„Die Branche ist einfach
nicht sichtbar“
FACILITY MANAGEMENT-Chefredakteur Achim Roggendorf sprach mit Kai Kummert, Professor für Facility Management an der Beuth Hochschule für Technik Berlin, über einen boomenden Wirtschaftszweig, der nach Anerkennung sucht.
Erklären Sie bitte kurz und knapp den Begriff Facility
Management?
Kummert: Das ist für mich die Unterstützung der Kernprozesse. Oder anders ausgedrückt: Das Management infrastruktureller Sekundärprozesse.
Und was ist ein Facility Manager?
Kummert: Das ist ein Möglichmacher. Er verwaltet und bewirtschaftet Gebäude, Anlagen und Einrichtungen.
Anschaulicher hätten Sie es nicht erklären können. Dennoch ist das Tätigkeitsfeld eines Facility Managers vielen Menschen unbekannt und wird oft mit dem des Hausmeisters auf eine Stufe gestellt.
Kummert: Da legen Sie den Finger in die Wunde. Trotz der Initiative „FM – Die Möglichmacher“ hat die Branche immer noch ein Darstellungsproblem. Das Image ist angestaubt. Die FM-Unternehmen kochen schon seit Jahren in ihrem eigenen Saft. Es fehlt einfach der Mut, neue Wege zu gehen und moderne Dienstleistungen anzubieten.
Wie lässt sich das Image aufpolieren?
Kummert: Die Automobilindustrie hat vor zehn, fünfzehn Jahren in einem ähnlichen Dilemma gesteckt. Die Unternehmen haben stark an der Kostenschraube gedreht und drangsalierten damit die Zulieferer. Folge: Innovationen blieben auf der Strecke. Entwicklungs-Dienstleister haben diese Lücke schließlich geschlossen.
Solche Dienstleister, die hinterfragen und mit frischen Ideen daherkommen, brauchen wir auch für das Facility Management.
Warum haben die FM-Unternehmen noch nicht gegengesteuert?
Kummert: Die FM-Unternehmen haben da schlechte Karten. Wenn der Auftraggeber unter Kostendruck steht, drückt er den Preis. Da ist dann kein Platz für Entwicklungs-Dienstleister. Das ist nun mal so. Um diese Grenzen zu durchbrechen, brauchen wir mutige Auftraggeber, die sich Gedanken über eine alternative Bewirtschaftung ihrer Immobilie oder ihres Fuhrparks machen und sich das dann auch etwas kosten lassen.
Wie ist es derzeit um die Branche bestellt?
Kummert: Die Branche ist gut unterwegs. Der heimische Markt stagniert zwar schon seit geraumer Zeit. Dafür boomt das Auslandsgeschäft. Vor allem die großen Unternehmen folgten ihren Kunden zuletzt mit Selbstbewusstsein auf entfernte Märkte. Ein anderer Trend dagegen macht mir Sorgen: das anorganische Wachstum vieler FM-Unternehmen. Oft ist der Kauf von Konkurrenten die einzige Möglichkeit, nennenswertes Wachstum zu erzeugen. Das stimmt mich nachdenklich. Besser wäre es, wenn die Firmen aus eigener Kraft wachsen würden.
Obwohl die Geschäfte gut laufen, hat das Statistische Bundesamt die Branche überhaupt nicht auf dem Schirm und liefert keine Daten und Hintergrundinformationen zu den FM-Unternehmen.
Kummert: Das stimmt. Die Branche ist einfach nicht sichtbar. Und zwar deshalb nicht, weil sie ein Annex an den Kernprozessen ist. Und dieser Annex hat bislang einfach nicht die Bedeutung erlangt wie es beispielsweise in der Logistik der Fall ist. Um Aufmerksamkeit zu erreichen, brauchen wir deshalb Top-Absolventen, Top-Führungskräfte und Top-Facharbeiter.
Ich möchte noch einmal auf das Auslandsgeschäft der FMler zu sprechen kommen. Führt an der Internationalisierung kein Weg vorbei?
Kummert: Ich habe mit Immobilien-Unternehmen wie Henkel und Shell gesprochen, die global aufgestellt sind. Wenn man diese Firmen nach ihrer FM-Strategie fragt, antworten die, dass bis auf ein paar kleinere Steuerungs-Einheiten alles ausgelagert wird. Als Bestands-Dienstleister müssen sie in so einem Fall ihrem Kunden ins Ausland folgen, ob sie wollen oder nicht.
Im Gegenzug drängen ausländische Unternehmen wie der französische Industriedienstleister Spie nach dem Kauf der Hochtief Solutions auf den deutschen Markt.
Kummert: Für Spie ist das ein Test. Das Unternehmen versucht, in andere Märkte zu kommen. Man wird sehen, ob es gelingt. Die Chancen stehen aber nicht schlecht. Hochtief ist eine Management Company, die alles weiter runter vergibt. Das könnte beispielsweise so eine Art Entwicklungs-Dienstleister werden, von dem ich gesprochen habe.
Wird es noch mehr ausländische Unternehmen nach Deutschland ziehen?
Kummert: Der deutsche FM-Markt ist gesättigt. Es herrscht ein knallharter Verdrängungswettbewerb. Hinzu kommt, dass die Eigenkapitalquote vieler deutscher FMler zu gering ist. Das schreckt Käufer ab. Zudem sind die Gewinnaussichten durch den hohen Konkurrenzdruck nicht gerade rosig. Deshalb wird es von ausländischer Seite auch nicht zum großen Fressen auf dem deutschen Markt kommen.
Welche Wachstums-Potenziale können sich FM-Unternehmen in Deutschland noch erschließen?
Kummert: Das Outsourcing im Klinik-Bereich geht sicher weiter. Hier ist noch einiges möglich. Auch im Public Real Estate Management, also dem Immobilienmanagement der öffentlichen Hand, steckt viel Musik drin. Wenn diese Einheiten mit mehreren tausend Mitarbeitern einmal privatisiert werden, hätte das einen großen Markt-Effekt. Auf der anderen Seite haben die Immobilien einen hohen Instandsetzungsstau.
Wir werden also keinen goldenen Zeiten entgegengehen. Das FM-Geschäft bleibt schwierig.
Das werden Ihre Studenten, die später ein eigenes Unternehmen gründen wollen, nicht gerne lesen.
Kummert: Es kommt darauf an, welches Unternehmen sie gründen wollen. Wenn sie sich für eine lösungsgetriebene Beraterfirma entscheiden, haben sie gute Erfolgschancen. Denn wir müssen neue Geschäftsmodelle für das Facility Management finden.
Auftraggeber und FM-Unternehmen sind mittlerweile so kostengetrieben, dass sie sich darüber gar keine Gedanken mehr machen können. Das müssen andere für sie tun. Mit dem Master-Studiengang können wir dafür qualifiziertes Personal zur Verfügung stellen. Junge Hochschulabsolventen, die sich Gedanken darüber machen, wie sich Bewirtschaftung und Unterstützung der Kernprozesse durch neue Geschäftsmodelle revolutionieren lassen.
Kommen wir zu einem Problem, dass der Branche immer mehr zusetzt: dem Fachkräftemangel. Obwohl die Zeichen auf Wachstum stehen, finden die Unternehmen nur noch schwer Nachwuchs.
Kummert: Trotz guter Entwicklungs-Möglichkeiten heuern viele Hochschulabsolventen lieber in anderen Branchen an, beispielsweise der Automobilindustrie. Da liegt in erster Linie an der Bezahlung. In der FM-Branche wird einfach zu schlecht bezahlt. Deshalb zieht es die FM-Absolventen in den kernprozessnahen Bereich, wo sie einfach mehr verdienen können. Für die FM-Branche ist der Aderlass der Top-Leute natürlich eine Katastrophe.
Warum bezahlen die FMUnternehmen ihren Mitarbeitern so schlecht?
Kummert: Sie sind in der Kostenfalle. Da die Auftraggeber die Preise drücken, können die FM-Firmen ihren Mitarbeitern keine höheren Gehälter zahlen.
Gesucht werden aber nicht nur Hochschulabsolventen. Viel größere Not herrscht bei den Facharbeitern, die tatsächlich mal eine Inspektion durchführen, die technisch versiert und handwerklich ausgebildet sind. Die werden verzweifelt gesucht.
Wenn ich an die Stellenausschreibungen auf der FM-Messe 2013 denke, wurde in neun von zehn Fällen ein Facharbeiter gesucht. Daran sieht man deutlich, dass wir eigentlich gar kein Facility Management mehr machen, sondern wir sind nur noch Kostensenker. Dafür werden aber keine Manager gebraucht.
Dann ist die Debatte über den fehlenden Nachwuchs doch scheinheilig.
Kummert: Also, ein bisschen scheinheilig ist das schon. Es ist zwar nicht so, dass wir unsere Hochschulabsolventen nicht los werden. Aber wenn wir ehrlich sind, werden sie nicht nur aus dem Bereich FM absorbiert.
Wie geht es mit der
FM-Branche weiter?
Kummert: Vor allem die klassischen FM-Dienstleister sehen sich schon bald einer neuen Gefahr ausgesetzt: dem Büroroboter. In Zukunft werden einfache Sekundärleistungen zunehmend automatisiert und von Robotern erbracht. Unternehmen wie Vorwerk und Kärcher arbeiten bereits daran. Die FM-Dienstleister müssen aufpassen, dass sie nicht irgendwann von dieser Technik-Innovation überrascht werden. Deshalb ist der Weg, den Spie geht, sich als Management Company zu positionieren, vielleicht gar nicht so falsch.
Haben sich die FM-Dienstleister auf diese Entwicklung eingestellt?
Kummert: Nicht wirklich. Die Roboter sind dafür noch zu unwirtschaftlich. Aber die Löhne für Reinigungskräfte werden in den kommenden Jahren steigen. Und die Auftraggeber können auch rechnen. Der Roboter arbeitet unermüdlich vor sich hin und fährt nach erledigter Arbeit selbstständig zurück zur Ladestation, wo er seinen Bericht ausdruckt – welche Zimmer er gereinigt hat und wie lange. Seine Leistungen sind damit sichtbar.
Wann werden die Büros
flächendeckend von Robotern gereinigt?
Kummert: Das kann schnell gehen. Vielleicht schon in fünf Jahren. Das hängt natürlich in erster Linie von der technischen Entwicklung ab. Auch wenn jetzt noch viele darüber lächeln. Als Pioniere der Fotoindustrie haben Kodak und Agfa die Digitalfotografie anfangs auch nicht ernst genommen. Heute sind beide Unternehmen pleite. Das sollte Warnung genug sein.