Digitaler Wandel der Immobilienwirtschaft nimmt Fahrt auf
Intelligente Technologien sind zu unseren ständigen Begleitern geworden. Der Alltag ist ohne sie kaum mehr denkbar, ob bei der Internet-Suche, bei Online-Bestellungen oder in Navigationssystemen. Meist unbemerkt schreitet ihre Entwicklung täglich voran. Doch digitale Lösungen prägen nicht nur unser Privatleben. Sie erfassen auch sämtliche Wirtschaftszweige – mit unterschiedlichem Tempo und in verschiedener Intensität. So konnten Immobilienunternehmen ihren traditionellen Geschäftsmodellen vergleichsweise lange treu bleiben, während moderne Technologien andere Branchen teilweise bereits stark verändert haben.
Zwar steckt die Digitalisierung der Immobilienwirtschaft vielfach noch in den Kinderschuhen. Gleichzeitig geht sie aber auch mit großen Schritten voran. Immer mehr etablierte Immobilienunternehmen entdecken die Vorzüge intelligenter Prozesse und neuer Technologien für sich. Zudem werden nahezu täglich Startups – in der Immobilienwirtschaft sogenannte PropTechs – gegründet, die oftmals das Potenzial haben, die gesamte Branche zu verändern.
Auch wenn vielerorts noch Entwicklungspotenzial vorherrscht, so ist das Thema „Digitalisierung“ doch in der Branche angekommen. In einer Umfrage, die der ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss gemeinsam mit der Beratungsgesellschaft EY Real Estate zum „Einsatz digitaler Technologien in der Immobilienwirtschaft“ durchgeführt hat, identifizieren 90 % der Befragten aus dem immobilienwirtschaftlichen Umfeld das Thema Digitalisierung als sehr relevantes Handlungsfeld für ihr Unternehmen. Im Schnitt investieren die etablierten immobilienwirtschaftlichen Unternehmen ganze fünf Prozent des Jahresumsatzes in Digitalisierungsmaßnahmen. Bei den sogenannten PropTechs entfallen sogar 62 Prozent des Jahresumsatzes auf Ausgaben für Digitalisierungszwecke; bei der Gesamtheit der Befragten beträgt der Durchschnitt der für Digitalisierung aufgewendeten Jahresumsätze elf Prozent.
Mehr als drei Viertel der Umfrageteilnehmer gaben an, dass sie sich derzeit in der Etablierungs- beziehungsweise Entwicklungsphase befinden. Hier geht die Digitalisierung bereits über das reine Beobachten und Experimentieren mit isolierten Einzellösungen hinaus. Sechs Prozent der Befragten – überwiegend aus dem PropTech-Segment – zählen sich zur „digitalen Exzellenz“ und sind somit vollständig digital aufgestellt. Im europäischen Vergleich hingegen sieht sich die deutsche Immobilienwirtschaft selbstkritisch und überwiegend erst als durchschnittlich oder gar unterdurchschnittlich fortgeschritten (jeweils 46 % der Befragten).
Als Haupttreiber der Digitalisierung nannten die Umfrageteilnehmer Investoren, Projektentwickler und Planer. Bei diesen Akteuren wird auch die größte Veränderung der Geschäftsmodelle erwartet. Eine gewichtige Ursache dürften hier das Building Information Modeling (BIM) und die damit verbundenen Veränderungen in Entwicklung und Betrieb sein. Asset Manager werden von 59 % der Befragten als wesentliche Kraft angesehen. Technischen Gebäudedienstleistern und Facility Managern wird eine ähnliche Rolle zugesprochen (58 %).
Eine der größten Herausforderungen im Hinblick auf die digitale Transformation stellen für 72 % der Befragten mangelnde personelle Ressourcen dar. „Der Megatrend Digitalisierung kollidiert hier mit einem weiteren, dem des demografischen Wandels und des damit einhergehenden Fachkräftemangels. Aufgrund der Digitalisierung ergeben sich neue Berufsbilder in der Branche. Und hier konkurrieren wir mit anderen Wirtschaftssektoren im ‚War for Talents‘“, sagt Martin Rodeck, Innovationsbeauftragter des ZIA. „Wir müssen die Attraktivität der Immobilienwirtschaft für alle Young Professionals und Experten konstant steigern. Dabei ist die gesamte Branche gefordert.“
Als Spitzenverband der Immobilienwirtschaft treibt der ZIA die Digitalisierung der Branche und die Zusammenarbeit zwischen etablierten und jungen Marktteilnehmern bereits seit mehreren Jahren voran. Grundlage dafür ist unter anderem der im Jahr 2015 gegründete Innovation Think Tank. In diesem treten regelmäßig die innovativsten Köpfe der gesamten Immobilienwirtschaft zusammen. Der Think Tank ist das geistige Oberhaupt sämtlicher Aktivitäten unseres Verbands rund um die Themen Digitalisierung und Innovation. Aus seiner Feder stammen unter anderem der Innovationskongress der Immobilienwirtschaft, der Ausschuss Digitalisierung und der Innovationsbericht.
Der Innovationsbericht, der im Juni 2018 in seiner zweiten Auflage vorgestellt wurde, zeigt anhand von insgesamt 26 Best-Practice-Innovationen, in welche Richtung sich die Digitalisierung mit innovativen Ideen bewegen kann. Rodeck erkennt hierbei einen deutlichen Wandel der Innovationskraft der Branche: „Während im ersten Jahr noch sehr viele Prozessinnovationen eingereicht wurden, können wir bereits im zweiten Jahr viele gelungene Produktinnovationen vorstellen. Die Möglichkeiten der seriellen Bauweise, des Internet of Things oder auch neuer Softwarelösungen sind ein deutlicher Innovationstreiber“, so Rodeck.
Der ZIA kümmert sich darüber hinaus um ein verlässliches politisches Umfeld für die Digitalisierung der Immobilienwirtschaft. In seinem 2017 gegründeten Ausschuss Digitalisierung entwickeln zahlreiche Experten der Immobilienwirtschaft aktuelle Positionen, wie die Regulatorik angepasst werden kann, um die digitale Transformation zu unterstützen. Dabei geht es insbesondere darum, dass die Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik intelligent mitwächst. Digitale Schnittstellen zwischen Immobilienwirtschaft und Behörden könnten beispielsweise mitunter langfristige Baugenehmigungsverfahren und Grundstücksvergaben erheblich beschleunigen.
Auch die Themen Datenschutz und Datensicherheit spielen eine enorme Rolle in der Branche. Die Immobilienwirtschaft erfasst zahlreiche Daten rund um die Nutzung einer Immobilie. Diese intelligent auszuwerten und für die eigene Unternehmensentwicklung verwenden zu können muss das Ziel einer nachhaltigen Datenschutzpolitik sein.
Dass die Forcierung dieses Themenbereichs für die Branche von enormer Bedeutung ist, zeigt auch ein weiteres Ergebnis aus der Digitalisierungsumfrage. Denn zwei Drittel der Befragten haben angegeben, dass es an einer unternehmensübergreifenden Digitalisierungsstrategie fehle (66 %). Als weitere gewichtige Herausforderungen identifizierten die Befragten eine mangelhafte Datenqualität und -struktur (65 Prozent) sowie veraltete und nicht integrierte Software (58 %).
Potenzial für die Gegenwart und die nahe Zukunft sieht ein überwiegender Teil der Umfrageteilnehmer im Einsatz mobiler Arbeitsgeräte (78 %) und von Cloud-Technologien (74 %). Eher mittelfristiges Potenzial sehen die Befragten dagegen im Bereich Big Data/Data Mining/Data Analytics. Ein dafür grundlegendes Feld ist Smart Metering, insbesondere zur Datengenerierung. Mittelfristiges Potenzial wird auch in der Virtual/Augmented Reality und im 3D-Druck gesehen. Potenzial für die eher ferne Zukunft messen die Umfrageteilnehmer der Blockchain-Technologie, der künstlichen Intelligenz (KI) und Robotics bei. Letztere kommen derzeit höchstens nutzergetrieben in Industrieimmobilien vor. Vorstufen von KI werden etwa in Form von Chatbots in der Kundenkommunikation eingesetzt, ohne das volle Potenzial dieser Technologie zu entfalten. Als zeitlich am weitesten entfernt wird die Blockchain-Technologie bewertet.
Die Immobilie wird digital: Technologien und Anwendungen, die an der Immobilie selbst ansetzen, sei es bei der Planung, beim Bau, im Betrieb oder bei der Transaktion, lassen sich unter „Smart Real Estate“ zusammenfassen – dem Schwerpunkt der Befragung.
Als Beispiele für solche Technologien sind etwa Smart Metering, Predictive Maintenance, Sharing Economy, KI oder BIM zu nennen. Den Befragten zufolge wird die digitale Transformation alle Nutzungsarten betreffen, allen voran Büroimmobilien. Ein differenzierteres Bild ergibt die Befragung hingegen im Hinblick auf Vorteile und Herausforderungen, welche die verschiedenen digitalen Technologien mit sich bringen.
Vom Einsatz von Smart Metering versprechen sich 80 % der Umfrageteilnehmer Potenzial zur Kostenreduktion: Smart Meter bilden ein Netzwerk intelligenter Gegenstände, Zähler und Sensoren zur Messung und Steuerung von Gebäudeteilen oder Ausrüstung und ermöglichen dadurch beispielsweise Predictive Maintenance, also sensorbestimmte, vorausschauende Wartung und Instandhaltung, was die Optimierung von Instandhaltungsstrategien ermöglicht. Für 75 % der Befragten kann die Implementierung von Robotics und KI beachtlich zur Optimierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen beitragen. BIM – also die digitale Modellierung von Gebäuden über den gesamten Lebenszyklus – ermöglicht für 70 % der Befragten erst die Automatisierung von Prozessen und ist für Kosteneinsparungen und die Belastbarkeit von Entscheidungen und Vorhersagen von großer Bedeutung.
Knapp 60 % der Befragten sehen im Datenschutz eine große Herausforderung und eine Hürde für Smart Metering. Als größtes Hindernis für den Einsatz von KI und Robotics identifizieren 55 % der Umfrageteilnehmer die nötigen hohen Investitionskosten und rund jeder zweite die ebenfalls notwendige Nutzerakzeptanz.
Die Vielzahl von neuen digitalen Möglichkeiten in der Immobilienwirtschaft war noch nie so groß wie heute. Und sie nimmt weiter zu. Unternehmen, deren Anspruch es ist, nicht nur zu reagieren, sondern zu agieren, sollten auf die Zeichen der Zeit hören und sich intensiv mit dem Einsatz neuer Technologien und Kooperationen mit PropTechs beschäftigen. Wer sich solchen Möglichkeiten verweigert, droht den Anschluss zu verlieren.
Mehr zur Studie unter www.zia.de