Das Büro als Motor des Erfolges
Das Anbieten von hybriden Arbeitsmodellen ist allgegenwärtig und unaufhaltsam. Doch wie steht es nun um das Büro – dem doch eigentlich zentralen Ort des Arbeitens, des Treffens, der Kreativität und vor allem: der Identität? Eine Bestandsanalyse und Handlungsempfehlungen für die Praxis.
Das Model „Open Space“ (Bürolandschaft) ist keine Erfindung der letzten 10 Jahre. Vor den 1950er Jahren ist das Arbeiten in Europa eher in Zellenbüros der Standard gewesen. Diese Form allerdings erwies sich als nicht förderlich für das Wirtschaftswachstum. Die rasanten Entwicklungen in der Fertigung, zusammen mit einer neuen Anschauung und neuen Visionen, um die Vergangenheit zu verarbeiten, wurde besonders in der Bundesrepublik ein Motor für neues Denken. Diese Offenheit führte zu neuen Bürostrukturen, die sich schnell über ganz Europa und Nordamerika verbreiten sollten.
1958 wurde die Beratungsgruppe Quickborner Team von den Brüdern Wolfgang und Eberhard Schnelle gegründet, die zuvor als Gehilfen im väterlichen Möbelatelier tätig waren. Mit der Gründung als Raumplanungsbüro, direkt vor den Toren Hamburgs, lag es nah, dass sich die beiden relativ schnell für Büroräume interessierten. Der damalige Status quo bestand aus zumeist einfallslosen Schreibtischreihen und einer strengen Bürohierarchie. Hier sahen die Brüder die Chance zur Veränderung. Sie wollten ein System schaffen, bei dem der Mensch im Mittelpunkt steht und zusätzlich mit Organischem und Natürlichem gegen das strenge Raster von Fluren und Schreibtischen rebellieren. Ihr Ansatz hieß „Bürolandschaft“. In den Folgejahren entwickelten sich unterschiedliche Interpretationen wie das Multispace, Kombibüros oder auch Teambüros.
Homeoffice – und nun?
Die Büros. So, wie wir sie noch von vor 2020 her kennen, haben alle eine Gemeinsamkeit: Man ging zumeist jeden Tag ins Büro. Unternehmen, die zusätzlich Wert auf ihre Unternehmenskultur legten, konnten diese praktizieren und etablieren. Doch wie ist das mit den aktuellen hybriden Arbeitsmodellen vereinbar? Befinden wir uns in der nächsten Evolutionsstufe? Was bedeutet das für unser Büro und die damit verbundenen Flächen?
Wir halten kurz zum Thema Homeoffice inne: Ist dies ein Eilheilmittel, bei dem die Romantik eingetreten ist? Laut Bitkom Research 2022 möchten 29% der Befragten ausschließlich und 34% überwiegend im Homeoffice arbeiten. Auf der einen Seite gibt es dann aber Faktoren, die einen ständig aus der Konzentration reißen: Da ist der eigene Hund, der bei jedem Geräusch anschlägt, weil er doch sein Hütegen ausleben muss; oder die KiTa hat wieder geschlossen und die Kinder spielen plötzlich um einen herum; oder der Partner hat das starke Bedürfnis, wieder einmal den Staubsauger nutzen zu wollen. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die leben vollkommen allein. Es gibt so viele Singlehaushalte wie selten und der Austausch mit den anderen kommt viel zu kurz. Entfremden sich auch so die Kolleg:innen voneinander, diejenigen, die sich doch ergänzen sollen und zusammen den Fortschritt des Unternehmens gestalten müssen?
Häufig hört man den Vergleich des eigenen Unternehmens als „Schiff“, das in die eine oder andere Richtung manövriert wird. Ist das Büro dann die Maschine des Schiffs? Wird diese Maschine in den jetzigen Zeiten gar zur Kultstätte eines Unternehmens? Erhalten die Unternehmenswerte nicht einen immer größeren Stellenwert, da sie vielfach nur im Unternehmen selbst gelebt werden können? Das Büro wäre dann ein wichtiger Inkubator der Unternehmensidentität und stärkt damit die eigene Marke. Was muss eine solche Maschine, eine Kultstätte leisten?
Hochwertige Flächen
Diese Kultstätte Büro sollte auf jeden Fall die Annehmlichkeiten aufnehmen, die wir nun auch durch das Homeoffice kennengelernt haben – mehr noch, sie sollte auch die traditionellen Ansätze beinhalten und ganz nebenbei die Identität ausbauen oder formen. Dazu sollten die Arbeitsstrukturen bzw. der Workflow betrachtet werden und Bereiche bzw. Abteilungen evtl. neu positioniert werden. Zusätzlich sollten wir von der „Nüchternheit“ der vergangenen Jahre wegkommen und ein Design bzw. Mobiliar wählen, das wir gerne nutzen möchten, dass wir evtl. auch Zuhause nutzen würden. In Kollaborationsbereichen darf es dann auch mal ein schickes Sofa sein, in das man sich auch mal fallen lassen darf. Der Trend geht klar zu eher qualitativ hochwertigen Flächen als zu großräumigen unpersönlichen Arealen.
Aber Achtung! Die Planung futuristischer Räumlichkeiten darf die Grundbedürfnisse und damit die Behaglichkeitskriterien nie außer Acht lassen. Wie durch den Leesman-Index bestätigt, spielen Temperatur und Raumakustik ganz entscheidende Rollen. Wie man dem letzten Review No. 32 entnehmen kann, sind ca. 46% der Befragten unzufrieden mit der Temperatur im Büro und ca. 45% sind unzufrieden mit der vorherrschenden Raumakustik. Es sind die beiden Faktoren, mit der größten Unzufriedenheit.
ISO 22955 als Planungshilfe
Da sind sie nun alle wieder. Die Firma gibt die Losung aus, dass sich alle an diesem Tag wieder im Büro einfinden sollen. Das Bedürfnis, miteinander zu sprechen ist groß, weil sich auch viel angestaut hat. Allerdings sehnen sich andere nach Konzentrationsmöglichkeiten. Die akustische Separation ist eine Kernaufgabe, um das Büro für die kommenden Jahre fit zu machen. Dabei ist der Wunsch nach offenen Räumlichkeiten ungebrochen – und das ist gut so. Auf der anderen Seite müssen nun allerdings die Aktivitäten und damit die „Lautheit“ dieser Aktivitäten betrachtet werden. Seit 2021 gibt es die ISO 22955 als Planungshilfe, die zum ersten Mal eine klare Koordinierung zwischen raumakustischen Anforderungen und verschiedenen Nutzungsprofilen von offenen Büroflächen beinhaltet.
Wie funktioniert diese ISO 22955? Es werden verschiedene Aktivitäten für bestimmte Areale definiert und in Raumtypen geclustert. Der Raumtyp 6 steht für kombinierte Aktivitäten in einem großen Raum mit z.B. fokussierten Telefonaten und informellen Besprechungen. Natürlich konkurrieren diese Aktivitäten untereinander. Eine in der ISO vorgegebene Tabelle beschreibt potentielle Zielwerte, die den Abfall des Schallpegels zwischen den verschiedenen Arbeitsplatzbereichen beschreibt. Es entsteht ein sogenanntes Erwartungsniveau, wobei die Reduzierung zwischen den beiden oben benannten Bereichen einen Unterschied von 24 dB (Beispiel) erreichen muss.
Mittels verschiedener Maßnahmen der Grundabsorption im Raum, wird man sich in der Planung auch dem Thema der Direktschallunterbrechung widmen müssen. Allerdings haben Untersuchungen u.a. durch Jack Harvey Clark gezeigt, dass eine gute akustische Konzeption nicht eindimensional betrachtet werden darf, sondern die Wechselwirkung von „Sender“ und „Empfänger“ eingebunden werden muss. Somit steht sich ein gewisses Erwartungsniveau (Ablenkungsempfindlichkeit) auf der einen Seite und eine Geräuschemission (Arbeitsgeräuschpegel), die von der Art der unterschiedlichen Tätigkeit gegeben ist, auf der anderen Seite. Die neue ISO betrachtet in einer Matrix die Tätigkeiten, die sich potentiell störend im gleichen Raum befinden. Hierzu wird eine jeweilige Pegelreduktion empfohlen, bei der der Sprachschallpegel aus den jeweiligen Bereichen so stark im Raum abklingt, dass die Personen bei ihren Tätigkeiten nicht zu sehr abgelenkt bzw. gestört werden.
Computersimulationen und Auralisierungen unterstützen den Prozess
Raumakustische Computersimulationen zusammen mit den dazugehörigen Auralisierungen sind die aktuellen Werkzeuge zur Gestaltung der akustischen Umgebung. Sie helfen Zonierungskonzepte auf Gefahren hin zu prüfen und Lösungswege durch bauliche Maßnahmen bzw. funktionale, integrale und natürlich auch designorientierte Ausstattungskonzepte zu planen. Ein solcher holistischer Ansatz, der von Anfang in die Planung integriert wird, birgt die größtmögliche Sicherheit für die Implementierung neuer Bürostrukturen damit das Schiff auf Kurs bleibt.