Carbon Footprint für Facility Services mit CarMa reduzieren
Während es eine unüberschaubare Flut von Beiträgen, Methoden, Tools und Zertifikaten für die Nachhaltigkeit von Gebäuden gibt, fehlt Vergleichbares für Facility Services. Das ist umso erstaunlicher, als ihr Anteil an den insgesamt für die Gebäudenutzung emittierten CO2-Emissionen bis zu 50 % der Emissionen für Wärmeenergie und Strom ausmachen kann. Bei Passivhäusern fällt der Anteil noch höher aus. Der Artikel stellt sowohl eine neue Methode zur Ermittlung des Carbon Footprints als auch ein IT-Tool (carbonFM) zur Datenerfassung und Berechnung für Facility Services vor.
Herausforderung
Um die Ziele des Pariser Klimaschutzübereinkommens zur Beschränkung der Erderwärmung auf unter 2 °C zu erreichen und nicht zuletzt, um unseren Planeten auch für künftige Generationen lebenswert zu erhalten, muss auch das Facility Management (FM) einen messbaren Beitrag erbringen. Da FM im Wesentlichen Dienstleistungen an und in Bauwerken erbringt, müssen sich die Bemühungen zur Reduktion der CO2-Emissionen auf eben diese Facility Services (FS) richten.
Nachhaltig betriebene Gebäude sind gefragt. Im Rahmen der Corporate-Social-Responsibility-Berichtspflicht setzen sich Unternehmen verstärkt mit der Nachhaltigkeit in allen Bereichen eines Unternehmens auseinander. Informationen zu Gebäuden geraten zunehmend in den Fokus der Umweltberichterstattung. Darüber hinaus kommen in der Immobilienwirtschaft u. a. Green-Lease-Vereinbarungen zum Einsatz. Diese können Nachhaltigkeitsziele, wie z. B. die Reduktion von CO2-Emissionen, beinhalten. Eine nachhaltige Ausrichtung der FS kann dabei einen wichtigen Beitrag leisten.
Die Herausforderung besteht darin, die CO2-Emissionen durch FS und die dabei verwendeten Betriebsmittel und -stoffe zahlenmäßig zu ermitteln und zu verarbeiten. Nur Größen, die messbar sind, können auch miteinander verglichen werden. Dies wiederum ist eine Voraussetzung, um ein Benchmarking zwischen unterschiedlichen Anbietern von FS vorzunehmen und auf dieser Basis Verbesserungsvorschläge und Handlungsempfehlungen zu erstellen. Mit dieser Zielstellung ist das Forschungsprojekt „Carbon Management für Facility Services“ (CarMa[1]) angetreten, welches unter Federführung der beiden Berliner Fachhochschulen (HWR Berlin und HTW Berlin) gemeinsam mit FM-Praxispartnern aus den Bereichen Dienstleistung, Immobilienmanagement, Beratung und IT durchgeführt wird. Hierfür musste sowohl die Methode als auch ein geeignetes IT-Tool entwickelt werden.
CO2-Emissionen, Carbon Footprint und Management
Treibhausgasemissionen werden häufig in Form von CO2-Emissionen angegeben. Dabei werden alle Treibhausgase (THG) entsprechend ihres Treibhauspotenzials (engl. Global Warming Potential, GWP) in CO2-Äquivalente umgerechnet und aufsummiert. Die korrekte Bezeichnung hierfür ist CO2e-Emission (mitunter auch CO2eq). Im Folgenden sprechen wir jeweils von diesen Äquivalenten.
Der Carbon Footprint (engl. für CO2-Fußabdruck) gibt Auskunft darüber, wie viele Treibhausgasemissionen (u. a. CO2, Methan, Lachgas) eine Person oder ein Unternehmen in einem bestimmten Zeitraum verursacht. Der Carbon Footprint of Products (CFP) hingegen gibt an, wie viele Treibhausgase im gesamten Lebenszyklus eines Produktes oder einer Dienstleistung anfallen.
Das Carbon Management (CM) ist eine noch junge Disziplin. Erst vor zwei Jahrzehnten wurden erste Rahmenbedingungen für das CM in Unternehmen entwickelt. Eine allgemeingültige Definition von CM existiert allerdings nicht. Hier wird CM als zielorientiertes Controlling betrieblicher THG-Emissionen verwendet.
Ökobilanzierung und CFPs
Mittels Ökobilanzierung (nach ISO 14001 ff.) werden die Ressourcennutzung und Umweltauswirkungen von Produkten, Unternehmen oder Produktionsprozessen erfasst und bewertet. Dabei wird der Lebenszyklus eines Produktes von der „Wiege bis zur Bahre“ (engl.: cradle-to-grave), d. h. von der Rohstoffgewinnung bis zur endgültigen Entsorgung, betrachtet. Der Systematik der ISO 14040 folgend, werden vier Schritte unterschieden:
Definition von Ziel und Untersuchungsrahmen,
Sachbilanz,
Wirkungsabschätzung und
Auswertung,
welche auch im Rahmen von CarMa übernommen wurden.
Der Untersuchungsrahmen, welcher die Funktionen (Leistungsmerkmale) des untersuchten Systems eindeutig festlegen muss, beinhaltet (u. a.)
das zu untersuchende Produkt-
system,
die funktionelle Einheit,
die Systemgrenzen,
die Allokationsverfahren,
die Methode für die Wirkungs-
abschätzung und die Wirkungs-
kategorien,
die Methoden zur Auswertung,
die Datenverfügbarkeit und Tiefe der Studie,
die Anforderungen an die Daten und ihre Qualität,
die Bewertung (Gewichtung) sowie
die Art und den Aufbau des vorgesehenen Berichts.
Durch die Angabe einer Bezugsgröße, auf die die Input- und Outputdaten (im mathematischen Sinn) normiert werden, lassen sich die errechneten Werte mit anderen Produkten vergleichen. Ein Beispiel für eine funktionelle Einheit ist die Serviceerbringung für 1 m² Fläche pro Jahr.
In Form von Environmental Product Declarations (EPD) nach ISO 14025 geben Hersteller Auskunft über die Umweltauswirkungen eines Produkts über den gesamten Lebenszyklus. Mit Hilfe sog. Product Category Rules (PCR) wird eine Vergleichbarkeit von Umweltproduktdeklarationen für eine oder mehrere Produktkategorien erreicht.
Der Carbon Footprint of Products gibt Auskunft darüber, wie viele THG-Emissionen im gesamten Lebenszyklus eines Produktes (Ware oder Dienstleistung) anfallen. Gelingt es diese CFPs zu ermitteln, so lässt sich hieraus das Optimierungspotenzial der einzelnen Produkte identifizieren, um im nächsten Schritt entsprechende Handlungsempfehlungen abzuleiten.
Bedeutung für das FM
FS beeinflussen die Nachhaltigkeit der Gebäudenutzung. Besonders bei Bestandsgebäuden können nachhaltig optimierte FS einen Beitrag für eine ökologische Gebäudebewirtschaftung leisten. Neben der Verbesserung des Ressourcenverbrauchs können außerdem Kosten reduziert werden.
Die CarMa-Methode
Aufgrund der Vielzahl und Heterogenität der Facility Services stellte die Entwicklung einer einheitlichen Methode für die CO2-Abschätzung aller Services eine Herausforderung dar. Dies war nicht möglich, ohne geeignete plausible Vereinfachungen vorzunehmen und entsprechende Annahmen (Schätzungen) zu treffen. Dies ist auch deshalb erforderlich, weil für zahlreiche bei FS eingesetzte Produkte kein CFP vorliegt. Für die Schätzungen orientiert sich die Methode an der vereinfachten Umweltbewertung des Umweltbundesamtes (VERUM 2.0). Das Vorgehen ermöglicht eine plausible Bewertung der CO2-Emissionen – auch ohne eine vollständige quantitative Untersuchung (wie z. B. bei der Erstellung einer Ökobilanz nach DIN ISO 14040).
Die Berechnung der Emissionen eines Service (Service-CFP) erfolgt modular, wobei die CFPs in vier Module gegliedert werden:
Betriebsmittel,
Betriebsstoffe,
Overhead und
Transporte.
Leistungen, die zum servicespezifischen Management (wie Management der FS oder Dokumentation und Berichtswesen) zählen, werden dem Modul Overhead zugerechnet. Für Services hat die Berücksichtigung dieses Overheads eine höhere Relevanz als für Produktionsprozesse physischer Gegenstände. In den primär für Produkte entwickelten Umweltprodukterklärungen nach ISO 14025 bleibt dieser Posten standardmäßig unberücksichtigt. Er kann jedoch mehr als 10 Prozent der mit einem Service verbundenen CO2-Emissionen verursachen und ist daher in diesem Anwendungsfall nicht zu vernachlässigen.
Diese Untergliederung in Module ermöglicht eine strukturierte Erfassung der CO2-Emissionen trotz der Diversität der FS, bei denen unterschiedliche Geräte, Fahrzeuge und Verbrauchsmittel zum Einsatz kommen.
carbonFM – IT-Support für die CarMa-Methode
Die zuvor erwähnten Module werden weiter in Bausteingruppen und diese wiederum in Bausteine unterteilt. Bei der Unterteilung wird nach dem Grundsatz „so grob wie möglich und so fein wie nötig“ vorgegangen. Für die Bestimmung des CFP eines Service werden vier Ebenen betrachtet:
Masterebene,
Serviceebene,
Modulebene und
Ebene für Informationseinheiten und Kennzahlen.
Zur Abschätzung des CFP eines Service ist eine Aufgliederung nur bis zu dem Punkt sinnvoll, an dem auch Informationen zu den eingesetzten Betriebsmitteln und -stoffen (Menge und Kennzahlen) vorliegen. Idealerweise sollten die CO2-Kennzahlen aus verfügbaren Datenbanken oder vergleichbaren Quellen übernommen werden.
Die Methode wurde in einem datenbank- und webbasierten IT-Tool
„carbonFM“ praktisch umgesetzt. carbonFM unterstützt FM-Dienstleister bei der Erfassung ihrer FS und der zugehörigen Produkte sowie der Berechnung der entsprechenden CFPs und schließlich bei der Verbesserung ihres CFP. Nachhaltigere Dienstleistungen sind das Ergebnis.
Grafik 1 und 2 zeigen Ausschnitte von Screenshots des Systems und Grafik 3 gibt einen schematischen Überblick über das Vorgehen bei der Anwendung der CarMa-Methode.
In einem weiteren Entwicklungsschritt sollen künftig auch Benchmarkvergleiche zwischen verschiedenen Dienstleistern möglich sein. Dies kann den Ausgangspunkt für eine künftige Nachhaltigkeitszertifizierung von Facility Services bilden.
Fazit
Mit der vorgestellten Methode bietet sich erstmals die Möglichkeit für FM-Dienstleister ihre erbrachten Facility Services in Hinblick auf die dadurch erzeugten CO2-Emissionen bewerten zu lassen und hierdurch wertvolle Hinweise zur Reduzierung ihres Carbon Footprints zu erhalten. Es bleibt zu hoffen, dass die Branche die Methode schnell adaptiert und das entwickelte Tool carbonFM weiter pflegt und entwickelt.
Die hier kurz beschriebene Methode wird bis Jahresende 2019 in einer neuen GEFMA-Richtlinie 162 ausführlich veröffentlicht. Beigefügt wird eine Excel-Datei, die das praktische Ausprobieren der Methode ermöglicht.
[1] Das Projekt wird vom Institut für angewandte Forschung Berlin e.V. (IFAF) gefördert.