Wie war das nochmal mit Weihnachten 4.0?

Weihnachten 4.0? Ja, schließlich gibt es ja auch Arbeit 4.0, Technologie 4.0, Consulting 4.0, Facility 4.0, Mittelstand 4.0, Deutschland 4.0, ja sogar Restrukturierung 4.0 und – ach ja natürlich – Industrie 4.0. Doch wie lange noch? Denn inzwischen gibt es auch schon Mensch 5.0. Ja, tatsächlich. „Wir müssen angesichts von Industrie 4.0 zu einem neuen Bewusstsein von uns selbst und von unserem Wirken vorstoßen. Die Lösung: Mensch 5.0,“ so die Autoren eines Buches mit dem Titel – na was wohl, richtig – „Mensch 5.0“. Im Klartext: Mensch 5.0 ist die Überwindung der industriell getriebenen Idee von Mensch 4.0. Doch das ist Zukunftsmusik. Jetzt ist erstmal Mensch 4.0 und damit Weihnachten 4.0 an der Tagesordnung.

Denn was liegt näher, als auch unsere gesamten Weihnachtsaktivitäten in den „Vier-Punkt-Null“-Wertschöpfungskanon einzubeziehen. Die Frage ist doch nur noch, ob wir lediglich die digitalen Weihnachtsaktivitäten, oder auch die analogen Handlungen zum Fest mit einbeziehen und nach wertschöpfenden Prozessen auswerten wollen.  

Nun ja, einen Knackpunkt gäbe es da noch: Was war eigentlich nochmal Weihnachten 1.0, 2.0 und 3.0? Allerdings muss man die gleiche Frage auch bei Arbeit 4.0, Technologie 4.0 und so weiter stellen. Pardon, bei Industrie 4.0 nicht, denn das (übrigens ausschließlich deutsche) Phänomen Industrie 4.0 kann man ja noch irgendwie nachvollziehen. Schließlich sind es die vier industriellen Revolutionen, an denen sich die Ziffer „Vier“ orientiert: Die Dampfmaschine brachte die erste industrielle Revolution. Elektrizität und Fließband läuteten die zweite ein und die Automatisierung durch IT und Elektronik löste die dritte industrielle Revolution aus. Als Fortsetzung dieser Entwicklung wurde in Deutschland – aber eben auch nur in Deutschland – mit der kommenden Verschmelzung von Industrie und Informationstechnik der Begriff Industrie 4.0 als vierte industrielle Revolution eingeführt.

Warum nun aber auch viele Bereiche, die von dieser Verschmelzung nur indirekt betroffen sind und keine drei Revolutionen hinter sich haben, ebenfalls zur „Vier-Punkt-Null“-Familie gezählt werden, bleibt uns verschlossen. Nehmen wir zum Beispiel den Begriff Arbeit 4.0, der sogar in Regierungskreisen als neueste und modernste Ausprägung der Tätigkeit unserer arbeitenden Bevölkerung angesehen wird. Doch was ist eigentlich Arbeit 4.0? Und noch sinniger: Was ist dann Arbeit 1.0, 2.0 und 3.0? Folgende halbamtliche Definition soll Licht ins Dunkel bringen: Arbeit 1.0 steht für die Anfänge der Industriegesellschaft, 2.0 für den Beginn der Massenproduktion und Arbeit 3.0 für die zu zunehmende Automatisierung und Globalisierung ab Mitte des 20. Jahrhunderts. Na ja, und Arbeit 4.0 steht dann für alles, was mit Digitalisierung, Flexibilisierung und Vernetzung der Arbeit im Umfeld der neuen Produktionswelten der Industrie 4.0 zu tun hat. Also alle Nummerierungen in enger Anlehnung an den industriellen Wertschöpfungskanon.

Das halten viele aber für zu kurz gesprungen, denn der Wandel in der Arbeitswelt ist nun mal keine sprungfixe Entwicklung und schon gar nicht so eng und ausschließlich mit der Industrie verbunden. Im Gegenteil, lediglich jeder vierte Erwerbstätige ist im produzierenden Bereich (also in der Industrie) tätig – 75 Prozent dagegen im Dienstleistungsbereich.

Wenn man sich zudem die verschiedenen Dimensionen des Begriffs „Arbeit“ anschaut, wie beispielsweise Arbeitsformen, Arbeitsorganisation, Arbeitsgestaltung, Arbeitsverständnis oder Arbeitsentlohnung, so kann man eher von einer evolutionären bzw. kontinuierlichen Entwicklung sprechen. Dann also schon eher Arbeit 17.0 oder – etwas Kleinteiliger – Arbeit 3.6 oder Arbeit 4.7.

Doch was soll dieser Nummerierungs-Hype überhaupt? Warum Verwaltung 4.0, Mittelstand 4.0, Führung 4.0, Restrukturierung 4.0, Consulting 4.0, Facility 4.0, Deutschland 4.0 und so weiter? Reicht Industrie 4.0 nicht aus? Kann sich das Label „Industrie 4.0“ nicht viel leichter zu einer Art „Marke“ entwickelt, wenn es bei der Alleinstellung bleibt und nicht durch die übrigen „Vier-Punkt-Null“-Versuche verwässert wird?

Und für alle diejenigen, die der Idee von der Industrie 4.0 folgen und die Versionsnummer 4.0 als Garant für eine allseits zugesprochene Modernität im Umfeld der digitalen Transformation sehen, bleibt ja immer noch Weihnachten 4.0. Und da wir uns zu Weihnachten nur das Neueste und Modernste schenken wollen – möglichst digital und in einer Smart Factory hergestellt – wird diesen Zeitgenossen wohl nichts anderes übrig bleiben, als Weihnachten 4.0 in ihren festen Wortschatz zu übernehmen – in der Hoffnung, dass sie kein Mensch mehr nach Weihnachten 3.0, 2.0 oder gar 1.0 fragt …

In diesem Sinne allen Lesern mit 4.0-Ambitionen ein Weihnachtsfest mit Modernitätsgarantie und einen guten Übergang in ein digital transformiertes Jahr 2019.  Allen anderen wünsche ich ein besinnliches und weniger hektisches Weihnachten mit vielen analogen Zutaten sowie viel Vorfreude auf ein spannendes neues Jahr.

Ihr

Dirk Lippold

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