nicht von Neubauplanungen. Die Mieterbaubeschreibungen der großen Filialisten und damit deren Anforderungen an die Leistungen der TGA sind für alle neu zu beziehenden Projekte gleich.
Häufig ergeben sich durch den Umbau im laufenden Betrieb Notwendigkeiten an die Anlagentopologie, um bestimmte Zwischenbauzustände erreichen zu können. Generell kämpft nahezu jeder Architekt und TGA-Planer in Revitalisierungsprojekten mit dem Fehlen oder zumindest der Unzulänglichkeit der Bestandspläne.
Was die Detailplanung selbst betrifft, sind insbesondere Zwangspunkte zu beachten, die auf der Tatsache beruhen, dass Schächte und Rohbaudurchbrüche nicht oder nur unter erheblichem Aufwand vergrößert werden können. Dies schließt z. B. die Reduktion von Luftgeschwindigkeiten im Kanalnetz zur Optimierung der SFP-Werte, oder die Trennung der Kalt- und Heizwassernetze in mehrere Temperaturstufen zur Reduktion der Erzeugungsleistungen praktisch aus.
Folgende Anlagenkonzeptionen haben sich als zielführend und effizient erwiesen (Beispiele):
Entfall von Umluftbeimischung zugunsten reduzierter Gesamtluftmengen; Abführung evtl. verbleibender Kühllastüberschüsse durch wasserbasierte Kühleinheiten in den Mietflächen; soweit dies zu einer Reduktion von Kanalluftmengen führt, kann der Spielraum zur Reduktion der Luftgeschwindigkeiten im Kanalnetz genutzt werden – s. o.
Reduktion der Kälte- und Heizleistungen durch Einsatz hocheffizienter Wärmerückgewinnungstechniken (regenerativ oder rekuparativ, je nach Anlagentopologie), adiabate Kühlung der Abluft, Rückkühlung von Kälteanlagen über die Fortluft von Lüftungszentralgeräten
Lüftungszentralgeräte mit integrierter Kälteerzeugung, Reduktion oder völliger Entfall einer zentralen Kaltwassererzeugung
Einsatz standardisierter Mieterübergabekästen für Elektro und MSR, Vereinbarung einheitlicher und effizienzoptimierter hydraulischer Regelkonzepte mit allen Mietern (z. B. Mengenregelung bei Kaltwasser, Luftmengenregelung nach Luftqualität)
Einsatz von hocheffizienten Beleuchtungskonzepten, vermehrt Einbau von LED´s (Anmerkung: die damit einhergehende Reduzierung der spezifischen Kühllast wird in Mietverträgen und damit in den Anlagenkonzepten leider in der Regel noch nicht planerisch umgesetzt, damit fehlt dieser Maßnahme derzeit noch die Wirtschaftlichkeit)
Weitgehender Einsatz vereinheitlichter Bus- und Netzwerktechniken für Kommunikation, Sicherheitssysteme und Regelung
Regenwassernutzung für adiabate Kühlung der Abluft und Kunden – WC´s (soweit der Einbau eines Regenwasserspeichers baulich möglich ist)
Nachrüstung von Pufferspeichern für Heizung und Kühlung – ggf. unter Einbeziehung des Sprinklerbehälters
zur Reduktion der maximalen Erzeugungsleistungen.
Ausschreibungs- und Vergabestruktur bei Großprojekten
Durch den geringen Rohbauanteil werden die Kosten der Revitalisierungsmaßnahmen wesentlich von den Leistungen der Technischen Gebäudeausrüstung bestimmt. Hinzu kommen erhebliche Abhängigkeiten durch häufig aus dem Bestand feststehende TGA-Haupttrassen, die den Einbauablauf und die Konstruktion der Zwischenwände beeinflussen. Für die hier entstehende Art von Koordinationsbedarf bieten klassische GU-Vergaben keine ausreichende Lösung. Die großen Generalunternehmer können hier sehr wenig eigene Wertschöpfung einbringen, was deren Margen negativ beeinflusst. Andererseits ist eine gewerkeweise Vergabe an 15 bis 30 Einzelunternehmen durch die erforderliche abschnittsweise Terminkoordination schwer zu managen. Häufig sind in den Revitalisierungsprojekten daher sogenannte „Paketvergaben“ aus einer TGA-Gesamtausschreibung, einem Ausbaupaket, einem Fördertechnikpaket und ggf. noch einem Außenhüllen-Paket (kleinere Rohbauanteile, Dach, Fassade) anzutreffen.
Fazit
Der Revitalisierungsmarkt wird ebenso wie der Neubaumarkt von den großen Shopping-Center-Spezialisten bestimmt. Trotzdem ist ebenso wie bei Neubauprojekten nach wie vor häufig festzustellen, dass die Belange des praktischen Gebäudebetriebes (technisches und infrastrukturelles Gebäudemanagement) in der Planungsphase nicht ausreichend berücksichtigt werden. Dies betrifft z. B. die Anordung und Zugänglichkeit von TGA-Zentralen und die Detailgestaltung und räumliche Anordnung der Mieterübergabeschnittstellen (Elektro, MSR, Heizung/Kälte, Lüftung). Auch die Konfiguration und Anordnung der Bedienstellen für Sicherheitseinrichtungen und Gebäudeleittechnik beeinflusst in vielen Fällen den späteren Personalbedarf nicht unerheblich. Ausführende Unternehmen, die rechtzeitig praktische FM-Kompetenz einbringen können, dürften daher für den Revitalisierungsmarkt gut aufgestellt sein.
Dipl.-Ing. (FH) Manfred Kölbl, Leitung Kompetenzcenter Großanlagenbau, YIT Germany GmbH, 80992 München