Zwischen Klimakrise und Kulturguterhalt (Teil 2)
Im ersten Teil dieses Artikels wurde die Ausgangssituation vieler Kulturbauten in Deutschland bei der Reduzierung der laufenden Betriebskosten analysiert. Damit einher geht auch die Reduzierung des Energieverbrauchs und des Energiebedarfs, sowie der Fokus auf die Nachhaltigkeit der Baukonstruktion bzw. der Gebäude. Der Artikel nimmt dabei insbesondere den Bereich der Klimatisierung in den Blick.
In der zurückliegenden Ausgabe wurden u.a. verschiedene Varianten zur Energieeinsparung bei der Planung und dem Betreib von RLT-Anlagen näher betrachtet und ausführlich beschrieben.
Etwa wie der Einfluss der äußeren Lasten auf das Raumklima reduziert werden kann oder welchen Einfluss beispielsweise die künstliche Beleuchtung auf den Luftwechsel und somit auch auf die Größe der Klimaanlage hat. In diesem Teil werden weitere Varianten erläutert.
Zu 4) Innere Lasten durch Besucher
Variante 2
Reduzierung des zuzuführenden Mindestaußenluftvolumenstroms
Bei der Planung lufttechnischer Anlagen ist der Außenluftvolumenstrom nicht frei wählbar, sondern muss entsprechend der DIN EN 16798 Bl. 3 (E) [15] raumweise berechnet werden. Der hygienisch erforderliche Mindestaußenluftvolumenstrom ist abhängig von der Personenzahl, der Verunreinigung durch Gebäudeemissionen (Baustoffe, technische Einrichtungen und Mobiliar) und der einzuhaltenden Raumluftqualität. Für Ausstellungsräume in Museen hat sich hier in den letzten 20 Jahren ein spezifischer Außenluftvolumenstrom von 30 m³/(h Besucher) als ausreichend erwiesen (s. auch [8]). Im Zeitraum davor wurde entsprechend der damals gültigen DIN 1946 und AMEV „RLT-Anlagenbau 2004“ mit 20−25 m³/(h Besucher) geplant. Die darauffolgende DIN EN 13779: 2007-09 (ebenfalls nicht mehr gültig, Ersatz durch [15], [16]) empfahl bei einer mäßigen Raumluftqualität von IDA 3 einen spezifischen Außenluftstrom von 30 m³/(h Besucher). Pauschale Festlegungen, wie in früheren Ausgaben der DIN, sind heute nicht mehr möglich, auch wird die Berechnung gutachterlich im Genehmigungsverfahren geprüft. Die DIN 16798 empfiehlt als Grundlage der Berechnung eine Zufriedenheitskategorie II. Die Gebäudekategorie „sehr schadstoffarm“ sollte nicht verwendet werden, weil es keine geeigneten Nachweismöglichkeiten gibt. Wenn man den Empfehlungen der DIN 16798 für die Berechnung folgt, kommt man in der Regel auf ca. 50 m³/(h Besucher) Außenluft. Abweichungen von den empfohlenen Annahmen sind jedoch in Abstimmung mit dem Bauherrn möglich und aber auch zu begründen. Da in Museen sehr viel Wert auf den Einsatz besonders schadstoffarmer Baustoffe gelegt wird, sollte hier eine Eingruppierung „sehr schadstoffarm“ möglich sein. Auch bei der Wahl der Zufriedenheitskategorie sollte die Einordnung in die Kategorie III keine Nachteile für Besucher und Aufsichten bedeuten, da die der Berechnung zu Grunde gelegten spezifischen Besucherzahlen in der Regel im Vergleich mit Konzertsälen bzw. Büros nicht kontinuierlich auftreten. Eine Reduzierung auf ca. 30 m³/(h Besucher) kann dann erreicht werden (war nach früherer Normung üblich) [8]. Die zuständigen Planungsbüros sollten nicht den Empfehlungen der DIN 16798 gedankenlos zu folgen, sondern die Berechnungsmöglichkeiten für den Sonderfall „Museum“ nutzen.
Im laufenden Betrieb sind weitere Einsparmöglichkeiten durch den Einbau von Luftqualitätsfühlern möglich. Mit deren Hilfe kann der Außenluftvolumenstrom der jeweiligen Belastungssituation durch die Besucher automatisch angepasst werden.
Einsparung von Elektro-, Heizungs- und Kälteenergie gegenüber Variante 0 liegt in einer Größenordnung von ca. 30 % (ohne Berücksichtigung des Einbaus von Luftqualitätsfühlern).
Zu 5) technische Anlagenkonzepte/Betriebsweisen
Variante 3
Reduzierung von Betriebszeiten
Abschaltungen der RLT-Anlagen in der besucherfreien Zeit, z.B. von 21 bis 4 Uhr (7 h), Einschaltung vor Beginn der täglichen Reinigungsarbeiten.
In der besucherfreien Zeit, nachts, sind die äußeren Lasteinflüsse gering bzw. vernachlässigbar, die Beleuchtung ist ausgeschaltet und es befinden sich keine Besucher im Museum. Das Museum kann vereinfachend wie eine große Vitrine beschrieben werden. Unter der Voraussetzung, dass für den Winterfall eine separate Heizungsanlage vorhanden ist, sollten sich die Klimaverhältnisse nur geringfügig verändern. Zulässige größere Schwankungsbreiten gemäß Variante 1 sind hilfreich. Hier spielt natürlich die Dichtigkeit des Gebäudes, die großen Einfluss auf die Außenluftinfiltration hat, eine entscheidende Rolle.
Einsparung von Elektro-, Heizungs- und Kälteenergie gegenüber Variante 0 liegt in einer Größenordnung von ca. 20 bis 25 %.
Variante 3.1
Als Untervariante zur Variante 3 erfolgt nur eine Abschaltung des Außenluftanteils
Etwas geringere Einsparung von Elektro-, Heizungs- und Kälteenergie als Variante 3.
Variante 4
Kombination Luft/Wasser System
RLT-Anlage nur zur Sicherstellung des hygienischen notwendigen Luftbedarfes und zur Be- und Entfeuchtung. Fußboden-, Wand- bzw. Deckensystem als Kühlungs- bzw. Heizungssystem.
Zusätzliche Einsparung von Elektroenergie, deutliche Reduzierung des baulichen und flächenmäßigen Bedarfes für lufttechnische Zentralen und Luftverteilung.
Fazit
Größere Einsparungen ergeben sich, wenn die Varianten 1 bis 4 kombiniert werden. Hier sind Energieeinsparungen in einer Größenordnung von bis zu 60 % gegenüber der Variante 0 erreichbar.
Schon in [13] wurden für s.g. Kombisysteme Primärenergieeinsparungen von ca. 40 % nachgewiesen.
In diesem Zusammenhang sollte nicht unerwähnt bleiben, dass selbstverständlich die Klimaanforderungen des Nutzers, die Reduzierung der inneren (Beleuchtung, Geräte) und äußeren Lasten ebenfalls einen großen Einfluss auf die Größe der Klimaanlagen und auf den Energieverbrauch haben.
Vorhandene Klimaanlagen können gemäß der Varianten 1 - 3.1 mit relativ geringem Aufwand baulich angepasst und getestet werden. Die Auswirkungen auf die Klimaanforderungen sind über ein begleitendes Monitoring durch Restauratoren und Betriebspersonal zu verfolgen, um gegebenenfalls zeitnah Anpassungen vornehmen zu können.
Für Museen, Archive und sonstige Ausstellungsräume mit sehr geringen Anforderungen an die Klimakonstanz, aber wo die Sicherstellung der hygienisch notwendigen Außenluftmenge nur mit technischen Anlagen möglich ist, sollten folgende Anlagenkonfigurationen und deren Auswirkungen auf die Klimaanforderungen untersucht werden:
nur hygienisch notwendige Luftmenge als Außenluft zuführen, nur heizen
oder
nur hygienisch notwendige Luftmenge als Außenluft zuführen, heizen, kühlen, befeuchten, entfeuchten.
Als Entscheidungsgrundlage können hier die Berechnungsergebnisse von thermischen Simulationen herangezogen werden. Für den jeweiligen Einzelfall sind die Ergebnisse durch eigene Simulationen selbstverständlich zu verifizieren.
Dabei ist für den Jahresverlauf die mögliche Anzahl der Stunden, die außerhalb des gewählten Klimakorridors (Sollwert einschl. Toleranz) liegen, anzugeben. Die Berechnungen sind für das Testreferenzjahr und auch möglichst für eine 14-tägige Schönwetterperiode durchzuführen. Die Einhaltung von geforderten Kurzzeitschwankungen im Tagesgang ist für die berechneten Varianten nachzuweisen.
Die Qualität und Aussagekraft der heutigen Softwareprogramme stellt mit den Ergebnissen eine ausreichende Entscheidungsgrundlage zur Beurteilung des möglichen Verlaufes der Klimawerte im Tages- und Jahresgang im betrachteten Raum zur Verfügung.
Es wird empfohlen, diesen Abwägungsprozess schon ganz am Anfang eines laufenden Planungsprozesses zu beginnen.
– Teil 3: Lüftung von Nichtwohngebäuden – Leistungsanforderungen an Lüftungs- und Klimaanlagen und Raumkühlsystemen
– Modul M5-1, M5-4. Berlin: Beuth
– Teil 1: Eingangsparameter für das Innenraumklima zur Auslegung und Bewertung der
Energieeffizienz von Gebäuden bezüglich Raumluftqualität, Temperatur, Licht und Akustik
– Modul M1-6. Berlin: Beuth