Das „grüne“ Verwaltungsgebäude der Bayer MaterialScience in Diegem

Energieeffizient und ausgezeichnet

Energieoptimierte und zugleich wirtschaftliche Lösungen für gewerbliche und öffentliche Gebäude entwickeln, und Entscheidungsträger in der Bau­branche darüber kompetent zu beraten – so lautet das Ziel des EcoCommercial Building (ECB) Programs von Bayer MaterialScience. Der neue Bayer-Verwaltungssitz im belgischen Diegem ist das erste Verwaltungsgebäude, das nach dem Prinzip des ECB Programs errichtet wurde. Es wurde mit dem Belgischen Preis für Architektur und Energie 2009 ausgezeichnet und von der Europäischen Kommission als „Green Building“ zertifiziert.

Der Energieverbrauch von Gebäuden liegt bei fast 40 % des weltweiten Energieverbrauches und verursacht rund ein Drittel der weltweiten Treib­hausgas-Emissionen. Vor diesem Hintergrund hat die Bayer MaterialScience AG das EcoCommercial Building Program ins Leben gerufen. Das Programm hat zum Ziel, Entscheidungsträgern in der Baubranche energieoptimierte und nachhaltige Gebäudelösungen und maßgeschneiderte Produkte bereitzustellen. Aufgrund der dadurch möglichen Energie- und Kosteneinsparungen sowie der sich immer schneller drehenden Energiepreisspirale wird sich die Investition in die Maßnahmen und Produkte schnell amortisieren, auch dann, wenn diese zunächst eine Mehrinvestition bedeuten sollten.

Aus heutiger Sicht sind zukunftsfähige Gebäude architektonisch anspruchsvolle Bauwerke mit hohem Nutzerkomfort, minimalem Primärenergiebedarf, optimierter Technikausstattung, sinnvoller Integration in größere Energieversorgungssysteme sowie insgesamt wirtschaftlicher Energiebedarfsdeckung.

Das ECB-Fernziel sind Nullemissionshäuser, die über den üblichen energetischen Standard hinausgehen unter Nutzung innovativer Konzepten und Technologien, sofern diese wirtschaftlich und technisch sinnvoll sind.

Entwickelt wurde das Nachhaltigkeits­programm insbesondere für gewerbliche und öffentliche Bauten, doch auch für den professionellen Wohnungsbaubereich, denn es gibt noch ein großes Potential, um energiesparende und klimaschonende Konstruktionen zu realisieren. Es ist als integraler Planungsprozess konzipiert, in dem das Werkstoff-Know-how und die Anwendungs- und Beratungskompetenz des Expertennetzwerkes zum Nutzen von Bauherren, Investoren, Eigentümern und Nutzern ineinander greifen.

 

„Grünes“ Verwaltungsgebäude

Der neue Bayer-Verwaltungssitz im belgischen Diegem ist erste Bürogebäude, das nach diesem Prinzip realisiert ­wurde. Sein Kennzeichen sind zwei lang­gezogene Gebäuderiegel, die über dem Erdgeschoss und dem dritten Geschoss zu schweben scheinen. Die Anordnung des 94 m langen und 13 tiefen Gebäudes greift die vorhandenen Gegebenheiten des rund 1,6 ha großen Grundstücks auf. Der Neubau lehnt sich mit seiner Längsseite im Norden an die in Ost-West-Richtung verlaufende Eisenbahnstrecke Brüssel-Köln an und schafft damit im Süden Raum für Parkplätze und einen weitläufigen, in das architektonische ­Gesamtkonzept integrierten Park. Das Gebäude besitzt eine Nutzfläche von 12.930 m² und beherbergt auf sechs Etagen Büro-, Tagungs- und Serviceräume, ein Archiv, ein Restaurant sowie ein unterirdisches zweigeschossiges Parkhaus für die 250 Mitarbeiter. Erdgeschoss und 3. Geschoss sind etwas zurückgesetzt und verleihen dem Gebäude damit Leichtigkeit und Offenheit. Errichtet wurde der neue Verwaltungssitz in Stahlbeton-Bauweise.

Da der Bauherr im Innern größtmögliche Flexibilität wünschte, verzichteten die Architekten in den Büroetagen auf innenliegende Stützpfeiler. Die Betonfertigteildecken überspannen eine Weite von 13,5 m und liegen lediglich auf den Fassadenpfeilern auf. Für die statisch notwendige Aussteifung sorgen zwei Versorgungskerne, in denen Technik­räume, Treppenhäuser, Aufzüge und ­sanitären Anlagen angeordnet sind. ­Innenausbau und räumliche Gliederung erfolgten mit Leichtbauwänden.

 

Nachhaltiges (Technik-)Konzept

Eine energiesparende und klimaschonende Bauweise erfordert eine früh­zeitige integrale Planung, da sich nur dann Konstruktion, Haustechnik und Energie­konzept optimal miteinander kombinieren und aufeinander abstimmen lassen. Beim Neubau des neuen Bayer-Verwaltungssitzes ist die Betonkernaktivierung wichtiger Bestandteil des nachhaltigen Gesamtkonzepts. Dazu wurden in den Betonfertigteildecken Kunststoffrohre verlegt, durch die kaltes oder warmes Wasser fließt. Diese Technologie nutzt die – ohnehin vorhandenen – Massen des Gebäudes zur Regulierung der Raumtemperaturen. Da eine Betonkernaktivierung – im Vergleich zu konventionellen Heizkörpern – eine wesentliche größere Übertragungsfläche besitzt, kann sie sowohl zur Kühlung als auch zur Beheizung eingesetzt werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass Beheizung und Kühlung durch die Betonflächen über Strahlung erfolgen. Da der Mensch dies angenehmer empfindet als die Klimatisierung über Konvektion, können in den Innenräumen die Lufttemperaturen im Winter etwas niedriger und im Sommer etwas höher sein, ohne das körperliche Wohlbefinden der Mitarbeiter zu beeinträchtigen. Beim Energieverbrauch jedoch macht sich dieser Effekt durch niedrigere Vorlauftemperaturen positiv bemerkbar.

 

Erdwärme und mehr...

Zum Beheizen und Kühlen ist das ­Verwaltungsgebäude mit einer Geothermieanlage in Kombination mit einem Erdwärmespeicher ausgestattet. Dieser Erdwärmespeicher besteht aus etwa 60 Sonden, die senkrecht bis zu einer Tiefe von 100 m in das Erdreich eingebracht wurden. Diese zusätzliche Maßnahme war notwendig, weil der Boden in Diegem für die klassische Wärme-KälteLagerung im Erdreich ungeeignet ist. Während der warmen Jahreszeit wird die Wärme aus dem Gebäude im Erdwärmespeicher gespeichert und im Winter wieder entnommen. Zusätzlich ist das Verwaltungsgebäude mit einer Brennwertheizung ausgestattet.

Grundlegende Voraussetzung für den effizienten Betrieb einer Betonkernak­tivierung sind große Strahlungsflächen. Aus diesem Grund gibt es in dem ­Verwaltungsgebäude keine abgehängten Decken, sondern nur Doppelböden, in denen sämtliche Versorgungsleitungen geführt werden. Hier verlaufen auch die Kanäle für die Zuluft, die jahreszeitabhängig temperiert wird und erst dann in die Innenräume gelangt.

Die Anlagen für die gesamte technische Gebäudeausrüstung sind in einem zurückgesetzten Geschoss auf dem Dach installiert. Hier erfolgt auch die Ansaugung der Frischluft, die über einen Wärmetauscher mit Wärmerückgewinnung vorgewärmt wird.

Eine hocheffiziente Wärmedämmung der Außenflächen bildet die Grundlage für die Effizienz nachhaltigen und klimaschonenden Bauens. Sie schützt die Innenräume im Winter vor Wärmeverlusten und verhindert im Sommer das Eindringen der Wärme. Beim dem Verwaltungsgebäude übernehmen Dämm­platten aus Polyurethan-Hartschaum diese Aufgabe bei den Außenwand- und Dachflächen. Sie ermöglichen schlanke Wandkonstruktionen und schaffen dadurch mehr Raumgewinn für die Nutzung bei gleichbleibender Dämmleistung. Kältebrücken werden durch die komplette Ummantelung des Gebäudes mit PUR Dämmstoffen ganz vermieden. Im Bodenbereich wurde zusätzlich mit Polyurethan-Sprühschaum gedämmt.

 

Gesundes Raumklima

Das Gebäude wurde mit Aluminium-Kassetten verkleidet und auf der Nordseite mit zusätzlichem Schallschutz ausgestattet. Auf der Südseite schließt der Neubau mit einer vorgesetzten Fassade mit horizontal beweglichen Aluminium-Lamellen ab. Ihre Stellung wird abhängig vom Sonnenstand gesteuert und beeinflusst den Einfall von Sonnenlicht und -wärme. Weitere Bestandteile des energetischen und klimaschonenden Konzepts sind die Tageslicht abhängige Beleuchtung der Innenräume und die Nutzung des Regenwassers für die ­Toilettenspülung. Die Bodenbeschichtungen aus Polyurethan in Tiefgarage, Küche und Mitarbeiterrestaurant sind lösemittelfrei, schonen bei der Verlegung Umwelt und Verarbeiter und sorgen für ein gesundes Raumklima.

 

Energetischer Mindeststandard erfüllt

Der energetische Mindeststandard, den ein solches Gebäude in Belgien erfüllen muss, liegt bei ca. 5,8 Mio. MJ und entspricht der Klassifizierung „E 100“. Das neue Verwaltungsgebäude besitzt einen rechnerischen Energiebedarf von ca. 3,5 Mio. MJ und erfüllt den belgischen Standard „E 63“. Damit liegt der Neubau ca. 40 % unter dem Niveau eines vergleichbaren belgischen Bürogebäudes. Der Energiebedarf des Neubaus wird über ein kontinuierliches Monitoring überwacht. Erste aussagekräftige Daten sollen gegen Ende dieses Jahres vorliegen. Dabei wird ein Wert von nur E 50 erwartet (nach belgischem Standard). Der Wärmedurchgangswert von 0,58 W/m²K entspricht der nationalen Klassifizierung „K 30“ (Mindeststandard in Belgien = „K 45“).

Durch den Einsatz verschiedener Polyurethan-Wärmedämmsysteme weist das Gebäude im Vergleich zu ähnlichen Bürobauten eine Verringerung des CO2-Ausstoßes um etwa 300 t pro Jahr auf. Diese Menge entspricht den Emissionen von rund 50 Einfamilienhäusern in Niedrigenergiehaus-Bauweise. Durch die Verwendung des Regenwassers für die Toilettenspülung werden zudem rund 90.000 l Trinkwasser jährlich ­eingespart.

Der Gebäudekomplex wurde im März 2009 bezogen und im Oktober 2009 mit dem Belgischen Preis für Architektur und Energie 2009 ausgezeichnet. Außerdem wurde es von der Europäischen Kommission als „Green Building“ zertifiziert.

Projekt-Daten

 Bauherr: Bayer SA-NV

 Projektmanagement: Bayer Technology Services

 Architekt: Schellen Architekten, Bonheiden (B)

 Ingenieure: Stabo, Leuven (B); Ingenium, Brugge (B); Daidalos Peutz, Leuven

 Landschaftsarchitekt: Ontwerpbureau Pauwels, Leuven (B)

 Bauzeit: November 2007 bis März 2009

 Umbauter Raum: 61.678 m³

 Nutzfläche: 12.930 m²

 Investitionskosten: 18,5 Mio. € (inkl. Abriss des Bestandsgebäudes)

 Kosten für energiesparende Techniken: 0,8 Mio. €, dies entspricht ca. 4 %
der Investitionskosten

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