Gefährdungsbeurteilung für Aufzüge
Gut vorbereitet investieren Betreiber verstärkt in ihre Aufzüge: aus eigenem Interesse, aber auch vom Gesetzgeber angestoßen. Damit rüsten sie ihre Gebäude für die Zukunft.
„Wir wollten natürlich, dass unsere Anlagen auf dem Stand der Technik sind, kurz: dass alles sicher ist“, sagt Frank Herrmann, der bei Art-Invest für die Technik im „Arnulfbogen“ verantwortlich ist. „Aber es muss natürlich alles budgetiert werden.“ Weshalb sich Art-Invest mit Modernisierungs-Aufzugvertriebler Christian Schweiger von Kone darauf verständigte, 2015 erste Maßnahmen umzusetzen.
So wurden die Kabinenausstattung und die Steuerungen erneuert, dazu die Anzeige- und Bedienelemente getauscht und diverse Sicherheitseinrichtungen im Schacht nachgerüstet. Weitere Leistungen, die aus geänderten Vorschriften resultieren, werden 2017 umgesetzt. Schweiger wird das Projekt weiter begleiten.
Betriebssicherheitsverordnung
Auf die Aufzugbetreiber kommt derzeit einiges zu. Seit Überarbeitung der Betriebssicherheitsverordnung gelten sie in den meisten Fällen als Arbeitgeber. Als solche tragen sie Verantwortung für alle, für die der Aufzug Arbeitsmittel ist: der Wartungsmonteur, die Reinigungskraft, der eigene Mitarbeiter und andere mehr.
Was aber sicher heißt, ergibt sich aus dem Stand der Technik, der bis 2017 durch zwei parallel gültige Neubaunormen – die DIN EN 81-1/-2 und die DIN EN 81-20/50 – sowie die davon abgeleitete DIN EN 81-70 über die „Erhöhung der Sicherheit bestehender Personen- und Lastenaufzüge“ definiert wird. Ganz schön kompliziert – oder?
Frank Gabriel wiegt den Kopf. „Eigentlich hat sich durch die Novelle der Verordnung gar nicht so wahnsinnig viel verändert“, sagt der Kone-Servicevertriebsleiter für die Region West. „Dass nur Aufzüge betrieben werden dürfen, die regelmäßig gewartet werden und auf dem Stand der Technik sind, gilt seit Einführung der Verordnung im Jahr 2003.“ Nur zeige jetzt die Einstufung der Betreiber als Arbeitgeber eine gewisse Wirkung.
So steigt die Nachfrage nach Gefährdungsbeurteilungen (GBU), das Unternehmen als „Sicherheitsanalyse zum Stand der Technik“ anbietet. Ein Anstoß war die Roadshow im Frühjahr 2016, die zahlreiche Betreiber zum Handeln veranlasste. So wie im Falle der Gemeinnützigen Gesellschaft für ambulante und stationäre Altenhilfe (GFA). Derzeit läuft die Analyse an den zwei Dutzend Anlagen, danach wird budgetiert, bis 2017 sollen alle Mängel behoben sein.
Ein weiterer Anstoß waren (und sind) die Berichte der Prüforganisationen, die auf die Notwendigkeit einer GBU hinweisen. Als diese darauf zeitweilig verzichteten, ging die Nachfrage gleich wieder zurück. „Es liegt offenkundig in der Hand der Prüfer und der Aufzugunternehmen, dass die Anlagen auf den Stand der Technik gebracht werden: allein durch Information und Beratung“, sagt Gabriel. „Das ist zwar nicht die Rechtslage, aber die Praxis.“
Wachsende Aufmerksamkeit
Das dürfte auch an der Komplexität des Themas liegen, die mit der neuen BetrSichV eher noch zugenommen hat. „Betreiber sind voll verantwortlich und sollen über die Gefährdungsbeurteilung Bescheid wissen, aber es wird ihnen schwergemacht, das Thema zu verstehen“, bemerkt Gabriel. Da ist was dran. Schon auf die Frage, ob die GBU Pflicht ist, bekommt man von zwei Leuten drei Antworten. „Tatsächlich sollte die GBU alle zwei Jahre zumindest erwogen werden. Gab es bislang also keine GBU oder liegt die letzte zehn Jahre zurück, so ist sie jetzt in jeden Fall fällig“, sagt Vertriebler Schweiger. „Bei Nutzungsänderungen des Gebäudes oder einzelner Teile – etwa durch Einzug einer Arztpraxis in ein Wohngebäude – ist die GBU ebenfalls erforderlich.
Andererseits gibt es deutliche Anzeichen, dass die Betreiber dem Thema generell mehr Aufmerksamkeit als bislang widmen. Das verrät der Blick in den jährlichen Anlagensicherheitsreport der TÜV-Dachorganisation VdTÜV: Ging die Zahl der geprüften – und damit in Wartung befindlichen – Anlagen bis 2011 zurück, steigt sie seither kontinuierlich an: von knapp 450.000 Anlagen 2011 und 2012 auf immerhin 534.000 im Jahr 2015.
Die jährlichen Zuwächse bei den Aufzügen – zwischen 27.000 und 30.000 von 2012 bis 2015 – lassen sich nicht allein mit den 15.000 bis 20.000 Anlagen erklären, die jährlich neu in Verkehr gebracht werden und sicher komplett in der Wartung verbleiben. Auch die von der novellierten Betriebssicherheitsverordnung geforderte Plakette, die jeden Nutzer in der Kabine erkennen lässt, wann die nächste Prüfung fällig ist, reicht zur Erklärung nicht aus. Es bewegt sich also was. Wenn auch langsam.
Immerhin werden wohl 20 % aller Aufzüge in Deutschland nicht gewartet. Das sind geschätzt mehr als 140.000 Anlagen, die daher auch nicht auf notwendige Sicherheitsmaßnahmen überprüft werden. Doch auch viele der in Wartung befindlichen Anlagen sind Kandidaten für eine grundlegende Sanierung. 16 % aller Aufzüge, die Kone betreut, sind 40 Jahre oder älter – und nicht mehr oder nur durch unverhältnismäßig hohen Aufwand auf den Stand der Technik zu bringen.
Budget mit Weitblick
„Vor diesem Hintergrund wäre zu erwarten, dass Betreiber deutlich mehr Anlagen komplett erneuern“, sagt Kai Filipiak, Montageleiter der Region Nord. Doch die Kunden sind zurückhaltend, wie sich in den Beratungsgesprächen zeigt...
Sie setzen auf den Austausch von Komponenten, so lange es eben geht. „Oftmals fehlen die notwendigen Rücklagen für einen Komplettaustausch oder diese sind bereits in andere Maßnahmen am Gebäude geflossen, zum Beispiel in die energetische Sanierung der Fassaden oder in die Dacherneuerung“, sagt Filipiak. „Da sprengt der Komplettaustausch den Rahmen.“
Entsprechend wichtig ist eine vorausschauende Budgetplanung. Hier sollte gemeinsam mit den Fachleuten abgewogen werden, welcher Weg sinnvoller ist: einzelne Komponenten Schritt für Schritt auszutauschen oder gleich den ganzen Aufzug zu erneuern, was oftmals günstiger kommt. Dabei sollten auch Möglichkeiten geprüft werden, Fördergelder der öffentlichen Hand in Anspruch zu nehmen, die in einem gewissen Rahmen Maßnahmen zur energetischen Sanierung und zur Schaffung von Barrierefreiheit bezuschusst. Letzteres trifft hauptsächlich bei einem Komplettaustausch zu.
In jedem Falle hilft es, wenn die Aufzüge regelmäßig instandgesetzt wurden. So wie bei der Kaiserslauterer Bau AG, dem städtischen Wohnungsunternehmen, deren 28 Aufzüge unterschiedlicher Hersteller derzeit von einem Modernisierungsmeister im Rahmen der Sicherheitsanalyse begutachtet werden. Harry Geib, der die Anlage bei der Bau AG betreut, ist sicher, dass sich die kurzfristig notwendigen Maßnahmen in einem überschaubaren Rahmen halten.
Als ehemals gemeinnütziges Unternehmen investiere die Bau AG seit Jahren erhebliche Summen in ihre Gebäude und auch in den Erhalt der Aufzüge, die zwischen 1973 und 2013 in Verkehr gebracht wurden. „Wir haben immer mehr als Notinstandhaltung gemacht. Die Anlagen sind in Vollwartung, erforderliche Arbeiten werden regelmäßig beauftragt“, sagt er. Dennoch hat er schon 2015 sein Budget erhöht. Vorsorglich.
„Die Erneuerung der Steuerungen wird wohl der größte Posten sein“, sagt Geib, der bei der Gelegenheit auch die Kabinenauskleidungen überholen lassen möchte. Genaueres wird er im Herbst erfahren, wenn die Sicherheitsanalyse fertig ist. „Dann werden wir zusammen mit Servicevertriebsleiter Frank Gabriel und seinen Mitarbeitern einen Instandsetzungs- und Modernisierungsplan erstellen“, sagt er.
Erst kommt die GBU, dann die Modernisierung: So ist eigentlich der Ablauf. Viele Betreiber mögen es aber lieber andersherum. „Da wir wissen, worauf es ankommt, können wir die Anlagen so erneuern, dass die GBU nachher mängelfrei ist“, sagt Gabriel. Rechtlich, aber auch der Sache nach aber sei die Reihenfolge egal. „Entscheidend ist, dass etwas für die Sicherheit der Anlagen getan wird.“