„Vertrauenssache“
System-Dienstleistung
Je dynamischer der Wettbewerb auf globalen Märkten ausgetragen wird, desto wichtiger werden unternehmerische Alleinstellungsmerkmale und Kernkompetenzen im Wettbewerb. Durch diese Konzentration auf die eigenen Kernkompetenzen gewinnen unternehmerische Partnerschaften im Unterstützungsbereich einer Organisation zunehmend an Bedeutung. Daraus ergibt sich eine Verknüpfung von Wertschöpfungsketten verschiedener Unternehmen.
In optimierten Wertschöpfungsketten der Anbieter für Unterstützungsleistungen, z. B. für einen Teil der
taktischen und operativen Facility
Management-Leistungen, wird ein Wettbewerbsvorteil für die Bedarfsträger gesehen. Dies ist auch daran zu erkennen, dass nach Auswertung der Lünendonk-Studie [1] der Bedarf und die Nachfrage nach integrierten Leistungen seit 2005 weiter gestiegen ist.
Wenn grundsätzliches Vertrauen in Wertschöpfungspartnerschaften seitens der Eigentümer von betriebsnotwendigen Immobilien besteht und damit der Wunsch externes Know-how und Wertschöpfungsqualität am Markt einzukaufen, warum setzen sich eigenverantwortliche System-Dienstleistungen in der Breite dennoch bisher nur zögerlich durch?
„System“ Facility Management und System-Dienstleistungen
Wenn der vorausgehend benannte Bedarf tatsächlich besteht, die angebotenen Produkte am Markt jedoch nicht abgerufen oder genutzt werden, ist darüber nachzudenken, welche Barrieren für den erfolgreichen Einsatz von eigenverantwortlichen System-Dienstleistungen bestehen. Welche Voraussetzungen muss ein Gesamtsystem erfüllen, um gemeinsame Wertschöpfungsketten zu etablieren und die Akzeptanz bei den Bedarfsträgern zu schaffen?
Ein Gesamtsystem für den Bereich Facility Management wird durch die DIN EN 15221-1 „Facility Management Teil 1 – Begriffe“ festgelegt. Diese gibt allerdings keine Auskunft darüber, welche konkreten Systembestandteile im Detail enthalten sein müssen. Das Modell der Norm (vgl. Grafik 1) teilt die Bestandteile lediglich in Organisation (Bedarfsträger) und Unterstützer (Lieferant) ein und unterscheidet zwischen diesen in strategischen, taktischen und operativen Prozessebenen. Durch Teil 5 der Norm werden die im Modell beschriebenen Prozessebenen weiter konkretisiert.
Die DIN EN 15221-5 „Facility Management – Teil 5: Leitfaden für Facility Management Prozesse“ beschreibt explizit, welche Prozesse und Aufgaben auf den unterschiedlichen Prozessebenen durchzuführen sind. Bei der Umsetzung von Prozessen ergeben sich auf unterschiedlichsten Ebenen Schnittstellen zwischen verschiedenen Personen, Hierarchien, Organisationen und Unternehmungen. Es wird jedoch keine Empfehlung gegeben, in welcher Prozessebene eine Aufgabenteilung bzw. System-Dienstleistung anzusiedeln ist.
Eine Marktbetrachtung ergibt, dass
n ein Gesamtsystem für eigenverantwortliche System-Dienstleistungen in Form von Struktur, Modell und Prozessen bekannt und standardisiert ist (DIN EN 15221-1/-5).
n für operative Leistungsbereiche (Facility Services) marktübliche Standards für Funktionen und Schnittstellen vorhanden sind.
n es über Facility Services hinaus keine marktüblichen Standards oder Regelwerke gibt, in denen zu Funktionen, Schnittstellen und anderen organisatorischen Rahmenbedingungen für Managementleistungen Festlegungen getroffen sind.
Für den Erfolg von System-Dienstleistungen ist zu untersuchen:
n In welcher Art Modelle für eigenverantwortliche System-Dienstleistungen in das bestehende Regelungssystem eingeordnet werden können.
n Welche Regelungslücken sich im Kontext einer eigenverantwortlichen System-Dienstleistung im Gesamtsystem ergeben.
n Anhand welcher Lösungsansätze es möglich, wird Vertrauen in eigenverantwortliche System-Dienstleistungen zu erhöhen und Barrieren zur Beauftragung abzubauen.
Welche Barrieren zur Nachfrage von System-Dienstleistungen
bestehen aktuell?
Das Gesamtsystem der DIN EN 15221-1 für Facility Management wird daraufhin untersucht, welche Rahmenbedingungen für eigenverantwortliche System-Dienstleistungen vorherrschen oder
erforderlich sind.
Diese werden anhand der Kriterien
n Prozesse,
n Funktionen und
n Qualitätssicherung für System-Dienstleistungen
hinsichtlich bestehender Barrieren untersucht und bewertet.
Die Verknüpfung von Prozessen ist ein wichtiger Faktor zur erfolgreichen Umsetzung von integrierten System-Dienstleistungen. Durch die angestrebte „optimale Verzahnung des Kerngeschäfts mit den FM-Prozessen“ [3] und die damit einhergehende effektive und effiziente Verknüpfung der Wertschöpfungsaktivitäten soll für Bedarfsträger und Lieferant ein Mehrwert generiert werden.
Angenommen wird, dass eine System-Dienstleistung immer weiter an Komplexität zunimmt, je näher diese am Kerngeschäft des Bedarfsträgers liegt. Somit wird es immer schwieriger und aufwendiger eine Dienstleistung zu überwachen bzw. als sachlich und fachlich zielführend zu verifizieren. Damit ein Bedarfsträger System-Dienstleistungen bzw. deren Verhalten
durch Vorgaben steuern kann, ist es erforderlich abweichendes Verhalten zu erkennen [4]. Je besser das Verständnis über die Handlungsweise des Dienstleisters ist, desto eher kann die Leistung bewertet und durch objektive Ergebnisgrößen dargestellt werden [5]. Daraus kann abgeleitet werden: je standardisierter und transparenter ein Marktmodell ist, desto mehr Vertrauen kann einer System-Dienstleistung entgegengebracht werden und desto weiter kann diese an ein Kerngeschäft heranrücken. Fehlende Kriterien oder Möglichkeiten zur Verifizierung des Dienstleistungsergebnisses werden als Risiko wahrgenommen. Je näher die Leistungen am Kerngeschäft liegen, desto höher ist die Risikosensibilität des potenziellen Auftraggebers. Eine beim Bedarfsträger integrierbare System-Dienstleistung, die möglichst nahe an das Kerngeschäft heranrückt, benötigt ein standardisiertes Funktionsbild. Dies ist von Bedeutung, da Vertrauen in Wertschöpfungspartnerschaften immer dann entsteht, wenn die Handlungen der beteiligten Akteure die entgegengebrachten Erwartungen erfüllen. Werden Erwartungen auf Basis individueller Einschätzungen getroffen und nicht auf Basis einer am Markt etablierten Grundlage, ist es wahrscheinlich, dass Erwartungen nicht erfüllt werden. Je näher eine System-Dienstleistung an den Kernprozess des Bedarfsträgers heranrückt, desto höher ist das benötigte Vertrauen bei diesem. Wird hohes Vertrauen benötigt, ist eine einheitliche, eindeutige und etablierte Marktgrundlage für eine Vertrauensbildung erforderlich.
Potenzialorientierung, Prozessorientierung und Ergebnisorientierung sind die zentralen Größen eines Qualitätsmanagements für Dienstleistungen [6], diese werden zur dauerhaften Sicherung des erarbeiteten Vertrauens und des Leistungsniveaus benötigt. Für System-Dienstleistung sind alle drei Bereiche
sicherzustellen.
Barrieren für System-Dienstleistungen sind Marktbarrieren
Die Untersuchung hat ergeben, dass für die standardisierte und systematische Verknüpfung von Prozessen, Schnittstellen, Funktionen, Organisation und dem Nachweis des Mehrwerts eine transparente und unter den Marktteilnehmern etablierte normative Grundlage fehlt.
Die Abwesenheit eines transparenten und etablierten Marktstandards für
Prozesse, Funktionen und Schnittstellen stellt eine entscheidende Barriere für die flächendeckend erfolgreiche Implementierung und Umsetzung von System-Dienstleistungen dar.
Untersucht man die am Markt gängigen Dokumente oder Richtlinien zu Prozessen (GEFMA 100-2), Schnittstellen und Funktionen (Berufsbild Facility Management und dessen Konkretisierung im Entwurf der RealFM), Organisation
und Nachweis des Mehrwerts (GEFMA 700er) ist es möglich, diese in das Gesamtmodell der DIN EN 15221 einzubetten, ohne dass deren eigener Charakter oder Ausprägung verloren geht. Inhaltlich stehen eine Ergänzung und Harmonisierung der jetzt schon vorhandenen Inhalte zu einem einheitlichen Marktstandard noch aus. Ohne Harmonisierung mindern sich Wertigkeit und Nutzen der einzelnen Dokumente und Richtlinien. Ein positives Beispiel zur Verknüpfung von Inhalten mit der DIN EN 15221 ist die funktionsorientierte Konkretisierung des bestehenden Berufsbildes „Facility Management“ mit Leistungsbereichen und Schnittstellen im FM durch die RealFM.
Intransparenz bedeutet
Vertrauensverlust
Durch die Abwesenheit etablierter Marktstandards für Funktionen, Schnittstellen und Prozessen entsteht Intransparenz und damit ein Vertrauensrisiko. Anhand der Ergebnisse aktueller Marktstudien liefert der ideale Facility Services-Anbieter aus Sicht der Bedarfsträger ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis [8], aus Lieferantensicht ist alleine der Preis entscheidendes Kriterium [9] zur Beauftragung von Leistungen.
Aufgrund dieser unterschiedlichen Wahrnehmung kann den Bedarfsträgern ein Mangel an Vertrauen in die Qualitätsversprechen der Anbieter unterstellt werden. Nach
Pieper beruhen Vertrauensrisiken auf Unsicherheiten
über das Verhalten des Partners, dabei können Verhaltensunsicherheiten auf eine asymmetrische Verteilung von Informationen zurückgeführt werden [10]. Dies passt zu der anhaltenden Qualitätsdiskussion im Facility Management und im Bereich der Facility Services.
Ist eine kooperative, vertrauensvolle und nutzenstiftende Zusammenarbeit etabliert, können die Kosten der Leistungserstellung und der Aufwand zur Beschaffung von Informationen gesenkt und der Nutzen für beide Vertragspartner erhöht werden. Grundlage für eine kooperative und vertrauensvolle Zusammenarbeit kann nur ein transparenter und normativer Konsens sein, der die Belange der Marktteilnehmer berücksichtigt. Auf Basis eines einheitlichen Marktstandards wird abweichendes Verhalten erkannt und damit einer Informationsasymmetrie vorgebeugt.
Zur weiteren Professionalisierung der System-Dienstleistung ist ein normativer Konsens zwischen Bedarfsträgern und Lieferanten zu erarbeiten.
Als Plädoyer für einen transparenten Markt gilt folgendes Zitat von Albach:
„Vertrauen macht glücklich, und es spart viel Geld, und
das beruhigt im Wettbewerb ungemein“ [11].