Planungstipps für die Ladeinfrastruktur
Aus unterschiedlichen umweltpolitischen Gründen wird es für Unternehmen immer wichtiger, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren. Wichtige Komponenten zur Reduktion sind beispielsweise die Firmenflotte und der Arbeitsweg der Mitarbeitenden – und damit Elektrofahrzeuge und eine entsprechende Ladeinfrastruktur. Dazu gehört jedoch mehr als das Aufstellen von Ladesäulen. Eine durchdachte Planung zahlt sich aus.
Für den Umstieg auf Elektromobilität genügt es für Privatnutzer vollkommen, sich ein E-Fahrzeug anzuschaffen, eine Wallbox oder Ladesäule zu installieren und ans Stromnetz anzuschließen. Für Unternehmen ist die Situation komplexer. Sie sollten auch Themen wie Lastmanagement und Eigenenergieerzeugung, Mitarbeiter-Laden beim Arbeitsplatz und zu Hause sowie Fördermittel berücksichtigen.
Optimiertes Lastmanagement
Mit der Ladeinfrastruktur ändert sich der Strombedarf des Unternehmens deutlich. Deshalb gilt es vorab zu klären, ob ein erhöhter Strombedarf durch die bestehenden Netzkapazitäten gedeckt werden kann. Daraus ergeben sich die möglichen Standorte für Ladesäulen oder Wallboxen. Diese verfügen in der Regel über ein Ladelastmanagement.
Das statische Lastmanagement regelt die jeweiligen Ladepunkte. Jeder Ladepunkte erhält eine fixe Ladeleistung, unabhängig davon, wie viel Energie auf der Liegenschaft gerade zur Verfügung steht und verbraucht wird.
Ein dynamisches Lastmanagement hingegen steuert die Ladeleistung abhängig vom aktuellen Verbrauch. Die maximale Ladeleistung des Netzes wird intelligent auf die einzelnen Ladepunkte verteilt. Das verhindert die Überlastung des Stromanschlusses und nutzt das bestehende Netz optimal. Damit können Investitionen in ein neues Netz oft vermieden werden. Zudem lassen sich Lastspitzen und Zusatzkosten durch einen höheren Leistungspreis verhindern.
Ab einer gewissen Fuhrparkgröße ist ein dynamisches Lastmanagement sinnvoll, ebenso bei Quartieren oder Gebäuden, in denen häufig viele E-Fahrzeuge zur gleichen Zeit geladen werden. In diesen Fällen kann auch ein optimiertes dynamisches Lastmanagement eine Option sein. Es bezieht nicht nur alle relevanten Energieerzeuger und Verbraucher ein, sondern berücksichtigt auch die individuellen Gegebenheiten und Anforderungen. Wie zum Beispiel bei einem Autohaus, das Wallboxen auf dem Parkplatz, im Showroom und in der Werkstatt angebracht hat. Jeder Gebäudeteil hat eine eigene, separat abgesicherte Stromunterverteilung. Hier wird das Lastmanagement so eingerichtet, dass es sowohl den Gesamtverbrauch dynamisch steuert als auch jede Wallbox hinsichtlich des Verbrauchs im jeweiligen Gebäudeteil. Darüber hinaus sind auch individuelle Steuerungen von Verbrauchern und Energieerzeugungsanlagen über Zeitschaltuhren oder komplexe Logiken möglich, inklusive Höhe und Dauer der Drosselung sowie Prioritäten. Auch Temperaturen sowie Hoch- und Niedertarifzeiten können dabei berücksichtigt werden.
Zukunftsfähige Infrastruktur
Bei der Dimensionierung der Ladeinfrastruktur empfiehlt es sich, längerfristig zu denken. MVV Enamic hat zum Beispiel bei den mannheimer gründungszentren mg:gmbh die Haupt-Stromleitung sowie den zentralen Stromverteiler so ausgelegt, dass die mg:gmbh das Vierfache der aktuell umgesetzten Ladekapazität betreiben kann, um die potenziell steigende Anzahl an E-Fahrzeugen in der Zukunft laden zu können. Tatsächlich ist bereits durch die Installation der Wallboxen die Nachfrage nach Lademöglichkeiten gestiegen: Einige Mieter haben sich daraufhin ein E-Fahrzeug angeschafft.
Dieselbe Erfahrung hat Linde Engineering in Pullach bei München gemacht, wo immer mehr Mitarbeitende mit einem E-Fahrzeug zur Arbeit kommen. „Die Lademöglichkeiten am Arbeitsplatz beeinflussen auch unsere Mitarbeiter bei der Autowahl: Viele entscheiden sich für ein Elektrofahrzeug, auch wenn es an ihrem Wohnort keine Ladepunkte gibt”, berichtet Sandro Beer, Head of Mechanical & Electrical Installations und Leiter des Projekts bei Linde Engineering. So hat Linde Engineering die bestehenden 22 Ladepunkte zügig auf 72 ausgebaut.
Für einen solchen Fall ist es vorteilhaft, wenn bei einer Verkabelung direkt ausreichend dimensionierte Leerrohre verlegt und ggf. auch Reserven im Verteiler und bei den Netzwerkanschlüssen eingeplant werden. Damit steigen zwar die Anfangsinvestitionen, mittel- und langfristig ist dies jedoch erheblich kostengünstiger.
Als Daumenregel gilt: Bis zum Jahr 2030 sollte mindestens ein Drittel der Stellplätze mit einem Ladepunkt ausgestattet sein. Denn aktuelle Schätzungen, wie die Studie „Die Zukunft der Mobilität“ des Center of Automotive Management (CAM), besagen, dass der Anteil an Vollstromern und Plug-in-Hybriden 2030 bei ca. 30 Prozent liegt. Innovative Unternehmen, die ihre eigene Flotte schneller elektrifizieren möchten, sollten mit einem entsprechend höheren Anteil kalkulieren.
Exakte Abrechnungen für alle Ladeszenarien
Mitarbeitende mit einem elektrischen Dienstwagen sollten diesen nicht nur im Unternehmen, sondern auch zuhause laden können. Das ist besonders wichtig, wenn das Fahrzeug nicht nur zum Pendeln genutzt wird, und – wie es inzwischen üblich ist – die Möglichkeit zu Homeoffice besteht.
Der Strom für das Laden des Dienstwagens sollte dann vom Arbeitgeber rückerstattet werden. Ein manuelles Ablesen der Strommenge durch den Dienstwagenfahrer oder eine monatliche Pauschale erweist sich erfahrungsgemäß als wenig praktikabel. Präziser und komfortabler ist die kWh-genaue automatische Rückvergütung. Dabei werden die Ladedaten automatisch an den Arbeitgeber übermittelt. Ähnliches gilt auch, wenn Beschäftigte ihre privaten E-Fahrzeuge auf dem Firmenparkplatz laden können. Dann muss die entnommene Strommenge verrechnet werden.
Manche Energieunternehmen übernehmen den kompletten Abrechnungsprozess für alle Ladeszenarien. Das nutzt zum Beispiel die Stryker Trauma GmbH in Schönkirchen. Das Gesundheitsunternehmen gibt seinen Strompreis an die Beschäftigten weiter, sodass diese ihre privaten E-Fahrzeuge zu guten Konditionen am Arbeitsplatz laden können. Die Abrechnung läuft vollautomatisch über MVV Enamic: Von den Ladesäulen gehen die Verbrauchsmeldungen regelmäßig an den Dienstleister, ebenso die Abrechnungen, wenn Dienstwagenfahrer ihre E-Fahrzeuge unterwegs laden. Die Mitarbeitenden mit Privatfahrzeugen erhalten monatlich eine Rechnung von MVV Enamic. Stryker bekommt ebenfalls eine Abrechnung bzw. Gutschrift.
Fördermittel und andere Vergütungsmöglichkeiten
Wenn es um Kosten geht, sollten auch Fördermittel und die THG-Quote in die Überlegungen einbezogen werden. Das KfW-Programm 441 steht derzeit zwar nicht mehr zur Verfügung, doch es gibt Zuschüsse für die Installation einer Ladeinfrastruktur, wenn diese mit Ökostrom betrieben wird. Dabei besteht die Möglichkeit, Ökostrom vom Energieversorger zu beziehen oder selbst zu erzeugen, etwa mit einer PV-Anlage. Diese amortisiert sich am schnellsten, wenn möglichst viel des erzeugten Stroms selbst verbraucht wird – dafür bietet sich die Kombination mit einer Ladeinfrastruktur an.
Auf Länderebene gibt es in einigen Bundeländern nach wie vor Förderprogramme zum Aufbau von Ladeinfrastruktur. Meistens werden neben den Wallboxen und Ladesäulen auch Beratungs- und Planungsleistungen sowie der Kauf oder das Leasing elektrischer Fahrzeuge gefördert, etwa vom Land Berlin, Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen. Bayern unterstützt Unternehmen und Kommunen auch beim Errichten von Ladepunkten am Wohnort von Mitarbeitenden zum Laden von Dienstfahrzeugen.
Sind die Ladestationen nicht ausschließlich Mitarbeitenden vorbehalten, kommt ein weiterer Aspekt ins Spiel: die THG-Quote. Über diese Treibhausgasminderungsquote können die Emissionen, die durch E-Fahrzeuge eingespart werden, als CO2-Äquivalente verkauft werden. Pro MWh Ladestrom kann man im Jahr 2023 derzeit rund 0,35 t CO2-Äquivalent geltend machen. Je nach Marktlage bringt das Erlöse von 10 bis 20 Cent je abgesetzter kWh an einem öffentlichen Ladepunkt oder pauschal 200 bis 375 Euro für einen vollelektrischen PKW. Die CO2-Äquivalente werden allerdings am OTC-Markt, also außerbörslich, gehandelt. Kleine Akteure haben hier relativ geringe Chancen, gute Preise zu erzielen, bei vergleichsweise hohem Aufwand. Spezialisierte Dienstleister wie die MVV Enamic beraten Unternehmen und übernehmen nach Wunsch die vollständige Abwicklung, Beantragung, Datenaufnahme und den Handel.