FACILITY MANAGEMENT im Interview

Den Arbeitsplatz der Zukunft gestalten – aber wie?

Die Corona-Pandemie stellte die Arbeitswelt von heute auf morgen auf den Kopf. Plötzlich war es notwendig, in kürzester Zeit Homeoffice-Konzepte umzusetzen, um handlungsfähig zu bleiben. Zum Einsatz kamen dabei zahlreiche neue Technologien – mit weitreichenden Folgen. Michele Barbato, Abteilungsleiter Produktmanagement bei der Ceyoniq Technology GmbH, erklärt, welche Herausforderungen die spontane Digitalisierung bedeutet und wie Organisationen das Informationsmanagement der Zukunft jetzt gestalten können.

Herr Barbato, der erste Lockdown und der Weg vieler Mitarbeiter ins Homeoffice liegt nun fast ein Jahr zurück. Wie sehen Sie die Entwicklungen seit Beginn der Pandemie?

 

Michele Barbato: Die Corona-Krise hat vieles verändert: Es sind neue Arbeitsplatz-Situationen entstanden. Mitarbeiter arbeiten an unterschiedlichen Orten und mit vielen verschiedenen Endgeräten.

Unternehmen, die bisher ausschließlich auf Büroarbeit setzten, mussten in kürzester Zeit sicherstellen, dass alle Mitarbeiter im Homeoffice uneingeschränkt arbeiten können. Dazu gehören Möglichkeiten zur Zusammenarbeit und der Zugriff auf alle wichtigen Informationen. Die Lösung war in vielen Fällen ­
die Einführung von neuen Technologien und Kollaborationssystemen, die zuvor bestenfalls experimentell genutzt wurden. Was vor einem halben Jahr passierte, kann man wohl am besten als spon­tanes Digitalisierungsflickwerk bezeichnen.

 

Wo liegen dabei die Probleme?

Barbato: Grundsätzlich haben die Unternehmen Digitalisierung für die Beschreibung neuer Geschäftsmodelle benutzt. Die sogenannte interne Digitalisierung wurde dabei nicht betrachtet. Häufig wurden interne Digitalisierungsthemen nur von bestimmten Fachabteilungen beispielsweise Einkauf- und Finanzbuchhaltung gefordert. Das hat aber nicht dazu geführt, dass eine komplette Unternehmensbetrachtung durchgeführt wurde.

Wir wissen aus vielen Projekten, dass ­Mitarbeiter digital überfordert sind, denn die Anbahnung neuer, digitaler Geschäftsmodelle, ohne die gesamte Organisation „digital“ zu haben, verkompliziert die ­Arbeitswelt eines jeden Mitarbeiters. Das liegt unter anderem daran, dass in jedem Unternehmen eine hohe Toolvielfalt existiert. Belastend kommen nun die Versäumnisse aus der Vergangenheit dazu: Wo liegen die Informationen? Wo werden neue Informationen abgelegt?

 

Was meinen Sie genau?

Barbato: Heute muss ein Anwender mindestens sieben verschiedene Arbeitswerkzeuge beherrschen: Dazu zählen Office-Programme, E-Mail-Anwendungen, Branchen-Anwendungen, Unternehmensanwendungen und das Ganze auf verschiedenen Devices.

Allein das ist schon eine Überforderung. Wenn nun das Thema Informationsbeschaffung und das Arbeiten mit Informationen dazu kommt, sind Anwender überfordert.

Auf Grund der hohen Anforderungen an die Mitarbeiter wird oft nach einem neuen Arbeitsplatz, einem digitalen Arbeitsplatz gerufen. Hier kann Enterprise Information Management (EIM) einen guten Beitrag leisten. Ein EIM verbindet die Anwendungen auf der Daten- und Schnittstellenseite. Wenn Unternehmen ihre Prozesse digitalisiert haben, sind häufig auch die Schnittstellen zwischen den Anwendungen definiert. Die Folge ist, dass die Anwendungen gemäß der Unternehmensprozesse „Hand in Hand“ arbeiten und der Anwender alle Informationen zur rechten Zeit zur Verfügung hat, unabhängig vom Endgerät oder der Anwendung.

 

Wie beschreiben Sie diese neue Arbeitswelt?

Barbato: Vor der Krise waren Digital-Workplace-Konzepte vielerorts Zukunftsmusik. Durch die Corona-Krise ist auch für KMU klargeworden: Der Anwender muss mit jeder Anwendung alle Informationen, auf die er ein Zugriffsrecht hat, benutzen können. Daher macht die Integration des EIM in die führenden Anwendungen sehr viel Sinn. Ein Beispiel für jedes Unternehmen ist der Eingangsrechnungsprozess. Wenn hier bereits auch die Bestellunterlagen und anderen Informationen digital, beispielsweise in einer Bestellakte, vorliegen, kann jederzeit jeder Berechtigte aus seiner Anwendung heraus darauf zugreifen – es ist dann egal, ob per Laptop, im Büro oder per Tablet. Spätestens bei der Bearbeitung der Eingangsrechnung muss auch auf unterschiedliche Informationen zugegriffen werden. Heute müssen verschiedenste Ablageorte (z.B. Abteilungslaufwerke, persönliche Windows-Ordner, E-Mail-Ordner, Papier) geprüft werden, um die Informationen zusammenzuführen.

In der Krise wurde klar: Spätestens im Homeoffice können Daten in Papierform nicht genutzt werden.

 

Welche Faktoren sind bei der neuen Arbeitswelt besonders entscheidend?

Barbato: Aus vielen Projekten haben wir drei Regeln identifiziert, die bei der Gestaltung der neuen Arbeitswelt entscheidend sind: Arbeite, wo du willst, vom Homeoffice, unterwegs an verschiedenen Orten wie zum Beispiel Bahn, Flughafen oder Strand. Arbeite, mit wem du willst, also in perfekt organisierten Teams, die immer gemeinsamen Zugriff auf alle Informationen haben. Arbeite, wann du willst, also genau dann, wenn dein Kopf sagt „Jetzt geht’s los“. Dabei sollte die Zahl der genutzten Anwendungen nicht zu hoch sein, weil sonst die Arbeit komplexer oder zeitaufwändiger wird. Im Gegenteil: Prozesse sollten schneller und effizienter ablaufen.

 

Was empfehlen Sie Unter-
nehmen im ersten Schritt?

Barbato: Fangen Sie heute an, Digitalisierung nach „Innen“ und ganzheitlich zu denken. Damit meine ich: Mit welchem Prozess, der digitalisiert wird, können Sie heute bereits Mehrwerte generieren. Aus unserer Erfahrung ist das zum Beispiel der Eingangsrechnungsprozess. Dieser sollte ganzheitlich gedacht und in kleinen „Häppchen“ realisiert werden. Ganzheitlich heißt, den gesamten Prozess bis zur Rechnung zu betrachten. Wie erfolgt die Bestellung und wie werden Verträge verwaltet? Teilen Sie den gesamten Prozess nach Ihren Prioritäten in kleine Teilprojekte auf und fangen Sie an.

Das gleiche gilt natürlich im Bereich der eGoverment-Digitalisierung. Hier ist die Einführung ein „Muss“. Fangen Sie mit der Einführung der digitalen Akte an. Das bedeutet für viele Behörden schon ein Umdenken, bringt aber viele Mehrwerte mit sich.

 

Welche Anforderungen muss ein digitaler Arbeitsplatz erfüllen?

Barbato: Mit einer EIM-Plattform wird ein digitaler Arbeitsplatz erschaffen, welcher alle Dokumente und Informa­tionen strukturiert verwaltet. Auf diese kann von jedem Ort und Endgerät aus zugegriffen werden – natürlich unter Berücksichtigung bestimmter Berechtigungsstrukturen. Die gemeinsame Bearbeitung eines Dokumentes ist möglich und der Bearbeitungsstand stets ersichtlich. Gleichzeitig vereinfachen automa­tisierte Workflows wiederkehrende Arbeitsabläufe und Freigabeprozesse. Ein EIM muss außerdem einfach und intuitiv bedienbar sein. Denn die neue Arbeitswelt soll nicht zu einer erhöhten Komplexität führen, sondern Arbeitsabläufe leicht umsetzbar gestalten. Dafür ist eine gute Integrationsfähigkeit in die bestehende IT-Landschaft Voraussetzung. Wenn all diese Aspekte erfüllt sind, kann die einst erzwungene, spontane Digitalisierung für Unternehmen und Organisationen zur echten Erfolgsgeschichte werden.

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