FACILITY MANAGEMENT im Interview mit Dirk Schenkel, Fördertechnikplaner der ­ ECE Projektmanagement

Fördertechnik für Shopping Center

Seit Eröffnung des Southdale Centers 1956 in den USA sind weltweit zigtausende Einkaufszentren entstanden. Deren Erfolg beruht nicht zuletzt auch auf einem komfortablen Personentransport. Dennoch sind die Verkehrsströme in Shopping Centern bis heute kaum erforscht. Dirk Schenkel befasst sich seit Jahren mit dem Verkehrsfluss in den Einkaufszentren und Gewerbeimmobilien des Unternehmens. Ein Blick hinter die Kulissen...

Das erste moderne Einkaufszentrum entstand vor mehr als 50 Jahren. Da sollte es doch feste Regeln geben, wie man Aufzüge und Rolltreppen anlegt.

Dirk Schenkel: Das könnte man denken. Bis heute gibt es für die Fördertechnik in Shopping-Centern keine anerkannten Planungsregeln auf empirischer Grundlage. Das Thema ist noch nicht hinreichend untersucht. Planungsbüros orientieren sich daher meist an Bürobauten.

Wie verhält es sich mit der Fördertechnik beispielsweise in der 2008 eröffneten Ernst-August-Galerie in Hannover?

Schenkel: Das Gebäude bietet neben 1200 Parkplätzen rund 150 Geschäfte mit 30.000 m² Verkaufsfläche. Der Warennachschub läuft im Hintergrund über neun Aufzüge. Der Personentransport zwischen den drei Verkaufsebenen erfolgt über drei Erschließungskerne mit Rolltreppen, die so platziert sind, dass alle Geschäfte gut erreichbar sind. Die Parkdecks werden über den Hauptkern mit Rolltreppen und über die beiden anderen Kerne mit je einer Zweier-Aufzuggruppe erschlossen, die bis in die Verkaufsebenen reicht.

Rolltreppen sind sicherlich die bevorzugten Transportmittel…

Schenkel: Für die meisten ja. Nach einem der wenigen Fachkommentare zu Einkaufszentren bevorzugen rund 80 % der Nutzer Rolltreppen, der Rest Treppen, dann Aufzüge. Diese These ist allerdings empirisch nicht belegt und berücksichtigt nicht den variablen Angebotsmix aus Lebensmittel- oder Elektronikmärkten einerseits und Shops andererseits, deren Kunden selten Einkaufswagen brauchen. Eines gilt gleichwohl: Wenn Rolltreppen ungünstig platziert oder nicht leistungsfähig genug sind, müssen Kunden auf Aufzüge und Treppen ausweichen. Darunter leiden Servicequalität und Umsatz.

Dann wären Rolltreppen in den beiden anderen Kernen sicher besser für die Parkdeckerschließung

Schenkel: Die Bedürfnisse von älteren Menschen und Personen mit Behinderung, mit Einkaufs- und Kinderwagen sind mit Rolltreppen nicht zu erfüllen. Neben höheren Investitionskosten würde der Elektroenergieverbrauch ansteigen. Geringere Betriebskosten kommen unseren Mietern und Kunden zugute. Zudem hatten die von Kone eingebauten energieeffizienten Aufzüge ihren Anteil an der Gold-Zertifizierung durch die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen für die Ernst-August-Galerie.

Entscheidet der Mensch rational, welches Verkehrsmittel er wählt?

Schenkel: Überraschenderweise nur bedingt. Die Mehrzahl der Kunden parkt ihr Auto selbst dann bevorzugt zu ebener Erde, wenn der Weg ins Gebäude fünf Mal länger ist als der Weg vom Parkdeck „oben drüber“ zu den Läden! Und das, obwohl die Stellplätze dort in jedem Falle über Aufzüge, Rolltreppen oder Fahrsteige an die Ladenstraße angebunden sind, also eine schnelle Verbindung da ist.

Welche Schwierigkeiten müssen dann bei einer offensichtlich emotionalen Entscheidung berücksichtigt werden?

Schenkel: Ungünstige Stellplatzwahl oder Blickbeziehungen könnten die Mehrheit der Kunden zu den Aufzügen statt zu den Rolltreppen leiten. Gewohnheiten prägen sich schon beim ersten Besuch. Spätere Erkenntnisse über günstigere Transportmittel führen nur sehr langsam zu Änderungen im Kundenverhalten, z.B. bei der Parkplatzwahl. Solange werden die Aufzüge stärker genutzt als vorgesehen. Leider geschieht dies zum Nachteil der älteren und gehbehinderten Menschen sowie Personen mit Einkaufs- und Kinderwagen. Um das zu vermeiden, simulieren wir mit einem speziellen Programm, wie sich Kundenströme verteilen und welche Förderleistungen erforderlich sind.↓

Wie kann man die Nutzung von Rolltreppen und Aufzügen optimieren?

Schenkel: Bei Rolltreppen sind Nutzungsverhalten und Staubildung offensichtlich. Aufzüge sind dagegen eine Art Black Box. Probleme sind nur durch längere Untersuchun­gen zu erkennen. Ab welchem Zeitpunkt z.B. wird die Wartezeit als störend empfunden? Wann hindert sie den Verkehrsfluss? Wir testen dazu verschiedene Anordnungen von Rolltreppen und Aufzüge virtuell: Wir simulieren Fehlbedienungen, berechnen Abhängigkeiten zwischen den Transportmitteln und drehen auch mal die Fahrtrichtung in den Parkdecks um. Dazu simulieren wir unterschiedliche Türsteuerzeiten, Bremsverzögerungen, Fördergeschwindigkeiten  und verschiedene Lastenverkehre. Welche Warteposition haben die Nutzer, wie lange benötigen sie für das Erreichen der Kabine? Für einige Kriterien waren sogar neue Begrifflichkeiten erforderlich. Im Bestand kann man durch Schilder, Farben oder attraktive Lichtinszenierungen korrigierend eingreifen.

Holen Sie sich dazu auch Beratung
von Fachfirmen?

Schenkel: Bei den Türsteuer-Algorithmen oder der barrierefreien Kabinengestaltung haben unsere Aufzuglieferanten viel Unterstützung geleistet. Sonst werden diese Leistungen aber von unserer ECE- eigenen Technikabteilung selbst erbracht, in der auch die gesamte Gebäudetechnik und die Beleuchtungskonzepte entwickelt werden. So können wir in einer sehr frühen Planungsphase, also lange vor Vergabe der Aufträge, gemeinsam mit dem Erfahrungsschatz von Vermietung und Centermanagement unsere Architekten beraten.

Haben Sie Vorgaben für die Wartezeiten an Aufzügen entwickelt?

Schenkel: Ab 12 Sekunden Wartezeit wird vereinzelt begonnen, den Taster für die Gegenrichtung zu drücken, ab 20 Sekunden tritt diese Form der Fehlbedienung sehr viel häufiger auf – vor allem wenn Nutzer allein vor dem Aufzug stehen und daher die Hemmschwelle sinkt, etwas zu tun, von dem viele wissen, dass es sinnlos ist. Was viele leider nicht wissen ist, dass durch Drücken des Tasters für die Gegenrichtung die Verweildauer steigt, weil dann die Kabine zusätzlich halten muss – ein schönes Beispiel für den Widerstreit von kognitiv und emotional gesteuertem Verhalten.

Wie kann man die gefühlte Wartezeit
verringern?

Schenkel: Indem man ein angenehmes Ambiente und Ablenkung schafft. Auf Bahnsteigen sorgen Monitore bereits für Kurzweiligkeit. Mit Thomas Lipphardt, Manager Technische Regelwerke bei Kone, habe ich gerade erst darüber sinniert, wie Kunden reagieren, wenn das Drücken des Ruftasters mit automatisierten Ansagen „Willkommen im Center, der Aufzug kommt gleich“ quittiert ­würde. Da stehen wir aber noch am Anfang. 

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