Darum steht die Digitalisierung verstärkt im Fokus der Immobilienwirtschaft

Träge Transformation

Im Herbst 2019 rückte das Thema Digitalisierung innerhalb der Immobilienwirtschaft zunehmend in den Fokus des Branchen-Interesses. Besonders auf der Expo Real in München konnten sich die Branchenteilnehmer ein Bild über den digitalen Status Quo machen. Doch bislang ist die Bilanz eher ernüchternd.

So hatte die Investmentgesellschaft Union Investment, die selbst weltweit als Immobilien-Investor tätig ist, in diesem Sommer ein Meinungsforschungsinstitut beauftragt, Immobilien-Unternehmen und -Anleger in Deutschland, Frankreich und Großbritannien zu befragen: Wie ist es um die Umsetzung von „PropTech“ – die sogenannte Property Technology – in den europäischen Wirtschaftsnationen bestellt? Wieweit ist die digitale Transformation der Immobilienbranche fortgeschritten? In welchem Umfang werden bereits immobilienwirtschaftliche Produkte und Dienstleistungen durch digitale Technologien effizienter gemacht?

Ergebnis der Umfrage ist, dass die Digitalisierung bei den Immobilien-Investoren langsam und in unterschiedlichem Tempo voranschreitet. Lediglich 20 % der 150 befragten Unternehmen gab an, eine Digitalisierungsstrategie umgesetzt zu haben. Dem standen 41 % der Unternehmen gegenüber, die gerade erst begonnen haben, erste Konzepte auszuprobieren. Die übrigen befragten Immobilien-Investoren sind noch gar nicht in das Thema Digitalisierung eingestiegen.

Transformations-Anstrengungen

In Gesprächen auf der 22. Münchner Expo Real – Europas größter Ausstellung für Immobilien und Investitionen – zeichnete sich bei Immobilienprofis ein ähnliches Meinungsbild ab. Hier wurde das Diskussionsforum „Go Live – Wo steht die digitale Transformation in der Immobilienwirtschaft?“ veranstaltet, an dem Immobilienmanager, -investoren, Facility Management-Experten und Fachwissenschaftler teilnahmen. Dr. Jochen Keysberg, Vorstand von Apleona, einem führenden deutschen Unternehmen im Facility Management - umriss den digitalen Status Quo: „Die PropTechs sind weiterhin sehr emsig. Wir sehen gute Pilotprojekte, aber die Skalierung fehlt noch. In dieser Hinsicht hat sich auf dem Markt nicht viel getan.“

 

Smart Building = Innovative
Gebäudetechnik planen,
bauen und betreiben

Auch die „PropTechs“ selber, diejenigen, die Property Technology-Konzepte entwickeln und implementieren, diskutieren in diesem Herbst intensiv über die offenbar träge Umsetzung von Innovationen.

Beispielsweise im interdisziplinären Netzwerk für innovatives Bauen, dem Aachen Building Experts e.V., der durch führende Unternehmen der Bauwirtschaft, der RWTH Aachen und der Fachhochschule Aachen initiiert wurde. Am 16. und 17. Oktober veranstalteten die Aachener Bau-Experten im Eurogress Veranstaltungszentrum zum zweiten Mal die „Smart Building Convention – Innovative Gebäudetechnik planen, bauen und betreiben“. Vorträge und Workshops der Veranstaltung, die unter der Schirmherrschaft der NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach stand, beleuchteten aktuelle Themen aus den Bereichen technische Gebäudeausrüstung und Realisierung digitaler Gebäude. Die Teilnehmer hatten Gelegenheit zum Austausch mit Referenten aus im Bereich Property Technology etablierten Unternehmen, der Hochschulen und aus PropTech-Startups.

Die Aachener Building Experts registrierten ein lebhaftes Interesse an der Smart Building Convention: Der Teilnehmerkreis war engagiert und bemerkenswert vielfältig – Besucher vertraten die wichtigsten Gewerke entlang der Wertschöpfungskette des Bauens, Projektentwickler und Bauherren, Architektur-, Planungs- und Ingenieurbüros sowie Generalunternehmer, Immo-
bilienbetreiber und Facility Management-Unternehmen.

 

Offene Diskussion über
Innovations-Hemmschwellen

In Workshop-Sessions wurde offen diskutiert. Auch hier ging es wie bei anderen Expertengesprächen in diesem Herbst um die Bewertung des Stands der Umsetzung von Digitalisierungs-Lösungen im Immobilienbereich. Die Diskussionen ergaben einen Konsens:

Im Augenblick erfinden und optimieren PropTech-Unternehmen zwar zukunftsträchtige Lösungen für die Immobilienwirtschaft. Dennoch erscheint der Weg zur durchgängigen Digitalisierung von Neubauten und Bestands-Immobilien noch lang zu sein. Als aktueller Grund dafür wurde unter anderem genannt, dass die Branche aufgrund guter Marktbedingungen vor allem auf die zügige Realisierung von konventionell ausgestatteten Immobilien fokussiert ist. Für Konzepte digitaler Nutzungsoptimierung steht im Augenblick wenig Zeit zur Verfügung.  

Weitere Hemmschwellen für die Digitalisierung sahen die Workshop-Teilnehmer bei den Herausforderungen der notwendigen Datensicherheit rund um Smart Buildings und um Cloud-Anwendungen der Property Technology.

Insgesamt scheint die Immobilienbranche einen digitalen Nachholbedarf zu haben. Zum einen sind die Berufsbilder der Branche noch nicht umfassend Digitalisierungs-kompatibel. Zum anderen sind Immobilienprofis wie beispielsweise Facility Manager noch nicht ganz von der Wirtschaftlichkeit digitaler Lösungen überzeugt.

 

Steigerung der Digitalisierungs-Kompatibilität

Goar T. Werner, Geschäftsführer des ­Aachen Building Experts e.V. (ABE), sieht die Ergebnisse der Diskussionen als Bestätigung der Aktivitäten des ABE-Netzwerkes und deren Mitglieder: „Aus dem ABE heraus kam die Initiative für den neuen Studiengang Smart Building Engineering an der Fachhochschule ­Aachen, der ganz klar den Fachkräfte- und Berufs-Mangel in der Gebäudetechnik-Branche adressiert. Erst durch die Gründung der Stiftung Smart Building aus dem Kreise der Netzwerk-Mitglieder wurde die finanzielle Basis geschaffen, den Studiengang im WS 2018/19 zu starten.“

Aus Werners Sicht bieten die Mitglieder der Aachener Building Experts grund­sätzlich einiges an Potenzial zur Über­zeugung der Branche von der Wirtschaftlichkeit digitaler Innovationen: „ABE klärt über neue Geschäftsmodelle, neue Prozesse und über neue Technologien im Bereich Smart Building auf. Das Netzwerk bietet Austauschmöglichkeiten an, das Ganzheitliche hinter der Digitalisierung zu sehen, um Innovationen Schritt für Schritt Chancen zu vermitteln.“

 

Künstliche Intelligenz in den Startlöchern

Diese Austauschmöglichkeiten wurden auch auf der Smart Building Convention geboten: Im Ausstellungsbereich des ­Eurogress standen die Mitglieder des Expertennetzwerkes Veranstaltungsbesuchern für Gespräche mit den Besuchern zu Verfügung.

Unter anderem mit dabei: die deutsche Tochter des niederländischen Unternehmens Priva, einem Stiftungsmitglied des neuen „Smart Building Engineer“-Studienganges in Aachen. Im Bereich der Automation von Immobilien entwickelt das Unternehmen als Spezialist für Klimatisierung, Energieeinsparung und nachhaltigem Einsatz natürlicher Ressourcen seit Jahren digitale Lösungen für die Immobilienbranche. Auf der Basis von Künstlicher Intelligenz haben die Priva-Entwickler eine integrierte Applikation entwickelt, die sich in den Niederlanden bei zahlreichen Testinstallationen ­be­währt hat – den sogenannten Energy-Comfort-Optimizer –, der als Ergänzung zu installierten Gebäudeautomations-Systemen beliebiger Hersteller implementiert werden kann.

Offenbar handelt es sich hierbei um ein ermutigendes Beispiel für eine PropTech-Innovation mit der Aussicht, in Zukunft in zahlreichen Neubauten eingesetzt zu werden: Die Nutzung dieser neuen Lösung startet in Deutschland in diesem Jahr. Die Prototyp-Anwendung wurde bei der international tätigen Goldbeck-Gruppe installiert, einem Bauunternehmen, das ebenfalls zu den Mitgliedern der Aachen Building Experts gehört.

 

Es bleibt spannend!

Wer sich für die Entwicklung der Digitalisierung der Bau- und Immobilienbranche interessiert, muss das Thema weiter aufmerksam verfolgen. Dabei lohnt es sich wieder, auch im nächsten Jahr die Diskussionen auf den großen Veranstaltungen der Branche zu verfolgen. Dazu zählt die Smart Building Convention in Aachen, die in diesem Jahr am 1. und 2. September stattfindet.

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