Genial für Aufbau wie Abbau
In Zeiten von Nachhaltigkeit, Energiewende und Klimazielen entstehen mit Windparks und Photovoltaikanlagen viele neue Bauten, andere hingegen befinden sich vor dem Aus, liegen still und lassen sich nicht einfach abreißen – die Rede ist von kerntechnischen Anlagen. Den komplexen Rückbau kann die digitale Planungsmethode Building Information Modeling, kurz BIM, maßgeblich vereinfachen.
Im Dezember 2019 wurde zuletzt Philippsburg 2 abgeschaltet, bis 2022 sollen laut Atomgesetz die restlichen sechs noch aktiven Atomkraftwerke in Deutschland folgen. So komplex die Funktionsweise und das Betreiben solcher Anlagen schon ist, mit dem Rückbau folgt eine weitere Herausforderung. Denn bereits bei normalen Bauten gelten zahlreiche Gesetze, Verordnungen und Richtlinien. Zusätzlich unterscheiden sich diese von Bundesland zu Bundesland oftmals. Gesellen sich dazu noch Wertstoffe, hochradioaktive Bauteile und gesundheitsgefährdende Abfälle, muss ein genauer Plan aufgestellt werden.
Eine Möglichkeit dafür stellt BIM dar. Damit lässt sich der gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes abbilden. Grundidee ist es, ein digitales Modell des späteren Gebäudes zu erstellen. Bei Bedarf hat dieses eine Informationstiefe bis ins kleinste Detail, umfasst also neben geometrischen Daten auch sämtliche Angaben wie etwa zu Material oder Brandschutz. Letztendlich entsteht so ein digitaler Zwilling des Gebäudes. Simulieren lassen sich auch sämtliche Termin-, Bau- und Montageabläufe. Im Idealfall können alle Akteure in Echtzeit von überall aus auf das Modell zugreifen und ihre Arbeiten eintragen.
Umgekehrt kann ein solcher digitaler Zwilling auch für ein bereits bestehendes Gebäude angelegt werden, wie zum Beispiel im Falle eines Rückbaus eines Kraftwerks. Dafür scannen Ingenieure sämtliche Flächen und Bauteile des Kraftwerks mit Hilfe von Laserscannern, die in Form einer Punktwolke das Bauwerk erfassen. In Räumen, die beispielsweise aufgrund zu hoher Strahlung nicht zugänglich sind, können diesen Schritt auch Roboter übernehmen. Am Ende liegt ein wirklichkeitsgetreues, virtuelles Modell des Kraftwerks vor, das bis auf den Millimeter genau den Ist-Zustand abbildet.
BIM ermöglicht somit eine genau getaktete Rückbauplanung sowie eine detaillierte Ausschreibung, Arbeitsvorbereitung und Baulogistik. Darüber hinaus lässt sich über BIM der Ist-Stand laufend kontrollieren und als lückenlose Nachweisführung gegenüber Gutachten und Behörden verwenden.
Nebst einem reibungslosen Ablauf verbessert BIM auch die Sicherheit für jeden Einzelnen, der später auf der Baustelle arbeitet. Vor Beginn des eigentlichen Rückbaus können alle Beteiligten virtuell durch das Kraftwerk spazieren und Gefahrenstellen identifizieren, wodurch unangenehme Überraschungen in der Realität vermieden werden. Die gesammelten Daten können dem Anlagenverantwortlichen darüber hinaus als Schulungsdaten dienen, gleichzeitig lassen sich auch schon Prozesse zur späteren Entsorgung der Bauteile in der Datenbank hinterlegen.
Insgesamt intensiviert BIM die Zusammenarbeit in einem Projekt und kann zu einer termingerechten, kostengünstigen und transparenten Umsetzung komplexer Bauvorhaben beitragen. Gerade bei sensiblen Themen wie Kernkraftwerken sind dies wichtige Bausteine eines optimalen und sicheren Gelingens. BIM erleichtert also nicht nur den Aufbau, sondern ist genauso nützlich für den Abbau von Gebäuden.