Warum angelsächsische Unternehmen auf Systemdienstleistungen setzen und Deutsche Corporates klassische Modelle bevorzugen

System-Dienstleistungen im deutschen FM-Markt

Systemdienstleistungen gelten als die Paradedisziplin am heimischen Immobilien und FM-Markt, doch bislang ließen sich wenige deutsche Corporates auf dieses Abenteuer ein. Das soll nicht heißen, dass es am deutschen Immobilien- und FM-Markt keine Systemdienstleistungen gibt, doch werden diese vorwiegend von angelsächsischen Unternehmen mit Standorten in Deutschland genutzt. Warum ist das so? Eine kritische Betrachtung des deutschen FM-Marktes, der Corporates und des geringen Vertrauens …

Ausgangssituation

Klingende Namen wie Microsoft, Nokia und Ford nutzen seit Jahren Systemdienstleistungen auch für ihre Standorte in Deutschland. Der Grund ist ihre global ausgerichtete FM-Strategie und das somit verbundene Modell des Total FM oder auch Systemdienstleistung.

Die USA und England gelten allgemein hin als Pioniere des Facility Managements und haben frühzeitig erkannt, dass eine leistungsorientierte Dienstleisterbeziehung weniger effektiv und effizient ist, als eine ergebnisorientierte Partnerschaft, mit Teilung der Risiken und aber auch der sich aus der Partnerschaft ergebenden Vorteile.

Auch in Deutschland sind Systemdienstleistungen in aller Munde. Viele FM-Trendstudien und Umfragen befassen sich mit diesem Thema. Dabei ist zu beobachten, dass sich in den letzten Jahren mehr und mehr Corporates vorstellen können, Systemdienstleistungen zu beauftragen. Die Realität sieht leider anders aus. Systemdienstleistungen werden nur von wenigen deutschen Corporates in Anspruch genommen.

Wichtig dabei ist zwischen Corporates zu differenzieren: Systemdienstleistungen schaffen nicht unbedingt für alle Corporates einen Mehrwert. Mittlere bis große Unternehmen, vorzugsweise mit mehreren Standorten in Deutschland, in Europa oder auch global, sind die Auftraggeber der heimischen Systemdienstleister.

Warum ist die Situation wie sie ist?

Unterschiedlicher Background: USA und England, zwei Pioniere des Facility Managements greifen auf eine jahrzehntelange Erfahrung zurück und haben ihre FM- und Outsourcing-Strategie step-by-step weiterentwickelt, weg von regionalen Einzeldienstleistungen hin zum globalen Total Facility Management.

Doch es gibt auch andere Gründe und Anzeichen, warum solch ein Modell mit angelsächsischen Unternehmen mehr Erfolg zeigt als für deutsche Unternehmen. Herausforderungen für die Einführung und Umsetzung von Systemdienstleistungen bei deutschen Corporates sind häufig hausgemacht. Gründe dafür sind zwei wesentliche Unterschiede zwischen USA/England und Deutschland:

1. Unternehmenskultur, -struktur und -politik vieler deutscher Corporates könnten als Veränderungsverhinderer erachtet werden

2. Unterschiedliches Dienstleistungsverständnis zwischen USA/England und Deutschland.

Die Unternehmenskultur, -struktur und -politik deutscher Unternehmen unterscheiden sich wesentlich von denen angelsächsischer Unternehmen. Dies spiegelt sich auch im Dienstleistungsverständnis wieder. Während angelsächsische Corporates strikt zwischen Management und Dienstleistung unterscheiden, werden in Deutschland und anderen europäischen Ländern Facility Management und Facility Services häufig analog verwendet. Dieser Umstand erschwert eine Etablierung von Systemdienstleistern, mit dem klaren Fokus auf strategische und taktische Agenden. Der zweite Unterschied in der Unternehmenskultur besteht darin, dass die Angst vor dem „Machtverlust“ durch Systemdienstleistungen bei deutschen Corporates größer und weiter verbreitet ist, als bei den angelsächsischen Brüdern.

Strategische Agenden an einen Dienstleister abzugeben und Risiken partnerschaftlich zu teilen, diese Vorstellung blockiert viele Corporates und erschwert eine Systemdienstleistungs-Implementierung und damit das Modell des Risk-Sharings.

Darüber hinaus gibt es zwei weitere Faktoren, welche nicht unerheblich bei einer Implementierung von Systemdienstleistungen sind und häufig auf Grund organisatorischer Gründe und möglichen Umstellungen als Hemmschuh für deutsche Systemdienstleister gelten:

1. Systemdienstleistungen bedürfen eines einheitlichen Steuerungsprozesses, welcher häufig nicht vorhanden ist.

2. Durch diesen Steuerungsprozess sind hohe und komplexere Anforderungen an die Kommunikation geknüpft.

Prozessänderungen bei den heimischen Corporates erschweren immens die Implementierung von Systemdienstleistungen. Je mehr strategische Agenden an den Dienstleister übertragen werden, desto höher und komplexer sind die Anforderungen an die Kommunikation und an das Controlling. Diese Umstellung vom einfachen Dienstleistercon­trolling meiden viele Corporates, da durch solche Prozessänderungen häufig Organisationsveränderungen einhergehen.

Wer nutzt Systemdienstleistungen und wer sind die Partner?

Allesamt international agierende und weltweit erfolgreiche Unternehmen mit Hauptsitz in den USA und England nutzen Systemdienstleistungen. Dabei ist die FM-Strategie vorzugsweise global ausgerichtet, sprich die Outsourcing-Partner begleiten und beraten ihre Corporates rund um den Globus. Branchenunabhängig setzen unter anderem folgende Unternehmen seit Jahren auf Total FM, auch in Deutschland:

n Deutsche Bank

n Barclays

n HSBC

n Cisco

n Vodafone

n Nokia

n IBM

n Hewlett Packard

n Honeywell

n Ford

n Phillip Morris

Sieht man sich nun die Partner der Corporates an, so ist klar erkennbar, dass es sich hier nicht um die klassischen FM-Unternehmen handelt, wie man sie allgemein definieren würden, sondern vielmehr strategische Property- und Asset Manager, welche auf einer viel höheren Ebene agieren und somit ihre Kunden strategisch und taktisch zur Seite stehen. Große Immobiliendienstleistungsgesellschaften wie JLL, CBRE und Co nehmen,
neben global agierenden FM-Dienstleistern u.a. ISS, Johnson Controls und Sodexo einen wichtigen Part ein, wenn es darum geht, den Corporates weltweit als strategischer Partner rund um die Immobilie zur Seite zu stehen.

Natürlich hat der heimische Dienstleistermarkt reagiert, was sich an der steigenden Zahl der ipv-zertifizierten Unternehmen zeigt. Sie haben den Trend erkannt und sehen Chancen, gegen die Konkurrenz in Sache strategischer Partner zu bestehen. Die Liste der nach ipv-zertifizierten Unternehmen reicht dabei von kleineren Gebäudedienstleistern, vorrangig in Deutschland agierend, bis hin zu großen, multinationalen Konzernen.

Derzeit als offizielle ipv-Partner sind 14 FM-Dienstleister eingetragen, wobei sechs die Big Player am deutschen FM darstellen. Vergleicht man nun die nach ipv-zertifizierten Unternehmen mit der Lünendonk-Liste „Führende Facility Services unternehmen in Deutschland“, so fällt schnell auf, dass einige der dort gelisteten Big Player offenbar wenig Begeisterung für eine Zertifizierung zeigen.

Betrachtet man die ipv-zertifizierten Unternehmen etwas kritischer, so muss doch hinterfragt werden, ob jeder FM-Dienstleister als strategischer Partner für große Corporates in Frage kommt. Dabei soll keineswegs die ipv-Zertifizierung bzw. deren geschaffene Standards in Frage gestellt werden. Aber es bedarf eines gewissen Realismus, um Klarheit darüber zu erlangen, welche Dienstleister es braucht, um einen Mehrwert für die Corporates zu schaffen und welche Kapazitäten seitens eines FM-Dienstleisters dabei zur Verfügung stehen müssen, um dem Corporate als strategischer Partner zu Verfügung zu stehen.

Was müssen Corporates und Dienstleister tun, um Systemdienstleistungen zu etablieren?

Corporate Real Estate Management gewinnt bei den großen Corporates immer mehr an Bedeutung und die zunehmende Professionalisierung und Prozessoptimie­rung schafft weiter Platz für Systemdienstleistungen und einen strategischen Partner. Dies sollte viele Systemdienstleister aufhorchen lassen, schließlich kann und darf nicht davon ausgegangen werden, dass unser heutiges Bild des FM Dienstleisters nicht für immer Fortbestand haben wird.

Nichtsdestotrotz wird sich auch der FM-Dienstleistermarkt konsolidieren müssen. Die Big Player werden immer mehr zu Total FM-Unternehmen mit einer klaren strategischen Ausrichtung umfunktioniert werden, um den kommenden Anforderungen der Corporates gerecht zu werden. Es ist anzunehmen, dass Systemdienstleistungen in den nächsten Jahren zunehmen werden, auch wenn dies nicht für alle Corporates gilt. Sich schnell verändernde Para­meter und eine flexible Leistungserbringung werden zunehmend gefordert sein.

Und dennoch muss sich der FM-Dienstleistermarkt darüber im Klaren sein, dass nicht jedes FM-Dienstleistungsunternehmen als Systemdienstleister am Markt auftreten kann. Operative Leistungserbringer werden genauso am Markt gebraucht wie strategische Partner. Dies darf kein Widerspruch sein und ist es auch bei unseren angelsächsischen Brüdern nicht.

Fazit

Bei der Diskussion: „Systemdienstleistung: Ja oder nein?“ muss sehr wohl nach Größe der Corporates und Leistungsumfang unterschieden werden. USA und England setzen hierbei ganz klar auf die globale FM Strategie und setzen vorrangig Management-Partner ein, welche FM- Dienstleister für die operative Leistungsausführung beauftragen.

Solche Management-Layer sind das wohl ausgereifteste Modell einer strategischen Partnerschaft. Bevor so ein Modell in Deutschland Anklang findet, müssen Systemdienstleistungen in Form einer Partnerschaft sprich mehr Handlungsfreiraum für den FM-Dienstleister, in­novativer Payment-Modelle und die partnerschaftliche Teilung von Risiken etabliert werden. Dieses Modell wird nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn Bewusstsein darüber geschaffen wird, dass Systemdienstleistungen nicht das Allheilmittel und schon gar nicht auf alle Corporates anwendbar sind. Cor­porates müssen sich öffnen und das Know-how, die Expertise und jahrelange Markterfahrung der FM-Dienstleister anerkennen und ein Vertrauen aufbauen.

Zusammenfassend muss festgehalten werden, dass ein Markt für Systemdienstleistungen und strategische Partner vorhanden ist, aber von Corporates unter deutscher Führung noch zu selten in Betracht gezogen wird. Wir kennen einige Anhaltspunkte, warum es derzeit in Deutschland noch nicht so funktioniert, wie es funktionieren könnte. Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für die Etablierung von Systemdienstleistungen, ist es den Dienstleistern Vertrauen zu schenken und Vertrauen aufzubauen. Des Weiteren muss an die heimischen Beratungshäuser appelliert werden, welche bei den Corporates für Bewusstseinsbildung und Best Practices verantwortlich sein müssen. Sobald Dienstleister beweisen, dass mehr Management in ihnen steckt und die Corporates ihre IFM Prozesse professionalisieren und Vertrauen aufbauen, wird auch der heimische Systemdienstleistungsmarkt dem angelsächsischem Bruder in nichts nach stehen.

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