Wandel der Finalität in den Wertschöpfungsketten des Bauens

Industrielle Wertschöpfung in Bau und Betrieb  (Teil 2)

Gebaut wird zu teuer, zu lange, selten ohne Baumängel und noch viel zu wenig nachhaltig. In der gesamten Technologiekette – von Rohstoffen bis zum fertigen Bauwerk, von nachfolgenden jahrzehntelangen Betriebsphasen bis zum Baumüll – entstehen fatale Umweltlasten in exponentiell zunehmendem Ausmaß. Von diesem Ende her muss die Kette neu gedacht und formiert werden.

Es geht um die viel diskutierten ökologisch-ökonomischen Transformationen, in denen das Bauen inzwischen im Brennpunkt der Politik steht. Als Hoffnungsträger gelten technologische Lösungen. Hier wird aber in öffentlichen Diskussionen zu wenig beachtet, dass nicht nur  Bauabläufe, sondern ebenso die nachfolgenden Prozesse im Betrieb der Immobilien erfolgskritisch sind. Nachhaltigkeitsziele stehen heute am Anfang von Bauinvestitionen. Sie werden aber nicht mit deren Abschluss erreicht, sondern erst entlang der Lebenszyklen realisierter Bauten. Folglich müssen Bauziele und Betriebsziele unterschieden und  in Einklang gebracht werden. Diese ursprünglich im Facility Management definierte Aufgabe kann aber nur wirksam werden, wenn damit schon in frühen Projektphasen begonnen wird. Und auch nur dann, wenn der Übergang von Bauphasen zu Betriebsphasen methodisch ohne Medienbrüche gelingt. Beides ist weit entfernt von einem Standard. Aber auf der Agenda einer beginnenden industriellen Revolution.

 

Branchenmuster in der Krise

Heutiges Bauen und Betreiben ist in vielfacher Weise veraltet. In der gegenwärtigen Mehrfachkrise (Gesamtwirtschaft – Bauwirtschaft – Immobilienwirtschaft) zeigen sich bestehende strukturelle Schwächen verschärft. Im Gegensatz zur industriellen Produktion sind Baubabläufe Mischformen aus verschiedenartigen Prozessen aus Handwerk, Industrie, Dienstleistungen. Sie sind außerdem oft durch aufwendige Vergabeverfahren „vertrackt“. Somit kaum effizient steuerbar.

Hinsichtlich der im Bauen eingesetzten Produkte besteht ein schwerwiegendes Problem darin, wenn  Bieter Sonderrechte erhalten, Bauprodukte auszuwählen und im Auftragsfall zu verbauen. Einseitiger Kostendruck im Preiswettbewerb bedingen dann unkalkulierbare Folgekosten und Folgemängel im Betrieb. Schlimmer noch, hinzu kommen nicht beachtete produktabhängige CO2-Emissionen im Gebäudebetrieb. Mit Folgen weit darüber hinaus in klimatischen Veränderungen.

Dazu kommen Überforderungen durch bürokratische Lasten. Die gesamte Industrie muss derzeit eine Flut  zunehmender Verordnungen, Regularien, Richtlinien verkraften. Der Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung Prof. Clemens Fuest beklagt, dass Unternehmen derzeit etwa 15.000 Seiten Dokumente beachten müssen, um nachzuweisen, dass sie geltende EU-Standards erfüllen (Beitrag im ZDF am 12. Februar 2023 bei Maybrit Illner). Das ist eine weitere Zunahme der in unserer Wirtschaft bereits überhandnehmenden Bürokratie. Die Bau- und Immobilienwirtschaft ist allerdings auf sehr konträre Weise betroffen. Auf der Nutzenseite helfen Richtlinien zu nachhaltigem Bau und Betrieb (vgl. Teil 1 in FM 1/2023). Und negativ durch außerordentliche Aufwendungen, ggf. sogar als Wettbewerbsnachteil.

Was bedeutet das für notwendige Transformationen zur „Green Economy“? Es ist nachvollziehbar, wenn in der Fachwelt Verlangsamungen, sogar Rückschritte verlangt werden. Verfolgt man aber den realen Gang zu nachhaltigen Lösungen in den Unternehmen und Institutionen „rund um den Bau“ gibt es dazu Gegenargumente, weil wettbewerbsrelevante  innovative und effiziente  Alternativen entwickelt wurden.

Zukunftsfähige
Wertschöpfungsstufen

Grafik 1 ist eine Schemadarstellung der komplett produktorientierten Technologiekette. Von Rohstoffen bis zu fertigen Bauwerken, weiter zu deren Betrieb und abschließend zu den End of Life Phasen aller Bauwerk-Bestandteile. Das 4-teilige Stufenmodell ergibt sich aus der inneren Prozesskette der Systemeinheit Bau+Betrieb (Projektablauf plus Betriebsphasen s. Teil 1 in FM 1/2023). Vorgelagert sind ursprüngliche Produktmärkte (verbaufähige Endprodukte mit Lieferketten der Vorprodukte). Nachgelagert sind Produkte der Kreislaufwirtschaft. Die Unterscheidung in materielle und energetische Faktoren wurde übernommen aus der ISO 14040 Ökobilanzierung. Sie gilt gleichermaßen in allen Wertschöpfungsstufen. Am Anfang sind es stofflich-energetische Größen in der Beschaffungs- und Verarbeitungskette von Bauprodukten. Nach der Fertigstellung eines Bauwerks sind es die stofflich-energetischen Größen im Betrieb bis zu den End of Life Phasen.

Die Darstellung beinhaltet eine visuelle Gleichsetzung in der Gegenüberstellung vom ursprünglichen Produkteblock am Anfang des Bauens mit dem bisher noch kaum etablierten Produkteblock am Ende der Betriebsphasen. Das ist beabsichtigt, um den zu erwartenden Entwicklungssprung in der Kreislaufwirtschaft anzudeuten. Hier sind verschiedene politische Weichen bereits gestellt. Die EU plant, ab 1. Januar 2027 eine neue Verordnung für die Ökobilanz von Gebäuden mit einer Nutzfläche von mehr als 2000 m² einzuführen. Sie dient der kompletten  Erfassung der sogenannten „eingebetteten“ CO2-Emissionen, orientiert am Lebenszyklusmodell: Herstellungsprozesse von Baumaterialien, Bauprodukten – Logistische Prozesse – Baumaterialien in der Errichtung – Abbruch und Entsorgung. Zur produkt-technologischen Model­lierung der Systemeinheit Bau+Betrieb gehören folgende Schlüsselfragen:

 Welche Produkte werden in Planungsprozessen mit welchen Begründungen ausgewählt und dann verbaut?
 Welche verbauten Produkte in Bauteilen, Konstruktionen, Anlagen haben im Betrieb welchen Nutzen und welche Nachteile – besonders in Perspektiven der Nachhaltigkeit?
 Welche Bauteile und Subsysteme sind rückbaufähig – in welchen Recyclingtechnologien?

Wer diese Fragen verfolgt, muss feststellen, dass sie durchweg schon Themen in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte „rund um den Bau“ waren – und sind. In unserer Analyse fanden wir eine Art Kaskade fortschreitender Industrialisierung. Nach den 50er Jahren des Wiederaufbaus begannen etwa im 10-Jahre-Takt ehrgeizige Initiativen, die bis heute nachwirken – und sich gerade technologisch-ökonomisch erneuern. Folgende Entwicklungen, die zeitlich aufeinander folgen, haben jeweils aktuelle Relevanz:

A_Frühe Industrialisierung des Bauens der 1960er Jahre – aktuell Neustart / Renaissance

B_Anfänge energieoptimierten Bauens der 1970er Jahre – aktuell Passivhäuser, Energie-Plus-Häuser

C_Einführung des Facility Managements in den 1980er Jahren – aktuell Umbruch, besonders durch BIM

D_Einführung der Kreislaufwirtschaft, besonders in den 1990er Jahren – ­aktuell im EU-Rahmen und  Allianz für Transformation in der Bundesregierung

Jedes Mal zeigt sich jedoch ein ähnlich paradoxes Bild. Reale Errungenschaften verbanden sich mit partieller Unreife. Im Rückblick sieht man ein eigentümliches Muster historisch fortschreitender Umbrüche mit Ausläufern in unsere Gegenwart und neuerdings mit innovativen Ansätzen. Es ist daher aufschlussreich, diese Fortschrittsmuster genauer zu betrachten. Deren ursprüngliche Ansätze sind ebenso lehrreich wie die Analyse und Einschätzung zugehöriger Fehlentwicklungen.

Auf beidem gründet die folgende Hypothese, dass bevorstehende industrielle Entwicklungen im systemischen Zusammenhang das Niveau langfristiger Nachhaltigkeit erreichen können. Unsere Analysen zeigen allerdings, dass hier Chancen und Erschwernisse eng beisammen liegen. Es geht um nichts weniger als ein „Matching“  der aufgeführten Reforminitiativen, angelegt in einem langfristigen Integrationsprozess. In Grafik 2 sind die genannten vier historischen Projekte im Wertschöpfungsmodell markiert. Gespiegelt ist der heutige Status. Das Bild ist entsprechend inkonsistent. Das systemische Potenzial möglicher Integration ist noch nicht erreicht. Vor diesem Hintergrund folgen zunächst Einzelbeschreibungen der Reformversuche. Anschließend folgt eine  Szenariodarstellung, wie auf dieser Grundlage ein kommendes industrielles Branchenmuster vorstellbar ist. Skizziert wird, welche historischen Reformansätze weitergeführt werden können, welche Fehlentwicklungen überwunden werden müssen, welche Verbesserungen möglich sind. Kurz, ein Entwurf durchgängiger Finalität, entlang verbundener Wertschöpfungsstufen (Grafik 3).

Zu A) Unvollendete Industri­a­lisierung des Bauens in den 60er Jahren

Jeder Bauherr erwartet, dass nach Fertigstellung eines Gebäudes alles zu funktionieren hat. Genauso wie ein neues Auto, oder irgendein erworbenes technisches Gerät. Für Bedienprobleme am Anfang gibt es Bedienungsanleitungen und Service der Hersteller. Nicht so beim Bauen. Von der Planung bis zur Realisierung sind Probleme normal. Danach sind Mängel bei Nutzungsbeginn normal. Danach sind Betriebsprobleme normal. Eine grundlegende Kritik an diesen Missverhältnissen wurde von Architekten und Ingenieuren in den 1960er Jahren vertreten. In Anknüpfung an das Bauhaus forderten Konrad Wachsmann, Fritz Haller und viele andere namhafte Architekten eine Industrialisierung des Bauens. Der Grundgedanke war die Beurteilung handwerklicher Produktionsformen als „rückständig“. Gefordert wurde deren Anpassung an den technologischen Fortschritt der Massenproduktion. Als Musterbeispiel  galt die Herstellung von
Automobilen.

Die Umsetzung gelang aber selten, oder eingeschränkt nur in Marktnischen (z.B. Industriehallen, Parkhäuser). Neben technischen und wirtschaftlichen Hürden gab es vor allem jedoch wenig Akzeptanz in der Bevölkerung, wie auch in der Fachwelt. Als Ziel des Bauens wurde gängig vertreten „Gebäude sind Unikate“. Folglich galten handwerkliche Herstellungsweisen als Basis. Diese Auffassung ist im Kern nachvollziehbar. Sie ist aber, schlicht gesagt veraltet. Handwerklich dominierte Bauabläufe sind, allein schon durch geringe Produktivität, oft nicht mehr bezahlbar. Noch schwerwiegender ist zu langsames Bauen – im Wettlauf gegen die Zeit. Die rasante Beschleunigung des Klimawandels erfordert auch einen beschleunigten Einsatz von Zero-CO2-Technologien.

 

Zu B) Energieeffizienz verbessern – gesellschaftlich notwendig, wirtschaftlich kritisch

Energieeffizientes Bauen war bereits in den 1970er Jahren ein Schwerpunkt der Architektur, angestoßen durch die erste Ölkrise. Im Herbst 1973 drosseln arabische Ölstaaten die Förderung und verhängen ein Embargo. Der Ölpreis stieg um das Vierfache. Eine Antwort engagierter Architekten und Ingenieure waren „Energiesparhäuser“ und „Solarhäuser“. Sie erwiesen sich zwar selten als effizient, waren aber Vorboten für die Entwicklung heutiger „Passivhäuser“ und  „Energieplushäuser.“ Darüber hinaus waren sie Meilensteine für ein breit angelegtes neues Verständnis der Bauaufgabe. Bauwerke sollen nicht nur anspruchsvollen  Nutzungsanforderungen gerecht werden. Sie müssen immer auch existenziellen Umweltanforderungen
genügen.

Das ist ein gültig gebliebener Meilenstein in der heutigen Methodik des Bauens. Als neuer Fokus gehört dazu die Konfiguration energiekritischer Bestandteile. In den Planungsphasen wird über Wohl und Wehe gebauter Umwelt entschieden. Sei es Sanierung, Umbau oder Neubau. Entscheidungen, welche Produkte ausgesucht und „verbaut“ werden, sind ausschlaggebend für die Energieeffizienz (Grafik 2).

Am Anfang der Wertschöpfungsstufen wird „Graue Energie“ benötigt, z.B. in Produktion und beim Transport von Bauprodukten. In langjährigen Betriebsphasen wird Wärme und Strom verbraucht. Umso mehr, je ineffizienter gebaut wurde. Durch die Langlebigkeit wird die Akkumulation schlechter Bestandteile gleichsam ein zementierter Krisenzustand – als fortwährende CO2-Last.

Zu C) Unvollendetes Facility ­Management – an der Schwelle, sich neu zu erfinden

In den 1980er Jahren folgte eine Initiative, die mit industriellen Methoden verwandt ist. Mit der Einführung von CAD-Software wurde aus einer jahrhundertealten Kunst – das Zeichnen – eine industrielle Verfahrensweise. Gebaut wurde nun nach Dateien. Das erschien CAD-Anbietern als revolutionärer Ansatz für CAD-gestützte Dienstleistungen. Im Anschluss an fertiggestellte Bauwerke sollten die mit der Bauübergabe vorliegenden CAD-Daten im FM für Betriebsprozesse verwendet werden. Wartungsprozesse, Einhalten von Sicherheitsprüfungen, das Ersetzen von Bauteilen oder ganzer Anlagen sollten  mit CAD-basierten Baudokumentationen erfolgen.

Das geschah tatsächlich aber nur selten, in der Regel gar nicht. Warum? Tatsächlich schwer zu beantworten. Ein Grund ist offenbar die Organisationskultur der Baubeteiligten. Dort besteht wenig Interesse, Zeit und Kosten für eine exakte Baudokumentation aufzuwenden. Hinzu kommt ein lange nicht ernstgenommener Mangel im Projektgeschehen. IT-gestützte Dokumentationen setzen voraus, dass Prozesse IT-gerecht modelliert werden. Ein technologisches Problem, das nach wie vor nicht durchgängig gelöst ist. Da die von Planern, Errichtern und Herstellern verwendeten IT-Baudaten oft nicht verlässlich waren, oder gar nicht zur Verfügung standen, verfestigte sich eine eigentümliche Lücke: Die Nacherfassung von vorhandenen Bauteilen im vorhandenen
Bestand.

Nacherfassung im Bestand

Aus eigenen IT-Projekten in Betreiberorganisationen kennen wir die Problematik unzureichend übergebener Baudaten, verbunden mit nachträglichen Bestandserfassungen. Anfangs waren das Eigenleistungen der Betreiberteams, die uns als „Tal der Tränen“ beschrieben wurden. Inzwischen werden i.d.R. damit Externe beauftragt. Im Austausch mit Dienstleistern erfahren wir aber zunehmend deren Kritik an diesem Zustand. Weil Nacherfassungen nicht den gleichen Genauigkeitsgrad erreichen können, wie eine konsequente Übertragung von As built Daten aus abgeschlossenen Bauprojekten. Diese Datenqualität ist inzwischen eine Vorbedingung für die Ausübung der Betreiberverantwortung geworden. Denn im Zweifelsfall müssen Betreiber in belastbaren Stichproben Nachweise über die Wahrnehmung ihrer Kontrollpflichten liefern. Das allerdings ist aber immer noch mehr Anspruch
als Realität.

Es könnte sich jetzt ändern, wenn der breit angelgelegte Versuch gelingt, durch BIM-Prozesse die Schnittstellenprobleme vom Errichten zum Betreiben zu lösen. Diesmal hat die Umwandlung von Baudaten in Bestandsdaten durch BIM-Transfers gute Chancen.

Wie in Teil 1 beschrieben, ist eine Umkehr der Datenrichtung von großem Vorteil. Wenn BIM bereits  in der Produktion beginnt und durch industrielle Systemführerschaft alle Datenwege bis in die Bauübergabe As built verfügbar sind. Also wenn schließlich auch der Phasenübergang zu den Betriebsphasen auf dieser Basis erfolgt.

Zu D) Kreislaufwirtschaft – Späte Einsichten

Schlechte Gebäude sind zugleich verbunden mit Segen und Fluch der Langlebigkeit. In negativer Hinsicht durch langlebige Baumängel, schlechte Nutzbarkeit und besonders als dauerhafte Umweltlast bei energetisch ineffizienten Gebäuden. Dagegen ist die Umkehrung ein klassisches Ideal. Gute Gebäude sollen lange halten und Nutzen stiften. Diese Unterscheidung ist aber nicht hinreichend, wenn entschieden werden muss, was am Ende der Nutzungsdauern geschehen soll. Bisher gilt nahezu als selbstverständlich: Abriss und Müllentsorgung.

Das hier ein Fehlschluss vorliegt – in gigantischem Ausmaß  – zeigt die 2022 erschienene Veröffentlichung „non ­nobis – über das Bauen in der Zukunft, Band 1“ von Werner Sobek. Der bekannte Architekt und Ingenieurwissenschaftler unternahm mit seinem Team umfassende Analysen über Ressourcen des Bauens. Über all das, was benötigt wird, um Bauten zu erschaffen, zu nutzen, bis hin zu deren „Rücktransfer“ in Müll. Das Ergebnis ist schlicht gesagt alarmierend. Die folgenden Zitate zur Einführung in den Band 1 wurden entnommen aus der Contentplattform ndion:

 „Das Bauschaffen steht für mehr als 50 % des weltweiten Materialverbrauchs“

 „In der Liste der materialverbrauchenden Industrien rangiert die Baubranche weltweit an erster Stelle; und der Bedarf an Baustoffen steigt weiterhin dramatisch.

Zu den rund 400 Millionen Tonnen Abfall, die allein in Deutschland pro Jahr anfallen, trägt das Bauwesen mehr als 50 % bei“

 „Herstellung und der Abbruch von Gebäuden verursachen (mindestens) einen ebenso großen Anteil, was bisher jedoch kaum Beachtung findet“

 „Ein großer Teil des Energieverbrauchs und der Emissionen im Mobilitätssektor entstehen durch Transporte im Bauwesen, werden aber häufig anderen Sektoren zugeschrieben“

 „Obwohl die wesentlichen Verursacher und möglichen Absorber bekannt sind, nimmt der Ausstoß von CO2 weiterhin kontinuierlich zu“

Sobek hat seine Untersuchung angelegt als Trilogie „non nobis“ (nicht wir). Damit benennt er einen dramatischen Zeithorizont. Einleitend erklärt er in Band 1: „Wir sind nicht für uns allein geboren und wir handeln nicht für uns allein: Was wir als Gesellschaft heute entscheiden und tun, reicht weit über unseren eigenen Horizont hinaus. Und es wirkt weit in die Zukunft hinein“ (Band 2 ist 2023 erschienen, Band 3 ist angekündigt). Eine unmittelbare Konsequenz seiner Ausführungen ist die Umstellung bisheriger linearer Lifetime-Ketten in zirkuläre Muster – in Prozesse der Kreislaufwirtschaft.

Die von Sobek aufgezeigten Fakten machen erkennbar, welches Gewicht Materialverbrauch parallel zum Energieeinsatz haben. Methodisch folgt daraus, dass im Planen und Realisieren für jegliches  Bestandteil eines entstehenden Bauwerks Rechenschaft über dessen Folgen – energetisch wie materiell – mitbedacht werden müssen. Wo immer es Entscheidern gelingt, Verantwortung für derartige Doppelaufgaben zu übernehmen, bestehen somit Chancen für das Hervorbringen und Erhalten zukunftsgerecht gebauter Umwelt (Grafik 3).

Serielles Bauen –
Bauen mit System

In der ZDF-Sendung von Markus Lanz am 20. Dezember 2023 erklärt Jan-Hendrik Goldbeck, geschäftsführender Gesellschafter der Goldbeck Unternehmensgruppe, mit welcher Losung sein Vater bei der Unternehmensgründung 1969 die Richtung vorgab: Lernen von der Automobilindustrie, Gebäude herstellen wie ein Auto! Im Mittelpunkt stehen bei Goldbeck heute flexibel kombinierbare elementare Bauteile. In einer von mir 2023 durchgeführten Interviewreihe mit Experten aus verschiedenen Bereichen der Goldbeck-Gruppe wurde der hohe Stellenwert von Entwicklungsprozessen deutlich. Bauteile werden nach dem Vorbild von Baukastensystemen gestaltet. Als erfolgskritisch wird die Ausrichtung auf EU-Nachhaltigkeitsziele hervorgehoben (Goldbeck Nachhaltigkeitsbericht 2022/23).

Das Leitbild des Gründers Ortwin Goldbeck gilt nach wie vor. Serielles Bauen in einem systemischen Modell. Wie im Automobilbau werden zuerst Prototypen entwickelt und getestet, auf allen Ebenen vom Bauelement bis zum gesamten Bauwerk. „Serielle“ Fertigung beginnt erst danach, wenn vorgegebene Qualitätsforderungen eingehalten und Testergebnisse fehlerfrei sind. Für deren Einsatz als Serienprodukte sind dazu BIM-Datenmodelle und Elementkataloge verfügbar. In Bauaufträgen können daraus auftragsbezogen individuelle Bauentwürfe und Baupläne konfiguriert werden. In fertigungsgerechter Umsetzung werden BIM-Baupläne in Computerprogramme für Roboter umgewandelt. Anschließend folgt die computergestützte Produktion (s.Teil 1 in FM 1/2023). Weiterführungen von Dienstleistungen auf der Basis  betriebsgerechter Baudaten sind in den Betriebsphasen durch Facility Services und FM im Konzernverbund möglich.

 

Zukunftsfähiges Bauen braucht neue Systemführer

In dieser Konstellation ist synergetischer Erfolg der beteiligten Akteure mglich, aber auch abhängig von systemisch agierenden Entscheidern. Ein Schlüssel ist die Systemführerschaft. Das war ein zentrales Thema bei der Einführung von Lean Production und Lean Management in den 1990er Jahren. Das bekannteste Musterbeispiel ist auch hier die Autoindustrie. Es ging um neue Aufteilungen der Wertschöpfung zwischen Leistungen bei Zulieferern und Leistungen der Autohersteller. Die Mehrzahl der Teile, aus denen ein Kraftwagen besteht, wurde zuvor von den Herstellern selbst entwickelt und in eigenen Werken produziert.  In den nachfolgenden Jahren des Outsourcing wurde dieses Verhältnis, die Fertigungstiefe, extrem reduziert. Es liegt heute bei etwa bei 25  bis 30 % Eigenleistungen. Das ist deswegen interessant, weil die Frage der Fertigungstiefe in Unternehmen der Bauindustrie eine zentrale Frage für den beginnenden Neuversuch industriellen Bauens ist.

Hier allerdings mit einer Umkehrung der lokalen Bedingungen. Primär ist die Verringerung der Vielzahl von Zulieferungen auf Baustellen. Durch Bündelung von Bauteilen in Subsystemen können komplex vorgefertigte Teile in Fabriken erzeugt werden. Dann erst erfolgen Anlieferung und Montagen auf der Baustelle. Es resultieren nicht nur erhebliche Kostenvorteile. Es werden auch typische Nachteile vermieden, wie hoher Koordinationsaufwand, Wetterabhängigkeit, logistischer Aufwand.

Zu dieser Art reduzierter Fertigungstiefe an Baustandorten kommt die industrieeigene Fertigungstiefe bei den Systemlieferanten hinzu. So haben z.B. Anbieter energietechnischer Anlagen (Photovoltaische Anlagen, Wärmepumpen, u.a.) je eigene Lieferketten von den Vorprodukten bis hin zu eingebundenen Vertriebspartnern, oft mit deren Montageteams auf der Endkundenseite. Die industrielle Beherrschung dieser ineinandergreifenden Fertigungstiefen ist eine Errungenschaft im neuen industriellen Bauen.

Damit einher gehen klassische organisatorische Ansätze der Prozessverbesserung. Besonders Konzepte wie Lean Production und Lean Management. Auf jeden Fall greift im Bauen die traditionelle nur 2-stufige Bauwertschöpfung zu kurz. Die herkömmliche Koppelung aus den Herstellungsphasen der Bauprodukte und den Errichtungsphasen endet mit der Fertigstellung der Bauwerke. Es fehlen die zuvor beschriebenen integrierten Stufen im Vorlauf und Nachlauf des Wertschöpfungsmodells (Grafik 1). Solche Verkürzung hat lange Tradition in der Geschichte des Bauens. Auf fatale Weise ist sie seit den 60er Jahren sogar durch den Einsatz von Projektmanagement verfestigt worden. Ein Grund ist nicht zuletzt eine zu eng verstandene Rationalität von Prozessmanagement (Ursprünge im Operations Research,  z. B. Netzplantechnik). Zur heute notwendigen vollständigen 4-teilgen Stufenfolge gehören vor allem– in ganzheitlicher Sicht der Nachhaltigkeit – die Betriebsphasen und letztlich die Rückbauphasen (Grafiken 1 bis 3). Wie eingangs dargelegt, ist das eine weitgehend noch bevorstehende Integrationsaufgabe der technologisch-ökologischen  Transformation. Fraglos liegen aber auch  hier Chancen für ein neues Paradigma des Managements von Bauprojekten, bzw. von übergreifenden Wertschöpfungsketten – dann jedoch in erweiterter Rationalität.

Am Beispiel des noch jungen Unternehmens ecoworks wird erkennbar, welche Potenziale die Integration von Baukomponenten hat: Produktentwicklung komplexer Subsysteme mit Planungsvorteilen durch integrationsfähige Software (z.B. BIM), Herstellung vorgefertigter Fassaden- und Dachelemente in Fabriken mit Kosten- und Qualitätsvorteilen, Montage auf Baustellen in Minimalzeiten. Für Mehrfamilienhäuser aus den 50er und 60er Jahren, mit hochgradigem Sanierungstau, wird eine neue  Gebäudehülle dem bestehenden Bauwerk übergestülpt (Grafik 4). Der vorhandene Baukörper bleibt weitgehend erhalten. Mieter können im Gesamtablauf in ihren Wohnungen bleiben. In die  Bauteilintegration werden durch ecoworks  auch autarke Energiesysteme wie PV-Anlagen und Wärmepumpen einbezogen. Die Systemintegration erreicht damit ein Niveau, das über die Bauteilintegration des Seriellen Bauens wesentlich hinausgeht. Am Ende gehen ganzheitlich  transformierte Gebäude in Betrieb. Zuvor schlechte Energieeffizienzklassen können auf Energieeffizienzhaus-Standards bis A oder A+ (25 bis 40 kWh/m²/a) angehoben werden (https://ecoworks.tech).

Ausblick

Das systemische Konzept Nachhaltiges Bauen + Nachhaltiger Betrieb ist noch weit entfernt von einem Branchenstandard. Besonders das „plus“ ist ein zwar schon lange bestehender, aber keineswegs wirklich eingelöster Anspruch. Der Veränderungsdruck in den sich zuspitzenden Krisen der Bau- und Immobilienwirtschaft könnte das jetzt ändern.

Damit einhergehend ist auch eine engere Kooperation zu erwarten zwischen Facility Management, immobilienwirtschaftlichem Asset Management und Akteuren in Investitions­prozessen.

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