Vermittelte Aufzugsprüfung: Weg vom Vier-Augen-Prinzip?
Der vielfach beobachtbare Trend der vermittelten Aufzugsprüfung wirft unmittelbar vier kritische Punkte auf. Erstens: Durch Wartungs- und Aufzugsfirmen vermittelte Aufträge ziehen die neutrale Stellung der Sachverständigen in Zweifel. Zweitens: Ein kontinuierlich hoher wirtschaftlicher Druck gefährdet die Unabhängigkeit der Prüforganisationen. Drittens: Unabhängigkeit und Neutralität sind die zentralen Säulen einer qualitätsgesicherten Prüfung. Und schließlich viertens: Sinnvoll konstruierte Paketlösungen können trotz allem die Betreiber entlasten.
Infolge der Liberalisierung bieten Wartungsfirmen und Hersteller von Aufzügen zunehmend auch Prüfleistungen von zugelassenen Überwachungsstellen (ZÜS) an. Als Teil mitunter großvolumiger Komplettpakete werden diese in Kombination mit Instandsetzungs- und Wartungsverträgen Betreibern, Wohnungseigentümer-Gemeinschaften oder Facility Managern direkt angeboten. Das betrifft neben Erstprüfungen vor allem Wiederkehrende Prüfungen von Aufzügen, oft für mehrere hundert bis zu 10.000 und mehr Anlagen. Damit treten Hersteller und Wartungsunternehmen als direkter Wettbewerber zu den bekannten Prüforganisationen im Markt auf. Wie lange kann aufgrund eines damit steigenden Preisdrucks und eines verschärften Wettbewerbs noch ausreichend in der Tiefe geprüft werden? Gerade Komplettlösungen mit der Inbetriebnahme, Wartung und Prüfung aus einer Hand können sich als teuer und riskant für die Betreiber entpuppen.
Dass Prüfaufgaben, die sonst von Betreiberseite selbst organisiert werden müssten, gleich von Aufzugsfirmen oder Wartungsunternehmen angeboten werden, erscheint auf den ersten Blick als effektiv und effizient. Doch genau diese vordergründigen Synergien haben nicht zu unterschätzende Risiken zur Folge. Mit der Perspektive mehr oder weniger große Auftragskontingente zu erhalten, können die Sachverständigenorganisationen zum einen preislich unter Druck kommen. Zum anderen wird der Betreiber von der Prüforganisation abgekoppelt und damit von einem neutralen und unabhängigen Kompetenzträger für die Beurteilung seiner überwachungsbedürftigen Anlagen. Kann das bisher erfolgreiche Vier-Augen-Prinzip dann noch bestehen?
Ein weiterer kritischer Punkt ist der vertraglich festgelegte Leistungsumfang bei einem vermittelten Auftrag. Dadurch werden im Einzelfall zusätzliche qualitätsverbessernde Leistungen der Sachverständigenorganisation nicht mehr relevant. Dabei geht es um mehr als sicherheitstechnische Prüfungen. Weiterführende Leistungen geben bspw. Auskunft über den Verschleißzustand und ermöglichen objektive Aussagen zum Wartungszustand und zur Verbesserung der Wartungsqualität. Zertifikate zur Einstufung der Energieeffizienz bei Aufzugsanlagen liefern wertvolle Ansatzpunkte für die Modernisierung. Solche wichtigen Produktinnovationen sind nicht mehr möglich, wenn die Prüfung nur noch unter dem Primat der Kostensenkung steht. Zudem sind Prüfkonzepte nur solange wirksam, als dass sie kontinuierlich an die aktuellen technischen Begebenheiten angepasst werden können. In der Praxis führt dies freilich zu Kontroversen zwischen Sachverständigen, Herstellern und Betreibern, die zwingend notwendig sind, um den Prozess der kontinuierlichen Verbesserung aber auch Prozessinnovationen in Gang zu halten. Neutralität und wirtschaftliche Unabhängigkeit sind hierfür allerdings die zwingende Voraussetzung.
Für die bestmögliche Anlagensicherheit und Wartungsqualität müssen Betreiber, Aufzugs- und Wartungsfirmen mit den Prüforganisationen eng und partnerschaftlich zusammenarbeiten. Auf diese Weise können Betreiber von Komplettlösungen profitieren, sofern sie sinnvoll konstruiert sind und sich an den Prüfsteinen Neutralität und Qualitätssicherung messen lassen. Nur dann werden Betreiber tatsächlich entlastet – ohne Abstriche bei der Anlagensicherheit machen zu müssen. Sinnvolle Paketlösungen dienen der Qualitätssicherung, wenn z. B. die Prüforganisation sämtliche organisatorischen Details bis hin zur rechtssicheren Dokumentation der Prüfberichte übernimmt und den erforderlichen Aufzugsmonteur stellt. Sachverständigenorganisationen haben hierbei kein wirtschaftliches Interesse am Prüfergebnis. Auch die Monteurleistung wird separat ausgewiesen. Hingegen leidet bei der vermittelten Aufzugsprüfung nicht selten die Kostentransparenz für den Betreiber. Insgesamt bleibt festzuhalten: Bei einer neutralen, qualitätsorientierten Aufzugsprüfung, die für mehr Sicherheit eintritt, sollte die Auswahl der Partner unter der Maßgabe der Qualitätssicherung und nicht unter kurzfristig gedachten Kostenargumenten erfolgen.