Berliner Energietage: Ansätze für eine grüne, effiziente und resiliente Wärmeversorgung

Mehr als die Hälfte der Energie in Deutschland wird für die Bereitstellung von Wärme aufgewendet. Damit wird die Wärmewende zur Großbaustelle für Städte, Stadtwerke, die Wohnungswirtschaft und die Industrie. Wie kann man den Wärmebedarf reduzieren? Wie soll Wärme in Zukunft erzeugt werden, und woher sollen die grünen Brennstoffe kommen? Bei den Berliner Energietagen analysierten Christian Noll, geschäftsführender Vorstand der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e. V. (DENEFF), und Dr. Frank Höpner, Mitglied der Geschäftsleitung von Engie Deutschland, unter dem Motto „Akte X Wärmewende“ mit Experten, wie die Wärmewende in der Praxis funktionieren kann. 

Die Expertenauf den Berliner Energietagen zeigen auf, dass die größten Hemmnisse nicht in der Technik, sondern in der mangelnden Investitionsbereitschaft und in schlecht abgestimmten Planungen im kommunalen Umfeld liegen
Bildquelle: Storengy France

Die Expertenauf den Berliner Energietagen zeigen auf, dass die größten Hemmnisse nicht in der Technik, sondern in der mangelnden Investitionsbereitschaft und in schlecht abgestimmten Planungen im kommunalen Umfeld liegen
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Peter Mellwig, Themenleiter Fachbereich „Energie“ beim ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH, erläuterte in einem Faktencheck, was aus Szenarien der Bundesregierung für den Rahmen der Wärmewende folgt. Der Wärmebedarf in den Gebäuden soll, unter anderem durch energetische Sanierungsmaßnahmen, um 30 bis 50 Prozent gesenkt werden. Bestehende Wärmenetze sollen effizienter und weiter ausgebaut werden. Erneuerbare Energien sollen verstärkt bei Wärmepumpen und anderen Technologien zum Einsatz kommen. Wasserstoff als Energieträger in der dezentralen Wärmeversorgung wird nach seiner Einschätzung hingegen kaum eine Rolle spielen. 

Neue Grundausrichtung für Wärmeprojekte

Anschließend beleuchteten mehrere Experten in Praxisbeispielen, wo sie wichtige Impulse für die Umsetzung der Wärmewende, aber auch entscheidende Hemmnisse sehen. Anselm Laube, Geschäftsführer der Energieagentur Kreis Ludwigsburg LEA e.V., verdeutlichte am Beispiel des Projekts Solnet Steinheim die Effizienz eines neu geplanten Fernwärmenetzes. Die benötigte Wärme wird aus einer Kombination von Solarthermieanlage, Holzhackschnitzel-Kessel und Wärmepumpe erzeugt und kann zum großen Teil aus lokalen erneuerbaren Energien bereitgestellt werden. „Ein effizientes Wärmenetz ist nur mit effizienten Häusern möglich“, ist Laube überzeugt. Erst wenn man die Gebäudeeffizienz mitdenkt, kann ein Fernwärmenetz auch mit niedrigeren Temperaturen und damit effizient und erneuerbar betrieben werden. 

Dass Wärmeprojekte in den vergangenen beiden Jahren eine deutlich andere Grundausrichtung erhalten haben, stellte Stefan Schwan, Leiter des Geschäftsbereichs Energy Solutions bei Engie Deutschland, fest. Eine auf Erdgas basierende Neuplanung sei nicht mehr ausreichend. Die Kunden wünschen sich bereits heute zukunftsträchtige Alternativen. Nach der Gleichung „Effizienz plus Resilienz ist gleich Kreativität“ haben Wärmeprojekte seitdem umfassende technologische Neuerungen zum Inhalt, wie oberflächennahe Erdwärme, Abwärmenutzung aus Rechenzentren, Heizen und Kühlen aus einem Netz oder sogar kalte Netze mit deutlich abgesenkten Vorlauftemperaturen.

Mit neuen und kreativen Ansätzen die Wärmewende meistern

Dr. Lars Dittmann, Abteilungsleiter Klimaneutraler Gebäudebestand bei Vonovia SE, zeigte die strategische Planung für die Umrüstung des größten deutschen Wohnungsportfolios auf. In verdichteten Gebieten ist eine Umrüstung auf eine grüne Fernwärme sinnhafter als die Umsetzung vieler Einzellösungen. In weniger verdichteten Gebieten wird die Wärmepumpe die Lösung darstellen, bei weniger effizienten Gebäuden werden begleitend vorab energetische Sanierungsmaßnahmen erforderlich sein. Egal ob die Schwerpunktfestlegung von Förderprogrammen oder die Harmonisierung von erforderlichem Stromnetzausbau und Wärmenetzverdichtung: In jedem Fall müssen Planungen integriert zwischen allen Beteiligten abgestimmt werden.

Jörg Zander vom Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf erläuterte, dass eine Wärmewende nur gelingen kann, wenn der Gebäudebestand in den Fokus rückt. Am Beispiel des Gründerzeit-Viertels der Mierendorff-Insel wurde die Vielfalt der Heizungstechnik deutlich, angefangen von Gasetagenheizungen bis hin zur Nutzung des Wärmepotentials von Abwasser oder Spreewasser. Die Herausforderung sei aber nicht die vielfältige Technik als vielmehr die heterogene Eigentümerstruktur und die individuelle Nichtbereitschaft von Investitionen und zügiger Umsetzung. Demnach ist Vielfalt nicht der schnelle Weg zur Wärmewende.

Wie Kooperationen für die Wärmewende aussehen können, erläuterte Axel Popp, Leiter Geschäftsentwicklung Wärmenetze und Geothermie bei Engie Deutschland. Die öffentliche Hand sollte bei der Wärmewende auf umsetzungsstarke Profis zurückgreifen. Energiedienstleister besitzen die Expertise, die teuren Investitionen in die Anlagentechnik und mögliche energiewirtschaftliche Risiken bei Erzeugung und Absatz durch umfangreiche Kreativität bereits in der Planungsphase von Wärmeprojekten zu optimieren. Die Kommunen sollten mit ihren Ressourcen die grundsätzlichen Festlegungen treffen und beispielsweise die Versorgung auf Basis von Fernwärme oder von dezentralen Techniklösungen ortsteilscharf festlegen und die unterschiedliche Investitionsbereitschaft von Eigentümer:innen älterer Einfamilienhausgebiete beziehungsweise ansässiger Wohnungsgesellschaften für die kommunale Wärmeplanung abgleichen.

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