Schulsanierung mit effektivem Klimatisierungskonzept

Klima-Campus Lichtenau

Ein wichtiges Thema rund um die Anpassung unserer Gesellschaft an die drängenden Klimaerfordernisse ist auch die Sanierung des großen ­Bestands an Schulgebäuden in Deutschland. Denn viele Gebäude – etwa aus den 1970er Jahren – sind nicht nur in die Jahre gekommen, sondern entsprechen auch nicht den heute geforderten energetischen Aspekten. Und viele Investitionsrückstände in diesem Bereich geben Anlass zur ­Sorge [1]. Doch ein positives Beispiel ist der Klima-Campus Lichtenau im ­südöstlichen Teil von NRW.

Die Verantwortlichen der Stadt Lichtenau im Kreis Paderborn haben mit der Sanierung des 1973 errichteten Realschulgebäudes ein gelungenes Beispiel sowohl für die energetische Anpassung als auch Veränderung des bestehenden Gebäudekonzepts geschaffen, das Modellcharakter hat.

Wie können die ausstehenden Sanierungen unserer Schulen realisiert werden? Welche Herausforderungen stellen sich im Einzelnen? Die Komplexität von Aufgaben und Bedingungen ist enorm – auch weil die zur Sanierung anstehenden Schulgebäude vielerorts weder mit Blick auf energetische Aspekte, noch auf die Ansprüche des heutigen Gebäudemanagements konzipiert wurden. Derzeit hängt ihr konkreter Sanierungsbedarf von vielen individuellen Faktoren ab – etwa vom ursprünglichen Bauzustand und vom Aufwand, der im Laufe der Jahre in Wartung und Instandhaltung investiert wurde. Werden diese Gebäude heute energetisch saniert, ergibt sich aber auch die Gelegenheit, neue Raumstrukturen zu schaffen, die den mittlerweile veränderten pädagogischen Anforderungen gerecht werden. So können u.a. ideale Voraussetzungen für flexiblen Unterricht geschaffen werden, in denen Lehrer ihre Schülerinnen und Schüler in Groß- und Kleingruppen arbeiten lassen, individuell fördern oder auch Raum für selbstorganisiertes Lernen geben.

Schulkonzept-Experten sprechen in diesem Zusammenhang davon, dass der Raum in Schulgebäuden zunehmend die Qualität eines „dritten Pädagogen“[2] bekommen sollte. Basis dafür sind Klassen- und Differenzierungsräume mit flexibler Raumnutzung und Möblierung. Schulen sind mit Zugang zur Natur zu gestalten, indem sie Verbindungen zum Außenbereich vorsehen, außerhalb der Gebäude „grüne Klassenzimmer“ eingerichtet werden und es leicht zugänglichen Anschluss an Schulgärten, an Grün- und Sportflächen gibt. Schulgebäude können darüber hinaus lebendige Zentren ihres Stadtteils werden, indem neben Sportanlagen, Mensa, Aula bestimmte Multifunktionsräume für die Allgemeinheit geöffnet sind.

 

Effektive Klimatisierungskonzepten gefordert

Für optimale Lernumgebungen sind darüber hinaus effektive Klimatisierungskonzepte entscheidend. Im Gegensatz zur Arbeitswelt, in der zunehmend über innovative „New Work“-Ansätze gesprochen wird, ist die große Bedeutung guter Arbeitsbedingungen in Schulen in der Fachöffentlichkeit weniger präsent. Beispielsweise mit Blick auf die Innenluftqualität in Klassenräumen: Die traditionelle manuelle Fensterlüftung reicht nicht aus, um zeitgemäße Luftqualitäts-Standards zu erreichen, denn die Schülerinnen und Schüler müssen sich über längere Zeit in vergleichsweise kleinen Räumen aufhalten. Im Rahmen von Schulsanierungen werden deshalb häufig hybride Lüftungskonzepte gefordert, die zentral gesteuerte Anlagen für kontinuierliche Grundlüftung mit der Möglichkeit zur manuellen Fensteröffnung kombinieren.

 

Schulsanierung in Lichtenau

Als der heutige Klimaschutzmanager Günter Voß seine Position 2016 in Lichtenau antrat, stand mit dem 1973 errichteten Realschulgebäude der größte Gebäudekomplex im Immobilienbestand der Gemeinde zur dringenden Sanierung an. Zuvor hatte Voß von 2005 bis 2010 das Lichtenauer Institut für energetische Gebäudesanierung (IGL) als Geschäftsführer geleitet und bereits entsprechende Projekterfahrungen gesammelt.

Doch bis zum Jahr 2018 fehlten in Lichtenau für Schul-Sanierungsmaßnahmen die nötigen Finanzierungsmöglichkeiten. Eher zufällig stießen Günter Voß und die damals leitende Architektin der Gemeinde Kordula Böhner sowie der Stadtwerke-Geschäftsführer Hermann Dickgerber auf einen Wettbewerb, den das nordrheinwestfälische Wirtschaftsministerium initiiert hatte. Dieser richtete sich an Städte, Gemeinden und Kreise in NRW: Gesucht wurden beispielhafte Ideen für den kommunalen Klimaschutz. Für die Gewinner ausgeschrieben war die Förderung von Projekten, die im Rahmen einer ganzheitlichen Strategie beispielhaft Treibhausgas-mindernde Lösungen realisieren. So schickten die Lichtenauer ihr Konzept eines „Klima-Campus“ mit der sanierten Realschule als zentralem Gebäudekomplex ins Rennen.

Die Jury des „KommunalerKlimaschutz.NRW“-Wettbewerbs war von diesem Konzept überzeugt und wählte es als eines von 25 vorbildlichen kommunalen Klimaschutzprojekten als preiswürdig aus. So wurde die Umsetzung des Lichtenauer Projekts durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen mit 8,3 Millionen Euro gefördert. Zusätzlich erhielt die Stadt mehrere Förderdarlehen der NRW.BANK - insgesamt kamen Fördermittel in Höhe von rund 13,3 Mio. € zusammen. Somit konnte die Realschule und das umliegende Areal saniert werden, und bildet heute den Lichtenauer Klima-Campus, der 250 t CO2 jährlich einsparen hilft [3].  Einige Highlights der erfolgten Maßnahmen werden im Folgenden beschrieben.

 

„Klimaschutz Möglichmachen“

Die Hülle des Schulgebäudes wurde zeitgemäß isoliert, Dächer wurden begrünt, die Gesamtbeleuchtung auf LED-Technik umgestellt, Flächen wurden entsiegelt. Ein Eisspeicher ermöglicht ganzjährig energieeffizientes und klimagerechtes Heizen und Kühlen der Gebäude. Die Versorgung mit durchgängig erneuerbarer Energie erfolgt über den nahegelegenen Windpark, über eine Photovoltaik-Anlage sowie eine Mini-Windturbine für die Küche. Auf dem Campus-Umfeld gibt es ein „grünes Klassenzimmer“ unter freiem Himmel. Ladestationen für Elektrofahrzeuge wurden installiert. Auf den drei schuleigenen E-Mofas können die Schüler der Realschule nun ihren Mofa-Führerschein machen.

Im August 2023 wurde der Klima-Campus Lichtenau im Rahmen einer Feierstunde eröffnet. Zu den an der Veranstaltung teilnehmenden Gratulanten gehörte die stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin und Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie Mona Neubaur. Die Ministerin stellte in ihrem Statement zur Eröffnung heraus: „Der Klima-Campus wird mehr sein als ein Gebäude. Er wird zu einem Ort des Möglichmachens von Klimaschutz (…).“

Vermeidung von bürokratischen Hürden war entscheidend

Wenn die Schulleiterin Andrea Stollberg heute im Gespräch die Phasen der Vorbereitung und die anschließende Durchführung der Sanierung der Schulgebäude Revue passieren lässt, denkt sie zunächst an drei Jahre „Ausweich-Schulbetrieb“ in Containern. Für deren Aufbau konnte die Stadt glücklicherweise Flächen in der Nähe der Schulgebäude zur Verfügung stellen. Eine positive Bilanz zieht die Rektorin insbesondere mit Blick auf die Zusammenarbeit mit den zuständigen Vertretern der Gemeinde, die zusammen mit Vertreterinnen des Realschul-Kollegiums eine gemeinsame Planungsgruppe bildeten. Dabei wurden bürokratische Hürden vermieden, über die häufig bei vergleichbaren Sanierungs-Projekten berichtet wird: Die Gemeinde-Vertreter bildeten eine Steuerungsgruppe, die bis zu einem bestimmten Umfang mit der Kompetenz versehen war, Einzelentscheidung selbstständig zu treffen, ohne jeweils den kompletten Stadtrat befragen zu müssen.

Andrea Stollberg hält es heute für besonders wichtig, dass sich diese gemeinsame Planungsgruppe im Vorfeld zusammen mit einem externen Planungs-Coach die Zeit nahm, Vergleichsobjekte zu besuchen und mit den Verantwortlichen dort zu sprechen. Die dabei gesammelten Informationen und Perspektiven erleichterten es, in der Planung des Gebäudeumbaus in Lichtenau pädagogische Ziele, bautechnische Erwägungen und Vorgaben des kommunalen Gebäudemanagements miteinander zu verbinden.

 

Gebäudeautomation schafft ­„gesundes Lernklima“

Nach Abschluss der Gebäudesanierung hat sich der Schulalltag merklich verändert. Etwa mit Blick auf das „Lernklima“ in den einzelnen Klassenräumen: Zuvor wurde im Schulbetrieb – insbesondere verursacht durch schlecht isolierte Fassaden – während des Sommers geschwitzt und im Winter gefroren. Heute sorgt eine integrierte Gebäudeautomations-Lösung dafür, dass die Klassenräume ganzjährig leistungsfördernd und Gesundheitserhaltend temperiert sind.

Mit der Realisierung der entsprechenden MSR-Lösung beauftragt wurde die Hubert Niewels GmbH mit ihrem Standort in Bad Lippspringe, die bereits seit Jahrzehnten im Bereich Ostwestfalen-Lippe Objekte der öffentlichen Hand mit Gebäudetechnik und -automation ausstattet. Für die Lüftung der Unterrichtsräume installierten die Niewels-Mitarbeiter eine dezentrale Lösung mit Lüftungstechnik des Herstellers Trox. Damit verfügen die einzelnen Klassenräume über separate, per BACnet in die Gesamtsteuerung integrierte Lüftungsgeräte, die „flüsterleise“ arbeiten, Störgeräusche von außen abhalten, zugeführte Frischluft bis auf eine Wunschtemperatur anwärmen und dabei laut Herstellerangabe dank effizienter Wärmerückgewinnung nur halb so viel Strom verbrauchen wie ein handelsüblicher Laptop. Die damit erreichte Luftqualität im Raum wird per individueller Raumautomation (Priva Comforte CX-Controllern) gesteuert. So können auch die Lehrer die Leistung der Lüftungsanlage bei Bedarf auch unmittelbar im Raum über ein kleines, in der Nähe des Lehrerpults angebrachtes Display nachregeln. Dieses „Priva Touchpoint One“ CO2-Bedienelement, wurde speziell für die Überwachung des CO2-Gehalts der Luft konzipiert und arbeitet mit einem NDIR-CO2-Sensor. Das Touch-Display dokumentiert mittels einer Darstellung von drei Emojis („1-Smiling“, „2-Sceptical“, „3-Unwell“), wie es um die Luftgüte steht, ob die Lüftungsanlage hochzuregeln ist oder ggf. die Fenster zu öffnen sind.

Die Temperierung der Klassen erfolgt über Fußboden-Heizungen, die ebenfalls über die Raumsteuerung geregelt werden. Ob ein Raum überhaupt genutzt ist und temperiert werden muss, ermittelt die Gebäudesteuerung über einen zentral platzierten Multisensor, der eine Anwesenheitsdetektion in allen Klassenräumen realisiert. Und für die Steuerung der Beschattung per Jalousien vor den Klassenfenstern werden die Daten einer auf dem Campus-Gelände installierten Wetterstation etwa zu Beleuchtungsstärke und Sonneneinstrahlungs-Winkel genutzt.

Für die Gesamtsteuerung der MSR-Lösung wurde inzwischen die cloud-gestützte Anwendung „Priva Building Operator“ implementiert. Diese ermöglicht eine effiziente Fernwartung und kurze Reaktionszeiten. Im Fall von Störungen wird die Notification Center-Funktion in der Cloud aktiviert: Das zuständige Wartungspersonal wird per Smartphone-App und per E-Mail über die Probleme informiert. Zur nachhaltigen Überwachung und Optimierung der Energieverbräuche wurde das zertifizierte Energiemanagement-System „Xircum“ eingesetzt. Der Gebäudemanager kann hiermit nun kontinuierlich den komplexen Anlagenbetrieb analysieren und auf das Nutzerverhalten oder auf einen variierenden Bedarf anpassen.

 

Klima-angepasste Schule der ­Zukunft

Dass die Realschule auf dem Klima-Campus nicht nur technisch zeigt, wie eine klimaneutrale und Klimafolgen-angepasste Schule der Zukunft aussieht, sieht man auch im inzwischen erweiterten Lehrplan der Schule: So werden u.a. die Möglichkeiten des neuen „grünen Klassenzimmers“ im Außenbereich genutzt. Das Kollegium greift hier das von der Initiative „Schule im Aufbruch“ entwickelte Lernformat „FREI DAY“ zurück. Damit bekommt Projektarbeit rund um das Thema Klimawandel eine bedeutende Rolle im Unterricht der Schule. Die Schüler bestimmen freitags selbständig Themen rund um die 17 Ziele der UNESCO für eine nachhaltige Entwicklung, bei denen sie sich engagieren möchten. Bereits realisiert wurden beispielsweise Konzepte für Müllvermeidung – auch Hochbeete und Insektenhotels wurden gebaut.

Quellen

[1] Pressemitteilung der KfW: https://www.kfw.de/%C3%9Cber-die-KfW/Newsroom/­Aktuelles/Pressemitteilungen-Details_725760.html

[2] Bundeszentrale für politische Bildung https://www.bpb.de/themen/bildung/dossier-bildung/274984/anspruchsvollerschulbau-muss-zeitgemaessen-paedagogischen-kriterien-folgen/

[3] Website des Klima-Campus Lichtenau: https://klimacampus.lichtenau.de/klima-campus/index.ph

x