Digitalisierung in der Gebäudewirtschaft
Digitalisierung ist keine Zauberformel, sondern ein steiniger Weg. In der Bau- und Immobilienwirtschaft gilt das in besonderem Maße, weil hier immer schon Industrialisierungsprozesse
gegenüber anderen Branchen hinterherhinken. Dieser „langsame Fortschritt“ steht aber derzeit auf dem Prüfstand. Politisch wird der Einsatz von BIM (Building Information Modeling)
verlangt und in fortschrittlichen Unternehmen wird Industrie 4.0 eingeführt. Beides bedingt den integrativen Umbau von Wertschöpfungsketten durch Informationstechnologie –
mit rasanten und sprunghaften Entwicklungen.
Wie aber ist das jetzt im Planen, Errichten, Betreiben und Bewirtschaften von Bauwerken machbar ? Es ist erstaunlich, aber wirklich plausible Antworten kommen aus Dienstleistungen am Ende der Wertschöpfungskette – aus dem Facility Management (FM).
Strukturbrüche – Grundprobleme der Integration
Facility Management propagiert nichts weniger als die Überwindung historischer Strukturbrüche – zwischen Planung und Ausführung – zwischen Investition und Betrieb – zwischen Bauabteilungen und dem „Betriebsunterhalt“ – zwischen Insourcing und Outsourcing u.v.m.
Der FM-Ansatz umfasst die prozessorientierte Integration von Bauleistungen und Dienstleistungen, quer durch alle am Bau beteiligten Branchen – unterstützt durch CAFM (Grafik 1). Anfang der 1990er Jahre formuliert – wurde daraus eine programmatische Zielsetzung. Sie ist im Kern immer noch gültig – sogar mit erhöhter Aktualität. Aber deren Verwirklichung ist nach wie vor behaftet mit Grundproblemen, die auch nach drei Jahrzehnten FM ein Zusammenrücken der Bau- und Servicewelt erschweren.
IT-Revolution als Chance und Herausforderung
Aber das soll und wird sich ändern – grundlegend. Der bisher langsame Wandel beschleunigt sich. Die Teilhabe an der weltweiten IT-Revolution wird für das Bauen, Betreiben und Bewirtschaften zu einer existenziellen Bedingung. Die Erfolgsaussichten diesmal aber – vor allem mit BIM – vom Anfang der Wertschöpfungskette. Es sind Bauherrn und Investoren, die Architekten und Fachplaner auf den Weg bringen, effizienter und nachhaltiger zu bauen – und am Ende eine As built Datenwelt für das Betreiben und Bewirtschaften erwarten. Und es sind Produkthersteller, die innovative Erzeugnisse mit hoher IT-Kompetenz verbinden.
Aber auch dieser Versuch einer Neuausrichtung der Industrialisierungsstrategie muss die zuvor beschriebenen Strukturbrüche bewältigen. Das ist bislang bestenfalls in Ansätzen erkennbar. BIM im Betreiben wird vielfach versprochen, aber nahezu ohne praktische Nachweise. Erste Industrie 4.0-Systeme in der Technischen Gebäudeausrüstung sind in der Markteinführung. So bietet Sauter komplexe Automationskonzepte, der Anlagenbauer Trox und Ziehl Abegg Lüftungstechnik auf IoT Plattformen mit intelligenten Betriebsmodellen. Alles im Erwartungsmodus. Der IT-Einstieg am Wertschöpfungsende im Betrieb – mit 4.0 Anforderungen an zu beschaffende Produkte – oder mit BIM am Anfang der Kette in der Planung – hat etwas gemeinsam: das neue dynamische Digitalisierungspotenzial.
Macht des Gewohnten: Nicht können – nicht wollen
Anders als in den Hightech-Branchen des Maschinen- und Anlagenbaus fehlen im Bauwesen allerdings ausreichende Voraussetzungen für konsequente Digialisierundprojekte. Typisch sind eigentümliche Verwerfungen und Hindernisse:
Architekten und Fachplaner erkannten und erkennen nicht, warum Kosten und Qualitäten in Lebenszyklusmodellen geplant werden sollten. Inzwischen gibt es das weithin anerkannte Gebot der Nachhaltigkeit, wenn auch in der Umsetzung immer noch verhaftet in Frühphasen der Umsetzung.
Entlang der Wertschöpfungsrichtung verlangt dieser Ansatz die Analyse von Vorprodukten bis in die Errichtung der Bauwerke, darüber hinaus in das Nutzen und Betreiben und schließlich bis zur End of Life Phase. Das ist mit aufwendigen Berechnungen machbar, aber noch weit entfernt von einer etablierten Baupraxis.
Inbetriebnahmen sind der datentechnische Höhepunkt jedes Bauvorhabens. In Extremfällen bei Komplexen Smart Buildings. Aber nicht mit Übergaben an Betreiber und Verwalter auf gleichem Niveau. Planer und Ausführende Firmen hinterlassen Dokumente und Dateien nach eigenen Regeln, nicht aber mit aufbereiteten Bestandsdaten, die sich als Grundlage von Wartungsverträgen und Verträgen für Wiederkehrende Prüfungen, eignen (Grafik 2).
Schwachstelle Dokumentation in der Betreiberverantwortung
Interne Abteilungen der Betreiberorganisation und besonders Servicefirmen
haben dadurch ein Problemniveau mit wachsenden Ausmaßen. Unter hohem Kosten- und Zeitdruck müssen sie Bestandsobjekte nacherfassen – das gelingt praktisch nur selten vollständig – und zugleich rechtswirksam zusagen, dass
alle Leistungen gültigen Regelwerken und Verordnungen entsprechen. Am schlimmsten ist das am Ende der Leistungskette, wenn in Prüfungen von Sachverständigen / Aufsichtsbehörden die je gebotenen Nachweise nicht korrekt oder gar nicht auffindbar sind. Selbstverständlich ist auch hier Digitalisierung angesagt. Aber wie?
Die größte Hürde sind Papierdokumente – in einem Ausmaß, das in Bau- und Betreiberarchiven der Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen abschreckend anschaulich ist. Die in der Regel praktizierte Bewältigung heißt „Einscannen“. Leider ist dann wenig auswertbar und der Weg zu intelligenten Dokumentationen noch nicht in Sicht.
Doch verlieren wir nicht die Zuversicht. Auch wenn es nicht leicht wird, Corona zeigt uns, was in der IT-Welt möglich wird und den Wandel beschleunigt.