Fraunhofer Studie
„Wirksame Büro- und Arbeitswelten“
Wie und vor allem wie gut unterstützen die Büro- und Arbeitswelten die Unternehmen und ihre damit verbundenen Ziele? Diese wesentliche Fragestellung für die Arbeitsorganisation wurde im Rahmen einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO im Auftrag der designfunktion Gruppe untersucht. Aus der Untersuchung ergeben sich konkrete Handlungshinweise, wie sich Büro- und Arbeitswelten in Unternehmen positiv gestalten lassen. Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse aus dieser Studie vorgestellt.
Die Modernisierung der Arbeitsorganisation verläuft meist zu langsam, das zeigt die Befragung unter mehr als 1000 Fachbeauftragten der Studie »Neue Arbeitswelten«. Als zukünftig dominante Büroform entwickelt sich der »Multispace«. Eine Bandbreite an Raumoptionen wirkt sich u. a. positiv auf Arbeitgeberattraktivität, gelebte Zusammenarbeit und Selbstbestimmung aus.
Grundlage der Studie sind die Angaben von 1067 Personen, die sich in ihrer Organisation mit dem Thema »Neue Arbeitswelten« auseinandersetzen. Die Befragten stammen aus einer Vielzahl von Branchen. Sie lassen sich in Fachexperten auf Angebotsseite (spezifisch 37 % Architektur/Bau/Immobilien, 9 % Beratung) oder als Themenbeauftragte auf Nachfrageseite (54 % der Teilnehmenden) einordnen. Dabei gehören 55 % der Teilnehmenden kleinen und mittleren Unternehmen (bis 500 Mitarbeitende) an, 45 % stammen aus Großunternehmen (ab 500 Mitarbeitende). Der Frauenanteil in der Stichprobe liegt bei 44 %, der Männeranteil bei 56 %. Insgesamt besteht eine breite Altersstreuung unter den Teilnehmern.
Die Gestaltung von Büro- und Arbeitswelten ist mit typischen Unternehmens-zielen verbunden, wie die Unterstützung von Arbeitsprozessen, Arbeitsweisen und Organisationsstrukturen; von Wohlbefinden und Gesundheitsschutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; der Arbeitgeberattraktivität; der Unternehmenskultur; der Innovationsfähigkeit der Organisation; der effektiven Nutzung von Räumlichkeiten und modernen Technologien sowie einer effektiven Umsetzung von Nachhaltigkeit im Büro. Die Studienteilnehmer geben an, dass ihre aktuelle Büro- und Arbeitswelt im Unternehmen nur mäßig stark die Umsetzung typischer Unternehmensziele unterstützt.
Zusätzlich zur Einschätzung der aktuellen Gegebenheiten im Unternehmen, haben die Teilnehmer beurteilt, in welchem Ausmaß eine Veränderung in den nächsten fünf bis zehn Jahren im eigenen Unternehmen zu erwarten ist. Auch wenn eine Unterstützung der Effektiven Nutzung moderner Technologien eine signifikant größere Bedeutung in Zukunft erfahren soll als z. B. eine Unterstützung der Organisationsstrukturen, gewinnen alle Themen in der Zukunft signifikant an Bedeutung (siehe auch Grafik 2).
Modernisierungstempo meist zu langsam
Das Tempo in der Modernisierung der Arbeitsorganisation im eigenen Unternehmen wird über alle Unternehmensgrößen und Funktionsbereiche eindeutig als nicht zu schnell empfunden.
Mit zunehmender Unternehmensgröße wird die Transformationsgeschwindigkeit sogar als deutlich zu langsam angegeben. Ausnahmen bilden die befragten Geschäftsleitungen, die das Tempo in der Modernisierung ihrer Arbeitsorganisation als genau richtig einschätzten. Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen darüber hinaus: Bei Unternehmen mit einem langsamen Tempo in der Modernisierung der Arbeitsorganisation ist die Unterstützungsfunktion der Büro- und Arbeitsumgebung geringer ausgeprägt, die Qualität der räumlichen Gestaltung ist niedriger, es wird weniger Zusammenarbeit in der Organisation gelebt und die Arbeitgeberattraktivität sinkt signifikant. Eine Vertiefung der Analysen zeigt, dass für Unternehmen mit einer »Multispace« Arbeitsumgebung ein schnelleres Modernisierungstempo der Arbeitsorganisation angegeben wird.
Multispace als Büroform der Zukunft?
Als aktuelle Büroform im eigenen Unternehmen geben 7 % der Teilnehmer eine Einzelbürostruktur an, 4 % ein Kombi-Büro, 15 % ein Zweipersonen-Büro, 3 % eine Doppelkombi-Büro, 19 % eine Mehrpersonen-Bürostruktur, 15 % eine Gruppen-Bürostruktur, 14 % eine Großraum-Bürostruktur und 23 % eine »Multispace« Arbeitsumgebung.
54 % der Studienteilnehmenden erwarten, dass der »Multispace« sich zur dominanten Büroform in ihren Unternehmen entwickeln wird. Im Vergleich der unterschiedlichen Büroformen zeigt
die Studie, dass eine »Multispace« Arbeitsumgebung in unterschiedlichen Aspekten deutlich positivere Ergebnisse aufweist als Arbeitsumgebungen mit anderen Büroformen.
Eine vertiefte Analyse weist auf, warum diese Büroform besser abschneidet: Ist eine hohe Bandbreite an Raumoptionen in der Arbeitsumgebung vorhanden, die von allen Mitarbeitenden flexibel genutzt werden kann, besteht eine signifikant höhere Unterstützungsfunktion der Arbeitsumgebung zur Umsetzung von Unternehmenszielen. Darüber hinaus wird Zusammenarbeit stärker gelebt, es besteht ein höheres Ausmaß an Selbstbestimmung und auch die Arbeitgeberattraktivität wird deutlich positiver bewertet. »Multispace« Arbeitsumgebungen sind aktuell in allen Unternehmensgrößen implementiert und sind kein spezifisches Phänomen einer bestimmten Unternehmensgröße.
Eine »Multispace« Arbeitsumgebung trägt im Unternehmen wesentlich stärker zur Umsetzung der eingangs vorgestellten Unternehmensziele bei als alle anderen Bürostrukturen. Bei der spezi-fischen Analyse aller Untersuchungsthemen im Hinblick auf die Büroform hat sich gezeigt, dass signifikante Unterschiede in den Ergebnissen nur zwischen drei Gruppen vorhanden sind – zwischen »Multispace« Arbeitsumgebungen, Arbeitsumgebungen mit vorwiegend Einzelbürostrukturen und allen anderen Büroformen (Zweipersonen-, Doppelkombi-, Mehrpersonen-, Gruppen-, Großraum-Bürostruktur). Im Folgenden werden daher die Ergebnisse nach diesen drei Gruppen dargestellt.
»Multispace« Arbeitsumgebungen weisen eine deutlich höhere gestalterische Qualität auf als alle anderen Arbeitsumgebungen insbesondere auch als Einzelbürostrukturen. So liegt eine hohe Qualität in der räumlichen Gestaltung vor, wenn Bürostrukturen Veränderungen im Unternehmen wirksam unterstützen, den informellen Austausch fördern, eine gute Vernetzung zwischen den Nutzern ermöglichen, ein adäquates Angebot an Besprechungsräumen besteht, die organisatorische Struktur in der Arbeitsumgebung die Arbeitsprozesse abbildet, aber auch wenn Nutzerbedarfe in der Ausgestaltung berücksichtigt wurden.
Eine hohe gelebte Zusammenarbeit ist gegeben, wenn Hierarchie im Unternehmen nicht gelebt wird, gegenseitiges Vertrauen zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten besteht, Mitarbeiter bei Entscheidungen miteinbezogen werden und Entscheidungsprozesse im Unternehmen für sie transparent sind. Des Weiteren existiert eine hohe gelebte Zusammenarbeit, wenn Führungskräfte Vorbilder sind für eine moderne Arbeitsweise, Unternehmenswerte im Alltag ebenso wie eine offene Feedbackkultur gelebt werden, arbeitsrelevantes Wissen geteilt wird, gemeinsame Arbeitsziele im Team bestehen und Arbeitsprozesse im Team reibungslos funktionieren.
In »Multispace« Arbeitsumgebungen ist die gelebte Zusammenarbeit statistisch signifikant stärker ausgeprägt als in anderen Büroformen. Auch hier unterstreichen zusätzliche Analysen, dass eine Bandbreite an Raumoptionen für alle Mitarbeiter positive Auswirkungen auf die gelebte Zusammenarbeit im Unternehmen hat. Über alle Büroformen hinweg bestehen in den Unternehmen allgemein zu wenig Rückzugsmöglichkeiten.
Rückzugsmöglichkeiten sind wichtig, damit sich Nutzer visuellen oder akustischen Ablenkungen zum konzentrierten Arbeiten entziehen können. Sie sind allerdings ebenfalls wichtig für eine kurzzeitige Erholung. Die Studie zeigt auf, dass deutlich mehr Rückzugsmöglichkeiten in »Multispace« Arbeitsumgebungen bestehen als in den anderen Büroformen. Besonders fehlen in den anderen Büroformen (Bürostrukturen geprägt durch Zweipersonen-, Doppelkombi-, Mehrpersonen-, Gruppen- und Großraum-Büro) die Rückzugsmöglichkeiten zur kurzzeitigen Erholung.
Damit wird deutlich, dass Arbeitsumgebungen mit Zellenbürostrukturen, insbesondere auch Einzelbürostrukturen, wesentlich weniger Rückzugsmöglichkeiten für konzentriertes Arbeiten und zur kurzzeitigen Erholung bieten als eine Arbeitsumgebung mit einer Bandbreite an verschiedenen Räumlichkeiten und Arbeitsflächen. Die Arbeitgeberattraktivität ist signifikant höher ausgeprägt in Unternehmen mit »Multispace« Arbeitsumgebungen in Vergleich zu Unternehmen mit allen anderen Bürostrukturen. Ein Aspekt, warum auch hier der »Multispace« besser abschneidet, verdeutlicht eine vertiefte Analyse. Die Arbeitgeberattraktivität steigt, je weniger hierarchische Strukturen räumlich abgebildet werden und eine »Multispace« Arbeitsumgebung spiegelt am geringsten Hierarchie in der räumlichen Anordnung wider.
Der ausführliche Studienbericht betrachtet weitere Untersuchungen zur Qualität und Wertigkeit der Gesamtgestaltung (Farbe, räumliche Anordnung, Material), zur Qualität der Umgebungsmerkmale (Licht- und Temperaturverhältnisse, Luftqualität) zum Grad der Selbstbestimmung in den Unternehmen (Arbeitszeit, mobiles Arbeiten), zur Lernkultur (Weiterbildung, Lernen über Zielvereinbarungen), weitere Ergebnisse zur räumlichen Abbildung der Unternehmensstruktur (Hierarchie, Projektstrukturen) und berücksichtigt ebenfalls den Einflussfaktor Qualität der Informations- und Kommunikationstechnologie (Infrastruktur, Sicherheitsstandards).
Definition einer »Multispace« Arbeitsumgebung
Eine »Multispace« Arbeitsumgebung lässt sich nicht eindeutig nur über eine Büroform beschreiben. Sie ist eine Mischstruktur bei der mehrere Büroformen kombiniert sind und den Nutzern parallel zur Verfügung stehen. Offene Büroflächen werden in diesen Arbeitsumgebungen kombiniert mit einer Bandbreite an geschlossenen Räumen. Häufig besteht hierzu ein Non-Territoriales Bürokonzept, in dem die Räumlichkeiten und verschiedenen Arbeitsplätze flexibel von den Mitarbeitern genutzt werden. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass in der Gestaltung der Arbeitsumgebung Nutzerbedarfe am stärksten in Unternehmen mit einem »Multispace« berücksichtigt wurden. Darüber hinaus weist der »Multispace« im Vergleich zu anderen Büroformen deutlich positivere Ergebnisse in allen befragten Kategorien auf.