Riethsporthalle Erfurt: Nachhaltig und Vandalismus hemmend geplant
Die an der Essener Straße im Erfurter Norden gelegene Riethsporthalle ersetzt einen Vorgängerbau aus den 1970er Jahren. Um sowohl die Kosten für den Neubau wie auch für den Unterhalt auf nachhaltige Weise zu reduzieren, wurde es als Pilotprojekt für eine Öffentlich-Private Partnerschaft (ÖPP) konzipiert und an die Bilfinger Facility Services vergeben.
Hauptzweck des ÖPP-Projekts Riethsporthalle Erfurt war die zeitnahe und möglichst wirtschaftliche Verbesserung des Angebots für den Schul- und Breitensport in der Thüringer Landeshauptstadt Erfurt. Dabei ging es neben einer funktionalen, dem Standort angemessenen städtebaulichen und architektonischen Lösung auch um den langfristigen wirtschaftlichen Betrieb der mit zahlreichen Nutzungen belegten Dreifelderhalle. Dafür flossen sowohl in die Bauleistungsbeschreibung als auch in die Leistungsbeschreibung für das Gebäudemanagement die umfangreichen Erfahrungen des Erfurter Sportbetriebs aus dem Betrieb zahlreicher Sportstätten ein. Die erklärte Bereitschaft des Freistaates, für ein ÖPP-Projekt im Sportbereich Fördermittel in Millionenhöhe zur Verfügung zu stellen, die große Unterstützung der ÖPP-Arbeitsgruppe im Thüringer Bauministerium während der Vorbereitung des Verfahrens und die enge Zusammenarbeit zwischen der Landeshauptstadt Erfurt mit ihrem Sportbetrieb und den Landesbehörden sind hervorzuhebende Eigenarten dieses Projekts. Mit engagierter Zusammenarbeit aller Beteiligten konnte die moderne Riethsporthalle zügig realisiert und Ende 2011 erfolgreich eröffnet werden. Hier sollte ein innova-tives Sportstättenkonzept verwirklicht werden, das die unterschiedlichsten Sportarten mit den dazugehörigen Räumlichkeiten und Anlagen unter einem Dach zusammenbringt. Die Ausschreibung enthielt folgende Vorgaben:
n Erfüllung der baulichen und technischen Anforderungen für einen Bundesligaspielbetrieb in zwei Ballsportarten,
n eine wirtschaftliche und flexible Tribünenlösung für 1000 bis 1500 Zuschauer,
n zahlreiche Sportnebenflächen (z.B. Gymnastikraum, Kraftraum, Billardraum, Bundesligakegelbahn, VIP-Raum usw.) sowie
n eine möglichst flexible und multifunktionale Nutzung der einzelnen Bereiche.
Großes Einsparpotenzial
Der Erfurter Stadtrat hatte bereits im Jahr 2003 die Konzeption zur Schaffung „eines breitensportlich orientierten Sportzentrums Nord“ beschlossen. Eine 2008 erstellte Zielplanung durch ein Erfurter Büro ging von geschätzten Baukosten von ca. 12,1 Mio. € aus. Nachdem im April 2008 eine Förderung von ca. 4 Mio. € durch den Freistaat für den Ersatzneubau der Riethsporthalle als Pilotprojekt für eine Öffentlich-Private Partnerschaft (ÖPP) im Sportstättenbau in Aussicht gestellt wurde, konnte mit der konkreten Vorbereitung begonnen werden. Eine im August 2008 vorgelegte vorläufige ÖPP-Wirtschaftlichkeitsuntersuchung kam zu dem Ergebnis, dass der Neubau im Rahmen eines ÖPP-Vorhabens im Vergleich zur konventionellen Beschaffung die wirtschaftlichere Alternative ist. Es wurde ein Einsparungspotenzial von ca. 8 % prognostiziert.
Im Januar 2009 beauftragte der Stadtrat den Erfurter Sportbetrieb, das Vorhaben Ersatzneubau für die alte Riethsporthalle
auf der Basis eines ÖPP-Projektes zu realisieren und ein entsprechendes Ausschreibungsverfahren einzuleiten. Der durch die interessierten Bieter zu erbringende Leistungsumfang umfasste Planung, Bau, Abriss der bestehenden Sporthalle, Finanzierung und einen 25-jährigen Betrieb der zu errichtenden neuen Halle. Für das Vergabeverfahren wurde eine städtische Projektgruppe unter Federführung des Erfurter Sportbetriebes gebildet.
Ab Mai 2009 wurde unter Einbeziehung eines kompetenten Beratungsbüros – VBD Berlin – ein entsprechendes europaweites Vergabeverfahren vorbereitet und von September 2009 bis April 2010 durchgeführt. Im Ergebnis des Verfahrens wurde nach zwei Auswertungsrunden aus den Angeboten von zunächst fünf Bietern das Angebot der Bietergemeinschaft Bilfinger Hochbau GmbH und Bilfinger HSG FM GmbH mit Gesamtbaukosten von ca. 9,9 Mio. € brutto als das wirtschaftlichste ermittelt. Zudem überzeugte es durch ganzheitliche Planung, die alle Beteiligten mit einbindet und die einzelnen Lebenszyklusphasen optimiert. Im Ergebnis werden etwa die Wartungskosten reduziert und der Nutzungskomfort erhöht. Nicht zuletzt schont ein intelligentes Heizungskonzept ökologische und ökonomische Ressourcen.
Dieses Angebot wurde gemäß dem im September 2009 im Freistaat Thüringen für verbindlich erklärten Leitfaden der Finanzministerkonferenz für ÖPP-Wirtschaftlichkeitsvergleiche in einer abschließenden Wirtschaftlichkeitsuntersuchung mit einer herkömmlichen Beschaffung verglichen. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass die im Ausschreibungsverfahren ermittelte ÖPP-Variante um rund 15 % wirtschaftlicher ist als eine konventionelle Beschaffung. Gegenüber der Zielplanung aus 2008 bedeutet dies eine Kosteneinsparung von ca. 2 Mio. €.
Die Ausführung der Bauleistung übernahm die Leipziger Zweigniederlassung von Bilfinger Hochbau in Jena, die Betriebsphase wird von der HSG FM Ost GmbH, Standort Erfurt, geleitet. Neben den regional ansässigen Planungsbüros werden während der Bau- und Betriebsphase Unternehmen mit Sitz in der Stadt Erfurt und ganz Thüringen besonders stark eingebunden. Das Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit stellte Fördermittel in Höhe von 4,1 Mio. € bereit, ohne die das Vorhaben nicht hätte realisiert werden können. Die enge Abstimmung zwischen der Kommune und den beteiligten verschiedenen Landesbehörden, insbesondere mit der ÖPP-Arbeitsgruppe des Thüringer Ministeriums für Bau, Landesentwicklung und Verkehr (TMBLV), war eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg des Verfahrens und besitzt Vorbildcharakter.
Ganzheitliche Planung
An der Entwicklung des nun realisierten Konzeptes war und ist die Betreibergesellschaft Bilfinger Facility Services von Anfang an beteiligt. Darüber hinaus sind bei einem integralen Planungsansatz frühzeitig alle Fachdisziplinen eingebunden. Dies erhöht die Planungssicherheit und damit die Kostensicherheit. Durch die ganzheitliche Betrachtung der Riethsporthalle Erfurt eröffnet sich die Möglichkeit, die Lebenszykluskosten erheblich zu reduzieren. Aus der lebenszyklusorientierten Planung ergeben sich für die Stadt Erfurt über die Vertragslaufzeit von 25 Jahren Gesamtkosten, die mittels Wirtschaftlichkeitsvergleichen an konkret ermittelten Bauteilen zu einer Reduzierung der Betriebskosten und der Lebenszykluskosten sowie einer insgesamt höheren Qualität geführt haben, wie etwa:
n Planung einer aufwändigen Oberlicht-Konstruktion, um den Tageslichtbedarf über natürliches Licht abzudecken und somit den Strombedarf für Beleuchtung zu reduzieren,
n Aufbringen einer hochwertigen Blechdachverkleidung zur Reduzierung der Reinvest- und Wartungskosten,
n höhere Qualität der Außenfassade zur Reduzierung der Reinvest- und Schönheitsreparaturkosten sowie zur Erhöhung der Vandalismusresistenz,
n qualitative Aufwertung der Ausführung und Dämmung der Bodenplatte zur Erhöhung der U-Werte und damit Senkung des Transmissionswärmeverlusts,
n Verwendung von langlebigen Materialien (Qualitäten, Oberflächen, Fabrikate) im Ausbau zur Reduzierung der Reinvest- und Schönheitsreparaturkosten sowie zur Erhöhung der Vandalismusresistenz,
n Nutzen der natürlichen Umgebung zur Kühlung der Halle über Brunnenwasser,
n Einbringen einer Fußbodenheizung in den Bereichen Sporthalle, Umkleiden und Duschen, um den Nutzungskomfort zu erhöhen, die Heizung unbenutzter Räume zu vermeiden sowie zur Erhöhung der Vandalismusresistenz.
Vandalismusresistenz
Insgesamt wurde auf eine möglichst Vandalismus hemmende, klare Bauform geachtet, die in Verbindung mit einem gut beleuchteten und freundlich gestalteten Gebäude Verschmutzungen oder Zerstörungen von vorneherein erschwert bzw. die Hemmschwelle hierfür entsprechend steigert. So wurden raumseitig im Bereich mit Publikumsverkehr (Straßenschuhgang, Tribünen, etc.) die rohen Oberflächen der Halbfertigteile belassen und lediglich, wo erforderlich, eine Lasur aufgebracht. Da Vandalismus vielfach durch den puren Tatendrang junger Menschen entsteht, galt es, überschüssige Kräfte sinnvoll zu kanalisieren. Mit einem großen, jederzeit zugänglichen Außensportfeld wurde die Möglichkeit geschaffen, sich sportlich zu betätigen.
Zudem wurden die von Menschen ohne Hilfsmittel erreichbaren Fassadenbereiche mit einer vorgehängten Fassade aus Aluminium-Wellplatten verkleidet, um dem Wunsch nach einer robusten Oberfläche nachzukommen. Der geforderte Graffitischutz war auf dieser glatten Oberfläche unkompliziert zu realisieren. Zudem können die Tafeln bei eventueller Beschädigung unkompliziert ausgetauscht werden. Die attraktive Farbgebung der Fassadenplatten - ein Hellbronzeton - soll überdies weniger zu einer Verunreinigung verleiten als weiße Wände. Auch die Wellenstruktur erschwert ein Aufbringen.
Nachhaltigkeit
Aufgrund der Nähe eines Gas- und Turbinenkraftwerks und einer Restabfallbeseitigungsanlage mit jeweils großen Abwärmemengen empfahl sich ein Anschluss an das städtische Fernwärmenetz. Für eine angenehme Hallentemperatur wird die größte zur Verfügung stehende Heizfläche, der Sportboden selbst, als Wärmefläche genutzt. Auch die Umkleide- und Sanitärbereiche erhielten eine Fußbodenheizung.
Das Hallenvolumen reicht aus, um im Schulsportbetrieb den hygienisch notwendigen Frischluftbedarf auf natürliche Weise sicherzustellen. Erst wenn im Wettkampfbetrieb bis zu 1500 Zuschauer die Halle füllen, werden zusätzlich raumlufttechnische Geräte stufenweise in Betrieb genommen, um weitere Frischluft heranzuführen. Dabei werden die entsprechenden technischen Anlagen über eine Steuer- und Regeltechnik, die sowohl die Programmierung und Bedienung erleichtert als auch die Optimierung des Energieverbrauches ermöglicht, erfasst und bedient.
Die Halle ist so ausgelegt, dass allein durch die Oberlichtbänder eine Nutzung für den Schulbetrieb weitestgehend möglich ist. Sie sind so bemessen, dass einerseits ausreichend Tageslicht einfließen kann, Blendungen aber ausgeschlossen sind und auf dem Hallenboden auch keine störenden Sonnenflecken auftreten. Die Tribünenplätze werden über zwei in den Längsseiten der Halle befindliche Glasbänder belichtet. Besonders beim Aufsuchen der Sitzplätze läuft der Besucher somit dem Tageslicht entgegen, ein Umstand, der das psychologische Wohlbefinden positiv beeinflusst. Gleichzeitig werden diese Öffnungen zur effektiven Entrauchung im Brandfall herangezogen.
Fazit
ÖPP-Projekte stellen eine ideale und innovative Beschaffungsvariante für die öffentliche Hand dar, die es ermöglicht, im Vergabeprozess die Energieeffizienz als Hauptkriterium zu platzieren. Die aktive Einbeziehung von Lehrern und Schülern ist ein weiterer wichtiger Baustein der Nachhaltigkeit, da die Nutzer maßgeblichen Einfluss auf den Energieverbrauch haben. Eine aktive Einbeziehung führt somit zu Energieeinsparungen und insbesondere auch zu einer ökologischen Sensibilisierung der Schüler.