Digitalisierung und BIM transformieren das Bauwesen, baubezogene Servicebranchen und die Immobilienwirtschaft

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Wie in einer Kettenreaktion hat das Thema Building Information Modeling (BIM) im zurückliegenden Jahr ­
die Medien durchlaufen. Das hat die Bau- und Immobilienbranche wachgerüttelt. Traditionell handwerklich

geprägtes Bauen wird von einem technologischen Wandel erfasst, dessen Intensität und Geschwindigkeit
dieser Branche bisher fremd war – und reaktiviert ganz nebenbei die vergessenen Ursprünge des FM.

In einem Stakkato von Veröffentlichun-
gen und Veranstaltungen erfuhren ­Architekten und Ingenieure, dass ihre Planungswerkzeuge veraltet sind, wenn sie nicht 3D können und wenn sie nicht zusätzlich Bauteil- und Produktdaten (BIM-Attribute) verarbeiten. Das betrifft, grob geschätzt, nahezu die gesamte Anwenderpraxis derzeit installierter CAD-Software in deutschen Planungsbüros. BIM-Experten argumentierten, dass es in Skandinavien und den angelsächsischen Ländern längst etablierte Standards gibt, deren Anwendung nachweislich Planungszeiten verkürzt. Vor allem werden nach Abschluss der Projekte „As built Dokumentationen“ geliefert, die mit Beginn der Betriebsphase alle erforderlichen Bestandsdaten für das Betreiben und Bewirtschaften liefern – bis hin zu der Möglichkeit, BIM-Gebäudemodelle in der Nutzungsphase für Anpassungen und Umbauten einzusetzen. Ein Wunschbild! ­Es wurde schon vor drei Jahrzehnten im FM diskutiert, aber bis heute nicht einmal ansatzweise umgesetzt und geriet in Vergessenheit.

Mitte der 1980er Jahre begann in Deutsch­land die Einführung des FM mit einem unrealistischen Anspruch an die Datenkontinuität zwischen Bauen und Betreiben. 1985 wurden in Deutschland von Dr. Dr. Mack in den USA entwickelte Ansätze vorgestellt, wonach in Planungsbüros eingeführte CAD Software nach Abschluss von Bauprojekten auch in der Nutzungsphase angewendet werden kann. Das eröffnete eine gänzlich neue Perspektive. Es ging um nichts Geringeres als die Bearbeitungskontinuität zwischen  Planern und Betreibern an denselben Objekten – weil erstmalig mit CAD eine durchgängige elektronische Datenbasis verfügbar war. Anfang der 90er Jahre erhielt der Autor hierüber in den Siemens-Standorten in Erlangen und München umfangreiche Einblicke. Da 20 % der gesamten Belegungsfläche an diesen Standorten jährlich durch Neubelegung und Umzüge verändert wurden, boten sich dafür neue CAFM-Werkzeuge als willkommene Hilfe an. Damals hinzugezogene CAFM-Anbieter erklärten, dass exakte Raumpolygone – in der Kontinuität von CAD-Planung zu CAFM in der Betriebsphase – ein großes Ratio-Potenzial mit sich führen. Es ging um die Beseititgung gravierender Nachteile, die zur damaligen Zeit die Regel waren:

nDurch Büromöbellieferanten mussten teilweise Abmessungen des Mobiliars ändern, weil die Raummaße mit den Bestelldaten nicht übereinstimmten.

nDie Abrechnung von Reinigungsleistungen hatte aufgrund übergebener Flächenermittlungen durch Architekten oft Ungenauigkeiten, die kaum zu glauben waren. Damals wurden in der Reinigungsbranche Abrechnungsvorteile zugegeben, aufgrund von falschen Raum- und Verkehrsflächenangaben (plus 10 bis 30 %).

nVermietbare Flächen mussten durch rechtswirksame Klauseln unscharf gehalten werden, weil die Ergebnisse aus Planungen nicht belastbar waren. Nachmessungen ergaben oft erheblich größere Flächenwerte als Vertragsangaben in Mietverträgen.

Solche Schnittstellenmängel zwischen Planung und betrieblicher Nutzung konnten tatsächlich im CAD-Medium beseitigt werden – aber um einen hohen Preis: Die erforderlichen Raumpolygone mussten nach Fertigstellung der Gebäude mit Aufmaßdaten neu generiert werden. Das versprochene Ratio-Potenzial im Planungsprozess war nicht erschließbar, denn das dazu erforderliche As built Niveau war fast nie erreichbar.  Der Grund sind sowohl datentechnische wie ablauforganisatorische Probleme, die erst heute mit BIM behoben werden können.

Ein ähnliches Schnittstellenproblem zeigte sich in der Planung der Gebäudetechnik. So konnten  alphanumerische Daten technischer Anlagen und Komponenten nach Fertigstellung eines Bauvorhabens nicht in der Datenqualität übergeben werden, die für das Einlesen in CAFM-Software bzw. Instandhaltungssoftware erforderlich waren. Auch dieser Sachverhalt hat sich bis heute nicht verändert. In vielen vom Autor betreuten  Qualitätszirkeln war / ist in Betreiberwerkstätten die Rede vom „Tal der Tränen“. Als Konsequenz fehlender oder nicht belastbarer Planungsdatenmussten / müssen langwierig betriebsrelevante Bestandsdaten nachträglich in Aufmaßen und Vor-Ort-Erfassungen dokumentiert werden. Trotz paralleler Verfügbarkeit von CAD und CAFM gibt es keine Bearbeitungskontinuität – Jedes Ende eines Bauprojektes ist somit fast immer eine CAD-gestützte Datenfalle (Grafik 1).

BIM-Methodik und BIM-Technologie stiften dagegen Datenkontinuität zwischen Bauen und Betreiben – d. h. das alte FM-Versprechen wird einlösbar! Zugleich mit Erneuerungsperspektiven im Immobilien Management. Aber erst die konsequente Nutzbarmachung der BIM-Technologie wird das grundlegend ändern. Durch BIM besteht die berechtigte Aussicht, dass Projektdaten in benötigte Bestandsdaten für das Betreiben und Bewirtschaften überführt werden. Zukünftig werden am Ende eines Projektes sowohl Flächendaten, Raumpolygone wie auch alphanumerische Daten technischer Anlagen und Objekte exakt in eine FM-Dokumentation bzw. immobilienwirtschaftliche Dokumentation einmünden (Grafik 2). Bauherren, Betreiber und Vermieter werden dann so bedient, wie das vor fast 30 Jahren noch eine Utopie war – allerdings: auch jetzt ist es wieder ein Versprechen! – diesmal hoffentlich eine realistische Vision. Lesen Sie dazu den Folgebeitrag in der kommenden Ausgabe FACILITY MANAGEMENT  2|2017!

BIM Einführung – Anspruch und Realität heute

2016 durchgeführte Nachforschungen des Autors bei Erfahrungsträgern zu BIM Anwendungen (selten zu finden) und führenden Softwareanbietern der BIM-Technologie waren ernüchternd. Besonders interessierte uns, wie der Datenübergang von der Planung in die Nutzungsphase aussehen kann. Prüfbare Beispiele im deutschsprachigen Raum fanden wir nicht. Damit wird aber kein grundsätzlicher Zweifel angemeldet. Auch der Autor ist überzeugt, dass BIM und die fortschreitende Digitalisierung viele eingespielte Modaltäten in Bauprojekten und in deren Folgeprozessen transformieren wird - auch wenn anfangs noch hohe Einstiegshürden zu überwinden sind.  Experten stimmen darüber überein, dass

n   in den HOAI Phasen 1-4 mit BIM ein deutlich erhöhter Darstellungsaufwand erforderlich ist, mit wirtschaftlichen Nachteilen für Planer, wenn nur diese Phasen beauftragt werden

n   Rechtsunsicherheiten bestehen (Urheberrechte / Eigentumsrechte an Daten und Software / Haftungsfragen)

n   der Aufwand des Know how Aufbaus in planenden Unternehmen, wie auch bei Bauherrn- und Betreiber-Organisationen, nicht unterschätzt werden darf (Zeit / Kosten und Wandel der Unternehmenskultur)

n   die Kommunikation und Kooperation zwischen den projektbezogenen Fachplanern fehleranfällig ist und aufwändiger wird, wenn nur einige, ev. nur einer der Beteiligten BIM anwendet

n   die Qualität der Gebäudedaten durch 3D einen Niveausprung in der Plangenauigkeit verlangt, besonders bei Kollisionsprüfungen von Leitungen und raumbildenden Bauteilen. ­Bisherige 2D Darstellungen bedingen dagegen eine „Restunschärfe“, die bislang durch Bauleitungspraxis  kompensiert  werden muss.

Solche Erschwernisse sollten aber kein Grund sein, gegenüber dem Technologiewechsel eine abwartende Haltung einzunehmen. Denn wir befinden uns in einem Zeitwettbewerb. Sehr bald werden Planungsbüros im Markt danach unterschieden, wer BIM-Kompetenz hat und wer nicht. Davon werden Auftraggeber abhängig machen, mit wem sie zusammenarbeiten. Nach den Erfahrungen unserer Teams (Balck+Partner) folgt daraus aber nicht ein überstürzter Einstieg. Vielmehr entwickeln und nutzen wir Know how in einer Doppelstrategie:

Strategie 1 der BIM-Einführung: BIM-Software an  mittelgroßen, ggf. kleinen  Projekten testen - unter risikoarmen Randbedingungen und mit moderaten Anforderungsniveaus, projektabhängig vereinbart mit  Bauherrn und Projektbeteiligten.
Strategie 2 der BIM-Einführung: Vorläufiger Verzicht auf den Einsatz von BIM-Software. Stattdessen  eine Transformation der herkömmlichenProjektmethodik  in eine konsequente „BIM-Orientierung“. D.h. weitgehende Anlehnung der Modellierungstechniken von BIM-Objekten auf der Basis von etablierten CAD-Tools, die durch alpha-numerische Modellwerkzeuge angereichert werden.

Die Strategie 2 ist nicht abhängig von der Projektgröße. Sie hat den Vorteil, dass sie in der heute gängigen Praxis mit eingespielten Routinen professioneller Planer nur geringe Einstiegshürden hat. Eine notwendige Voraussetzung ist ein mit allen Projektbeteiligten, vor allem aber mit Bauherrn und Betreibern, bei Projektbeginn detailliert vereinbartes Konzept des Lifecycle Management. Sie umfasst die gesamte Prozesskette der HOAI Phasen 1-9, inkl. Inbetriebnahmemanagement, das nachfolgende Monitoring und zusätzlich, falls nicht schon vorhanden, ein Konzept des Facility Managements. Erste Projekteerfahrungen zeigen, dass die dabei entstehende Wissensbasis auch eine solide Grundlage ist, um Projekte nach Strategie 1 aufzusetzen.

All das hat Konsequenzen in den beteiligten Organisationen – in Planungsunternehmen, Bauunternehmen und bei Produktherstellern – vor allem aber bei Bauherrn und Betreibern.

Planerwissen und Betreiberwissen werden in softwaregestützten Prozessketten organisatorisch zusammenrücken. Ein großer Fortschritt sind die VDI Regelwerke für das Technische Facility Management: Inbetriebnahmemanagement (VDI 6039 / 2011) mit darin angelegter Überleitung zum Technischen Monitoring (VDI 6041 / Entwurf 2015). Hier wird deutlich, dass der durch in Digitalisierung entstehende Datenstrom - im Übergang von der Planungs- in die Betriebsphase – auch eine „Datengetriebene Wertschöpfung“ befördern kann (Grafik 2)

Die darin enthaltene Erfassung und systematische Auswertung von Störungs-, Wartungs-, Verbrauchs- und Alterungsdaten – von Anlagen und Bauteilen – muss zur Standardleistung im technischen Service werden - und bei Planern zur Bringschuld, nicht wie bislang eine  Holschuld der Betreiber ! Erst dann finden – innerhalb von Feedbackschleifen „Lernender Netzwerke“ Betriebsdaten auch Eingang in Konstruktionsoptimierungen und Auswahlentscheidungen von dauerhaften und zugleich wirtschaftlichen Bauwerken. Solcher organisatorischer Verbund formiert sich in Anfängen und bereitet den Boden für zeitgemäßes Lifecycle Management.

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