Ergonomie an Industriearbeitsplätzen
Werden Industriearbeitsplätze nach ergonomischen Gesichtspunkten gestaltet und organisiert, können die Mitarbeiter effizienter arbeiten und ihre Leistungsfähigkeit steigern – davon profitiert auch der Arbeitgeber. Dabei können schon kleine Veränderungen die Motivation, das Wohlbefinden und die Produktivität erhöhen.
Gut ausgeleuchtete Arbeitsplätze
In einem ersten Schritt sollten die Lichtverhältnisse optimiert werden, denn Licht steuert den Biorhythmus. Ein gelungener Mix aus direkter und indirekter Beleuchtung sowie aus Arbeitsplatzleuchte und Tageslicht unterstützt den Organismus optimal. Für ausreichendes Tageslicht beträgt das Verhältnis von lichtdurchlässiger Fläche (Fenster, Türen, Oberlichter etc.) zur Raumgrundfläche mindestens 1:10. Für Arbeiten mit besonders hohen Sehanforderungen ist ein Verhältnis von 1:5 anzustreben. Die Ausleuchtung der unmittelbaren Arbeitsplatzumgebung kann über eine Arbeitsplatzbeleuchtung gewährleistet werden. Für den Bereich der konkreten Sehaufgaben sollte eine individuell einstellbare Leuchte mit kleinerem Lichtkegel installiert werden – diese unterstützt das konzentrierte und ermüdungsfreie Arbeiten.
Für Rechtshänder muss das Licht natürlich von links, für Linkshänder von rechts kommen, damit sich keine Schatten bilden. Orientierungshilfe bei der Einrichtung von Lichtquellen geben die Mindestbeleuchtungsstärken nach ASR A3.4 sowie DIN EN 12464-1. Lichtfarben und Farbtemperaturen sind an den Aufgaben, Werkstücken und der Raumart auszurichten.
Anti-Ermüdungsmatten
und Stehhilfen
An Produktionsarbeitsplätzen überwiegen die stehenden Tätigkeiten. Damit auch bei längerem Stehen die Beine gut durchblutet und die Gelenke entlastet sind, sollten vor den Arbeitsplätzen Anti-Ermüdungsmatten ausgelegt werden. Diese fördern die Gewichtsverteilung und die Mikrobewegungen in den Beinen. Zusätzlich binden offene Anti-Ermüdungsmatten Schmutzpartikel und erhöhen dadurch die Rutschsicherheit. Bodenmatten dürfen weder zu hart noch zu weich sein – wird zu stark gedämpft, muss die Muskulatur zu viel arbeiten, um auf dem weichen Boden sicheren Halt zu finden. Der Bodenbelag spielt außerdem eine Rolle, wenn es darum geht, die Geräuschemissionen angenehmer zu gestalten. Verbringen die Mitarbeiter mehr als zwei Minuten stehend in derselben Position, ist zudem die Einführung von Stehhilfen empfehlenswert, um Beine und Füße zu entlasten. Stehhilfen können bis zu 60 % des Körpergewichts auffangen.
Höhenverstellbare Werkbänke
Frühzeitigem Ermüden und Rückenbeschwerden kann außerdem durch höhenverstellbare Werkbänke entgegengewirkt werden. Nicht nur ältere Mitarbeiter profitieren davon. Auch für Auszubildende in der Wachstumsphase ist es wichtig, die Höhe der Arbeitsfläche individuell anpassen zu können, um Haltungsschäden vorzubeugen. Ist die Arbeitsfläche zu hoch, verkrampfen Schultern und Nacken; ist sie zu niedrig, wird eine krumme Arbeitshaltung eingenommen. Die ideale Arbeitshöhe hängt von der Aufgabe, der Körpergröße und den Abmessungen des Arbeitsgegenstands ab, liegt generell unterhalb der Herzhöhe. Je nachdem, ob im Stehen oder Sitzen gearbeitet wird, sind 70 bis 150 cm empfehlenswert. Tätigkeiten mit hohem Krafteinsatz erfordern eine Arbeitshöhe von 15 bis 40 cm unter dem Ellbogen, bei sehr feinmotorischen Arbeiten liegt sie 10 bis 20 cm über dem Ellbogen.
Bearbeitet ein Mitarbeiter an seinem Arbeitsplatz Bauteile verschiedener Größe, ist es ausreichend, wenn er die Höhe der Arbeitsplatte verändern kann. Im Mehrschichtbetrieb sind hingegen komplett höhenverstellbare Arbeitsplätze empfehlenswert – damit kann jeder Mitarbeiter den Arbeitsplatz genau an seine Körpergröße anpassen. Moderne elektronisch verstellbare Werkbänke und Workstations verfügen über eine Memory-Funktion, die eine schnelle und korrekte Einstellung des Arbeitsplatzes ermöglicht.
Optimierte Greifräume
Eine besondere Bedeutung kommt den Greifräumen zu. Damit es nicht zu Fehlbeanspruchungen wie häufiges Bücken, anhaltender statischer Haltearbeit und Arbeit über Herzhöhe kommt, sollten die Arbeitsmittel in einer günstigen Position angebracht werden. Um den Arbeitsplatz an die Armlänge anzupassen und einfaches Greifen ohne Abknicken des Handgelenks zu ermöglichen, haben sich schwenkbare Seitenlochwände an den Werkbänken bewährt. Bei länger anhaltenden Arbeiten im Greifraum können Armauflagen vorzeitiges Ermüden verhindern. Damit das Auge nicht ständig neu fokussieren muss, sind Griffbehälter, Werkzeuge und visuelle Informationen stets in gleicher Entfernung anzuordnen.
Ergonomische Werkzeuge
Natürlich sollten auch Werkzeuge und Schutzbekleidung ergonomisch geformt und angenehm zu gebrauchen beziehungsweise am Körper zu tragen sein. Denn nur wer seine Arbeitsmittel richtig im Griff hat, kann auch ergonomisch und effizient arbeiten. Schraubendreher mit abgerundeten Formen bieten beispielsweise eine bessere Kraftübertragung; Werkzeuge mit Santoprene-Griffen liegen besser in der Hand und verhindern frühzeitiges Ermüden. Eine hohe Griffigkeit ist besonders wichtig, wenn Hände oder Schutzhandschuhe nass oder ölig sind. Besonderes Augenmerk gilt zudem den handgeführten und handgehaltenen Werkzeugen. Sie können Vibrationen auf das Hand-Arm-System übertragen und Durchblutungsstörung der Finger und Hände auslösen. Vibrationsarme Arbeitsmittel und technische Hilfen zur Schwingungsreduktion helfen, die Belastung der Mitarbeiter zu senken und die Produktivität zu fördern. Sehen die Werkzeuge und Arbeitsmittel außerdem ansprechend aus, erhöht sich erfahrungsgemäß die Bereitschaft der Mitarbeiter, ihre Arbeitsplätze und Arbeitsgeräte pfleglich zu behandeln. Ein attraktives Design unterstützt zugleich den Qualitätsanspruch des Arbeitgebers und fördert die Leistungsbereitschaft.
Durchdachte Ordnungskonzepte
Damit die Mitarbeiter die benötigten Werkzeuge schnell zur Hand haben, sollte die Einrichtung des Arbeitsplatzes einem schlüssigen Ordnungsprinzip folgen. Ein ordentlicher, sauberer, organisierter und sicherer Arbeitsplatz lässt sich beispielsweise nach der aus Japan stammenden 5S-Methode einrichten.
5S ermöglicht es den Mitarbeitern, die Arbeitsumgebung auf einen Blick zu verstehen. Dabei werden folgende fünf Ordnungsprinzipien befolgt: Selektion, Standardisierung, Sauberkeit, Selbstdisziplin, Sortieren. Bei 5S richtet sich der Aufbewahrungsort eines Werkzeugs nach der Nutzungshäufigkeit. An der Werkbank selbst werden nur täglich
genutzte Werkzeuge verstaut. In Arbeitsplatznähe sind wöchentlich, in der Abteilung monatlich genutzte Werkzeuge gelagert. Für die übersichtliche Aufbewahrung gibt es anpassbare Ordnungssysteme. Garant-Lochwände erlauben beispielsweise die flexible und einfache Anbringung von Garant Easyfix Haken und Haltern und erleichtern dadurch die Orientierung. Für Werkzeugschubladen gibt es individuell konfigurierte eForm-Schaumstoffeinlagen mit Frästaschen in Form der genutzten Werkzeuge.
Diese bieten einen schnellen Überblick über das vorhandene oder fehlende Werkzeug und erhöhen die Ordnungsdisziplin.
Planung nicht nur am Reißbrett
Die 5S-Methode betrifft nicht nur den einzelnen Arbeitsplatz, sondern bezieht sich auf die gesamte Umgebung. Durch eine sinnvolle Anordnung der Arbeitsplätze und deutlich gekennzeichnete Lauf- und Fahrwege kann eine Werkshalle klar strukturiert werden und ein Plus an Orientierung bieten. Damit bei neu eingerichteten Räumen tatsächlich alles passt, bietet die Hoffmann Group eine virtuelle Begehung der Räumlichkeiten an. Mithilfe einer Virtual-Reality-Brille taucht der Kunde in den für ihn geplanten Raum ein. Per Joystick kann er sich darin bewegen und verschiedene Perspektiven einnehmen. Das erleichtert es, ein Gefühl für den Raum zu entwickeln, die Abläufe zu optimieren und die Feinplanung vorzunehmen.
Fazit
Einen Industriearbeitsplatz ergonomisch einzurichten ist nicht schwer und zahlt sich mittel- bis langfristig auch für den Arbeitgeber aus. Denn wenn die Mitarbeiter weniger schnell ermüden, motivierter und leistungsfähiger sind, steigt auch die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit des Betriebs.