FACILITY MANAGEMENT im Interview

Grauzone Betreiberpflichten?

In Deutschland gilt, wer Eigentum an einem Gebäude hat, muss seine Betreiberpflichten kennen. Viele wissen gar nicht was das bedeutet, anderen reicht es, die Überprüfung dieser Verantwortung an Dritte abzutreten. Warum beides im Schadensfall gefährlich werden kann, erklärt der Anwalt für Betreiber- und Haftungsrecht Hartmut Hardt im Interview.

Herr Hardt, was sind eigentlich Betreiberpflichten?

Das sind juristische Zuordnungen von Verantwortung. Wer Eigentum hat, etwa Immobilieneigentümer ist, hat dafür Sorge zu tragen, dass die Wege, die zu seinem Gebäude führen winterfest sind. Oder in einem Gewerbe muss man dafür sorgen, dass Arbeitsstätten sicher sind. Ich muss die mir vom Gesetzgeber auferlegten Pflichten einhalten, ob ich jetzt Vermieter oder Arbeitgeber bin.

 

Sind diese gesetzlichen Pflichten denn auch allgemein bekannt?

Das Feld Betreiberpflichten „beackere“ ich seit über 20 Jahren. Fakt ist, die wenigsten Menschen wissen umfänglich Bescheid über die ihnen obliegende Verantwortung. Manchem ist zumindest bewusst, dass es da Verordnungen in Deutschland gibt. Der überträgt die Prüfung dieser Pflichten einem Dritten und denkt sich, er sei aus der Nummer raus, was ein Irrtum ist.

 

Woran liegt es denn, dass das Thema an einigen Immobilienbesitzern vorbeigeht?

Die Rechtslage ist eindeutig. Es gibt seit 120 Jahren den Paragraphen 823 BGB, da steht drin, wer einem anderen, an Leib, Leben oder Eigentum Schaden zufügt, muss den Schaden ersetzen. Daraus wurde das Rechtsinstitut der Verkehrssicherungspflichten gemacht. Wenn bei Wind von meinem Haus jemandem Dachziegel auf den Kopf fallen, bin ich genauso verantwortlich, wie für die Sicherheit meines Autos im Straßenverkehr. Warum das den Leuten nicht bewusst ist, kann ich mir nicht erklären.

 

Kennen Sie konkrete Schadensfälle, aufgrund nicht ­eingehaltener Betreiberpflichten?

Da gibt es Unzählige. Nehmen wir das Beispiel Trinkwasserversorgung in Gebäuden. Da gibt es eine Entscheidung aus 2010 vom Landgericht Dortmund, wo es darum ging, dass eine Mieterin an einer Legionellose erkrankt ist, weil die Hygiene der Trinkwasserzirkulation nicht gewährleistet war. Der Vermieterin wurde vorgeworfen, sie habe ihre Betreiberpflichten zur Verkehrssicherheit nicht erfüllt, mit der Konsequenz, dass sie schadensersatzpflichtig war, in diesem Fall knapp 5000 € mit Gerichtskosten. Darüber hinaus könnte man auch von fahrlässiger Körperverletzung sprechen, mit möglichen strafrechtlichen Konsequenzen für den Hauseigentümer. Das gilt auch für Sachen die irgendwo runterfallen oder in Brand geraten. Gerade bei Immobilien kann man sich da viele Hässlichkeiten vorstellen.

 

Sie sprechen von rechtlichen Grundlagen und Konsequenzen. Glauben Sie, die staatlichen Institutionen, die solche Pflichten einbringen, kümmern sich bei den eigenen Liegenschaften besser um deren Einhaltung, als Privateigentümer?

Hierbei handelt es sich nicht um eine „Glaubensfrage“, denn es besteht sichere Gewissheit, dass in weiten Teilen der Baubestand und die darin befindliche Technik veraltet, marode und oftmals auch hinsichtlich der Betriebssicherheit in einem erschreckend schlechten Zustand sind. Jahrzehntelang wurde dem Thema Instandhaltung nicht ansatzweise die gebotene Aufmerksamkeit entgegengebracht. Dieses gilt für die kleinsten Objekte und Liegenschaften der Kommunen bis hin zu den größten Universitäten, Hochschulen und auch den Brückenbauwerken (siehe beispielhaft die Rahmedetalbrücke in NRW). Gleichwohl muss es den Privateigentümern bewusst sein, dass es keine „Gleichheit im Unrecht“ gibt. Auch wenn die öffentliche Hand zum Teil in grob fahrlässiger Weise verabsäumt die Basispflichten als Eigentümer zu erfüllen, können hieraus die Privaten keinen „Honig saugen“, sondern bleiben für ihren jeweiligen Verantwortungsbereich uneingeschränkt in der Pflicht.

 

Wie versuchen Gebäude­eigner aktuell Konsequenzen zu vermeiden?

Im Normalfall lädt man einen Handwerksmeister ein, der Gebäudeanlagen prüft, etwa die Heizung oder zum Brandschutz. Das mag unter Umständen reichen, wenn die Anlage von der Planung, über die Errichtung, bis zur Einweisung der Nutzer alle Standards erfüllt und sich Handwerker und Auftraggeber aller Verantwortungsfelder bewusst sind. Das führt aber schnell zum Irrtum. Man muss die richtigen Fachleute auswählen, lückenlos anweisen und am Ende, und das ist den meisten unbekannt, kontrollieren können, ob die Beauftragten den Job, den sie ja nur stellvertretend für dich erfüllen, auch für dich korrekt ausgeführt haben.

 

Aber wenn man als Eigentümer nicht gerade Fachmann für Betreiberrecht ist, wie erreicht man dann diese „Lückenlosigkeit“?

Es gibt auf dem Markt Anbieter für Nachschlagewerke und Checklisten. Solche Checklisten sind nicht die alleine seligmachende Wahrheit. Aber es ist wie beim Piloten, der vor dem Abflug mit einer Liste sicherstellt, dass alles am Flugzeug seine Ordnung hat. Man kann auch bei Gebäuden sicherstellen, dass man nichts Wichtiges übersieht. Der Verband Deutscher Ingenieure (VDI) gibt zum Beispiel Grundlagenpapiere an die Hand, welche im Anhang solche Checklisten haben, mit denen der Gebäudeeigentümer prüfen kann, welche Anlagen er hat und welche er prüfen muss.

 

Glauben Sie es gibt genug ­Eigentümer, die die Möglichkeiten solcher Checklisten oder vergleichbarer Compliance-Systemen nutzen?

In diesem Zusammenhang erstaunt mich auch nach zwanzigjähriger Tätigkeit als Referent und Berater, wie wenig diese oftmals großartigen Hilfsmittel bekannt sind und genutzt werden. Es gibt ausufernd viele Möglichkeiten den eigenen Bestand zu erfassen und anhand von Checklisten sicher zu handhaben. So hat der VDI aktuell mit seiner Richtlinie VDI MT 3810 Blatt 1, in Anlehnung an die Ö-Normen B 1300/1301, ein Grundlagenpapier zur Erläuterung des Basiswissens zur Betreiberverantwortung und zur Erfassung der konkret damit verbundenen Handlungspflichten auf den Markt gebracht. Es bleibt zu hoffen, dass die Verkehrskreise und die Verantwortungstragenden dieses Papier wahrnehmen und seinen Nutzen für die eigenen Belange erkennen und umsetzen.

 

Kann man ein Gebäude auch rechtssicher betreiben, ohne Checklisten und andere ­Compliance-Systeme?

Ich will nicht sagen, dass man es mit einem System zu hundert Prozent schafft, aber ohne ganz sicher nicht. Und man kann sich ja Hilfe suchen. Es gibt neben Fachzeitschriften und Fachverbänden, wie etwa VDI oder gefma, auch Anbieter für Erfassungsprogramme oder FM-Software. Die rechtlichen Voraussetzungen sind klar, die Konsequenzen sind klar, man findet Unternehmen, die Hilfe leisten. Das muss nur noch bei den Leuten ankommen.

Neuauflage der GEFMA 190  „Betreiberverantwortung 2.0 im  Facility Management“

Das Standardwerk für Eigentümer und Betreiber von baulichen Anlagen in Deutschland wurde von Grund auf überarbeitet und inhaltlich weiterentwickelt. Die Neuauflage mit der Versionsnummer 2.0 geht damit auf veränderte Anforderungen des Gesetzgebers ein, die sich in der Vergangenheit fortlaufend geändert, erweitert und teilweise verschärft haben. Die Aktualisierung geht aber noch deutlich weiter.
Mit der Erweiterung des Anforderungskatalogs in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit (inkl. Anpassung an den Klimawandel und nach­haltiger Beschaffung) gibt die Richtlinie GEFMA 190 klare Hinweise für einen zukunftssicheren Betrieb und eine nachhaltige Zusammenarbeit zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern von FM-Leistungen. Die Grundlage für die ESG-Aspekte bildet die Richtlinie GEFMA 163-1 „ESG im Facility Management“, in der unter anderem die wichtigen Weichenstellungen durch die EU-Taxonomie-Verordnung und die Corporate Sustainability Reporting Directive (künftige Notwendigkeit der Nachhaltigkeitsberichterstattung) dargestellt werden.
Als weiteres Handlungsfeld mit zunehmender Bedeutung wird die Cybersicherheit angesprochen. Hierzu plant der gefma Arbeitskreis Digitalisierung eine eigene Veröffentlichung.
GEFMA 190 kann über den gefma-Online-Shop (www.gefma.de/service/shop/) bestellt werden, für Mitglieder ist die Publikation dort ­kostenfrei zum Download verfügbar.

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