Interview mit Conrad Herrmann, Partner ICME Real Estate zu den Projekten von ICME in Saudi-Arabien

Modernisierungsoffensive mit Fingerspitzengefühl

Saudi-Arabien ist die größte Volkswirtschaft des arabischen Marktes, ­immense Investitionen sind geplant. Die Business Unit Real Estate& ­Infrastructure von ICME, International Consulting Management & Engineering, steht mit im Zentrum dieser Bauexplosion, analysiert, berät und organisiert die Neuausrichtung großer Unternehmen in Saudi-Arabien. ICME ist auf der arabischen Halbinsel von Abu Dhabi aus aktiv. Die ­internationalen Erfahrungen und Erfolge wiederum sind ein wichtiger Mehrwert für die Beratungstätigkeit in Deutschland.

Welche sind die aktuellen Projekte von ICME Real Estate in Saudi-Arabien?

Conrad Herrmann: Als ICME Real Estate „bohren“ wir seit 2010 an den Märkten auf der arabischen Halbinsel und ich selber bin seit 2011 in Riad. Dabei geht es generell um Businessmodelle für Investitionen, Restrukturierung, Change-Management, Property- und Facility Management, Profitabilität, Wertschöpfungsanalysen und Effizienzsteigerung. Wir wollen für unsere Kunden Investments, Budgetsicherheit, Zeiteinhaltung und hohe Standards garantieren. Zum einen wurde ICME mit der Vorbereitung zur Betriebsübergabe einer VIP-Anlage mit rund 17.000 m² Gebäude­fläche an den saudischen Betreiber beauftragt. Das muss man sich wie eine Botschaft vorstellen mit Platz für Sicherheitspersonal, Protokoll, Bediensteten und modernste Technik. Zum anderen ging es um einen Auftrag, in dem wir die Wertschöpfungstiefe bei der Bauausführung bis hin zum Landschaftsbau und der technischen Gebäudeausrüstung analysieren und organisieren sollen. Also wir wollen Fragen beantworten wie: Was mache ich selber, was kaufe ich ein? Welche Wertschöpfung ist sinnvoll? Worauf konzentriere ich mein Know-how? Des Weiteren konnte ICME für einen großen Telekomoperator eine Reorganisation inkl. Manpower-Planung des gesamten ­Real Estate Bereiches aufbauen. Daraus resultierte ein dritter Auftrag mit drei Betreiberprojekten: IMCE soll das komplette Facility Management eines Flughafens, einer Universität mit Wohnanlagen (Villen und Appartements, Einkaufzentrum und ‚recreation center‘) sowie auch eine 40 km² große Leichtindustrieanlage inkl. Wohnanlage unter die Lupe nehmen. Allein die Universität hat 3200 FM-Mitarbeiter und eine Grundstücksfläche von 1,7 Mio. km². Wir überprüfen Konzepte mit innovativen smart-building-Technologien von Solarpanels über Wassergewinnung bis hin zur Energieersparnis.

Wie sehr bestimmen länder-
und marktspezifische Gegebenheiten Ihre Strategie in Saudi-Arabien?

Herrmann: Wir gehen dorthin, wo viel investiert wird, wo Märkte unser Know-how gebrauchen können. Das heißt, wo westlicher und hoher technologischer Standard eingefordert wird. Wir sind aufgrund unseres Deutsch-Schweizer Ursprungs sowie aufgrund unseres hohen Qualitätsstandards und unserer Zuverlässigkeit sehr akzeptiert. Ich kann nur das Stichwort sagen: Hamburger Kaufmannstugenden. Es gilt das Vertrauen, der gegenseitige Respekt; die schriftliche Unterlage kann auch später kommen. Wichtig sind der persönliche Kontakt und das Wort.

Wie steigern Sie den Unternehmenswert?

Herrmann: Wir steigern ihn dadurch, dass wir größere „Turnover“ und bessere Margen erzielen können. Hier sind die Projekte um ein mehrfaches größer als in Europa, wo der Kunde sehr viel eigenes Know-how und eigene Abteilungen hat, die selber entscheiden. Zwar ist dort die Beratung auch erforderlich, aber die Projekte sind eben oft kleiner. Als mittelständisches Beratungsunternehmen haben wir Marktvorteile durch unsere Mischung aus ­Seniorität mit großer Erfahrung und jungen, gut international ausgebildeten Beratern, gepaart mit unserer Branchenexpertise. Unser Konzept ist hier sehr wenig vertreten, damit können wir punkten. Der Kunde wählt uns aufgrund unserer ganz spezifischen Teams aus, welche ganz spezifische ­Fähigkeiten und Erfahrungen nachweisen können. So können wir im Wettbewerb auch gegen große Beratungsfirmen bestehen. Dazu kommt die deutsche Qualitätskomponente, die immer sehr gut akzeptiert wird. Man ist gewohnt, dass Deutschland Qualität und Zuverlässigkeit liefert und man setzt darauf.

Welche Vorteile und Risiken bietet ein Engagement in Saudi-Arabien?

Herrmann: Die Vorteile liegen eindeutig darin, dass es in Saudi-Arabien um größere Volumina geht. Außerdem kann ich gute, junge „professionals“ finden. Personal, das schon erfolgreich operativ in den Golfstaaten, meist in Abu Dhabi und in Dubai, tätig war. Die Leute, die in der Region arbeiten, sind auch viel flexibler als in Europa. Ab einem gewissen Alter denkt man in Europa doch eher an sein „Worklife Balance“ am Nachmittag. Das ist hier anders. Ich kann gut fähige und internationale ­Kollegen finden. Zu den Risiken: Bei den Saudis gelten eben stärker das persönliche Wort und der persönliche ­Kontakt. Das heißt, die Vertragsverhandlungen beispielsweise sind langsam und komplex, und die Verträge oftmals schärfer formuliert. Daher kann es vorkommen, dass man ohne formale Unterschrift schon vorher beginnt und ­Flexibilität beweisen muss. Würde ich nach europäischen Standards vorgehen, müsste ich ganz anders formulieren. Aber man muss eben manches akzep­tieren, was dann aufgrund der persönlichen Beziehungen, des Respektes und des guten Einvernehmens dann pragmatisch gelebt wird. Das bedarf eines guten Projektmanagements, des guten Umgangs und Feelings ohne Konfrontationen. Das muss man alles managen und mit einkalkulieren.

Wie wichtig sind persönliche Kontakte und die Anwesenheit vor Ort?

Herrmann: Der persönliche Kontakt ist sehr, sehr wichtig. Deshalb ist von ICME auch ein Partner vor Ort. Wir müssen ­zeigen, dass wir uns engagieren; das ist ein klarer Erfolgsfaktor. Der Kunde möch­te das Gefühl haben, dass wir schnelle Entscheidungen fällen und das Unternehmen repräsentieren können. Also keine anonymen Manager – das kommt einfach nicht gut an. Das würde die Autorität untergraben. Viele Unternehmen machen da bestimmt Fehler. Sie schicken nicht ihre Top-Führungskräfte nach Saudi-Arabien mit komplexen Abstimmungsprozessen in Europa, die dann viel zu langsam ablaufen – das darf man nicht machen.

Welchen Stellenwert hat das Thema Nachhaltigkeit in der arabischen Region?

Herrmann: Das ist ein Thema, das immer stärker wird. Bisher war es dies nicht – Benzin ist schließlich günstig. 50 Liter für 5 Euro. Da kommt Freude auf, wenn man schnelle Autos liebt. Aber Nachhaltigkeit steht jetzt ganz klar auf dem Programm. Man beginnt damit, einen Energiemix zu verfolgen. Das bedeutet: traditionelle Energie, also das Öl, plus alternative Energien, das ist die Atomenergie – Atom sieht man hier fast als „green energy“. Und dann die ganze Solartechnik, wobei die der deutschen Unternehmen sehr gefragt sind. Das hat auch Auswirkungen auf die Gebäude und auf das Facility Management. Bisher wurde das nicht berücksichtigt, aber man versucht das nun umzusetzen. Dies läuft unter dem Stichwort „Smart City“, wo die gesamte Planung durch „Value Engineering“ sowie die ganze Steuerung, das Property Management und das Facility Management verbessert und die neuen Technologien angewendet werden. Daran herrscht ein großes Interesse.

Worin liegen die Stärken von ICME im internationalen Real Estate Business?

Herrmann: Die Stärken liegen darin, dass wir aufgrund der Referenzen, die wir in Europa sammeln konnten, die ganze Wertschöpfungskette abbilden können.


Wir haben z. B. für Landesregierungen, international tätige Unternehmen und die Finanzindustrie gearbeitet und dabei bei Großprojekten Erfahrungen sammeln können. Diese Erfahrungen tragen wir in die Märkte, wo Wachstum herrscht und Bedarf an Restrukturierungen besteht. Wir rekrutieren international erfahrene Berater – das ist unsere Mischung aus erfahrenen Kollegen aus dem Heimatbüro und branchenerfahrenen Kollegen vor Ort aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Welche Trends sehen Sie im internationalen Property und Facility Management?

Herrmann: Diese hängen vom wirtschaftlichen Entwicklungstand des jeweiligen Landes ab. Wie stark ist das Wirtschaftswachstum, welche Grundlagen sind da? Das heißt, die Länder müssen unterschiedlich betrachtet werden. Saudi-Arabien gilt beispielsweise nicht als „reife Marktwirtschaft“. All diese Länder im arabischen Raum brauchen weiterhin Investitionen. Und es wird weiter investiert werden – unabhängig von der europäischen Finanzkrise. Diese hat keine direkten Auswirkungen auf den arabischen Markt, schließlich ist man hier nicht mit dem Euro, sondern mit dem Dollar verknüpft. Also sehen es die Ölstaaten eher gelassen. Die Wirtschaft entwickelt sich weiter und es ist eine große Dynamik vorhanden.

FM Welche Auswirkungen haben diese Trends auf die ICME Strategien in Deutschland?

Herrmann: Wir haben in Europa – auch Deutschland – viele alte Zöpfe, die abgeschnitten werden müssten. In Europa fehlt es oft an stringenter ‚governance‘, vieles ist zu umständlich. In Saudi-Arabien oder den Emiraten gibt es eine einzige politische und mehrere technische Ebenen, die mit sehr kurzen Realisierungszeiten zur optimalen technischen Lösung führen. In Europa hingegen ist es genau andersherum. Mehrere politische Ebenen und nur wenige technische Ebenen führen oftmals zu einer politischen Lösung mit geringerer Kontrolle des Finanzbudgets und der Zeitabläufe. Die Folge sind klassische Managementfehler, wie man am Beispiel des Berliner oder Wiener Flughafens, des Neubaus des Geheimdienstes oder der Hamburger Oper oder am Politikum Stuttgart 21 sehen kann. Öffentliche Auftraggeber sind diesen Herausforderungen aufgrund ihrer Komplexität heute nicht mehr gewachsen. Sie arbeiten oftmals in nicht marktgerechten Strukturen, sodass es dann zu Gutachterstreitigkeiten und zu enormen Kosten- und Terminüberschreitungen kommt. Kurz gesagt: Investoreninteressen, ob öffentlich oder privat, müssen viel strikter umgesetzt werden, denn das beste technische Know-how liegt ja in Europa. Und genau da liegen unsere Stärken. Wir präsentieren kundenorientierte Lösungen.

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