Betrieblicher Brandschutz
Die Versicherer zählen nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) jährlich rund 300 Feuerschäden für Industrie/Gewerbe mit mehr
als 500.000 € Schadenaufwand. Mit fachgerechten Brandschutzkonzepte, die im Zeitablauf an bauliche und organisatorische Änderungen angepasst werden, mindern Unternehmen Schadensrisiken in Industrie und Gewerbe und verhindern Nutzungsverbote oder garZwangsschließungen.
Eine neue Gefahreneinschätzung – und schon drohen unverzügliche Nutzungsverbote oder Betriebsschließungen. Auch wenn viele Brandschutzbehörden oft Langmut beweisen, die Androhung von Betriebsschließungen ist Praxis und wird, wenn Fristen für die Nachbesserung überschritten werden, auch angewandt. In Bad Pyrmont konnte 2016 die behördlich ausgesprochene Stilllegung des Betriebs der Reha-Klinik Weserland nur durch kostspielige Sofortmaßnahmen drei Tage vor Inkrafttreten des Ultimatums verhindert werden.
Knackpunkte bei den Brandschauen der Aufsichtsbehörden sind oft bauliche Modifikationen oder Nutzungsänderungen. Auf dem Dach wird eine Photovoltaikanlage oder eine neue Klimaanlage installiert, eine Etage wird zu einem Großraumbüro umgestaltet, in der Produktion wird eine zusätzliche Maschine aufgestellt – doch oft wird bei solchen Modernisierungen, Nutzungsänderungen oder Produktionserweiterungen nicht an ein möglicherweise erhöhtes Brandrisiko gedacht. Dies bestätigt auch das Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung der öffentlichen Versicherer e. V. (IFS): „Bei unseren Untersuchungen von Brandschäden stellen wir wiederholt fest, dass Feuerschäden durch Änderungen in Anlagen oder Prozessabläufen hervorgerufen werden“, berichtet IFS-Geschäftsführer Dr. Hans-Hermann Drews.
So erfordern nicht nur größere bauliche oder organisatorische Eingriffe eine Nachjustierung im Brandschutz. Raimond Werdin, Sachverständiger für Elektro- und Sicherheitstechnik und Vorsitzender des Fachausschusses Brandmeldetechnik im BHE Bundesverband Sicherheitstechnik e. V.: „Oft genügt schon eine Kleinigkeit, wie die Installation eines zusätzlichen Kabels, angeschlossen an eine bestehende, letztlich aber nicht dafür dimensionierte Elektroverteilung, um das Brandrisiko zu erhöhen und somit das Brandschutzkonzept und die bisherigen Genehmigungen der Bauaufsicht in Frage zu stellen.“
Dass gerade die Elektro-Infrastrukturen ein Hauptproblem bei der Entstehung von Bränden darstellen, zeigt auch eine Auswertung von 1500 Brandursachenermittlungen des IFS, wonach gut ein Drittel der Brände durch „Elektrizität“ verursacht wurde. „Da wird der E-Check nicht durchgeführt, da sind die Kabelkanäle verstaubt, die Verteilerkästen überfordert, die Blitzschutz- und Erdungsanlagen mangelhaft und die Elek-troanlagen pflichtwidrig ungewartet“, ergänzt Werdin aus seinen Erfahrungen bei Begehungen. Mit der richtigen Beratung und einem Wartungsvertrag mit einer Fachfirma ließen sich solche Mängel und unnötige Risiken vermeiden.
Versicherungen zahlen nicht
immer und alles
Zerstörungen an Gebäuden, Inventar, Werkzeug und Maschinen, die Vernichtung von Warenbeständen, eventuell auch Schäden an fremdem Eigentum, Kundenverluste durch Lieferunterbrechung oder Imageschäden durch die Ergebnisse der anschließenden Brandermittlungen können die Existenz des Unternehmens bedrohen.
Die Versicherer zählen nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) jährlich rund 300 Feuerschäden für Industrie/Gewerbe mit mehr als 500.000 € Schadenaufwand. Zwar mildern Feuer- oder Betriebsunterbrechungsversicherungen materielle Verluste, doch oft bleiben die Unternehmen auf Kosten sitzen, etwa für Sanierungsarbeiten, das Beseitigen von Brandschutt und gefährlichen Brandfolgestoffen oder für Mieten bei Auslagerung von Arbeitsplätzen. Durch fehlende Brandschutzmaßnahmen entstehen somit trotz Versicherung unkalkulierbare wirtschaftliche Risiken.
Bernd Reichert, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger der HWK zu Leipzig und stellvertretender Vorstandsvorsitzender im BHE nennt den Fall einer Holzhandelsfirma in Sachsen-Anhalt: „Bei einem Brand wurde der
esamte Holzbestand vernichtet. Die
Maschinen konnten nicht wieder instandgesetzt werden. Die Kunden brachen weg, es entstanden horrende Kosten zur Wiedergutmachung von Umweltschäden durch Luft-, Wasser- und Bodeneintrag.“ Auch wenn nach einem Großbrand am Ende nicht zwingend die Insolvenz folgt, sind in jedem Fall erhebliche Anstrengungen im Krisenmanagement erforderlich, die insbesondere bei mittelständischen Unternehmen oft die Organisationsstruktur und Manpower überfordern.
Reichert dazu: „Da bereits kleine Ursachen große Brände auslösen und damit erheblichen Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben können, ist es fahrlässig, wenn Unternehmen sich nur auf ein oft vor Jahrzehnten erstelltes Brandschutzkonzept verlassen. Sie sollten dieses permanent mit Argusaugen betrachten und regelmäßig aktualisieren. Und nur so bleibt auch der Versicherungsschutz – wenn es dann doch zu einem Brand kommt – aktuell.“ Noch bedenklicher sei es natürlich, wenn überhaupt kein Brandschutzkonzept vorhanden ist.
Aktuelles Brandschutzkonzept mindert Rechtsrisiken
Das Brandschutzkonzept spielt auch bei einem möglichen Rechtsstreit über die Höhe des Schadenersatzes eine Rolle, denn seit 2008, der Novellierung des Versicherungsvertragsgesetzes – VVG, liegt die Beweislast beim Versicherungsnehmer. Dieser müsse, so ein Sprecher des GDV, nachweisen, „dass er nicht grobfahrlässig gehandelt hat beziehungsweise seine Grobfahrlässigkeit nicht im kausalen Zusammenhang mit dem Schaden oder der Schadenerweiterung steht.“ Verantwortlich handelt, wer beispielsweise seine elektrischen Anlagen regelmäßig prüft. Eine solche Prüfung wird gemäß den Allgemeinen Bedingungen der Feuerversicherung als eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers angesehen, auch in berufsgenossenschaftlichen Vorschriften, wie der Unfallverhütungsvorschrift DGUV V3, wird darauf verwiesen.
Und es gibt noch weitere Rechtspflichten, die ein möglichst aktuelles Brandschutzkonzept fordern. Dazu Raimond Werdin: „Viele Geschäftsführer und Unternehmer wissen nicht, dass Landesbauordnungen (LBO), die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) bei Änderungen im oder am Gebäude zur Anpassung der Brandschutzkonzepte nach den anerkannten Regeln der Technik verpflichten.“
Zwar werde in Deutschland der Bestandsschutz hochgehalten, doch wenn Menschenleben gefährdet sein könnten – wie beispielsweise in dem Vermietungsobjekt in Wuppertal – dann trete der Bestandsschutz bei den Bewertungen hinter andere Erwägungen zurück.
Ohnehin, so Bernd Reichert, sei der Bestandsschutz keine sichere Grundlage: „Die LBO stellen die Anforderung an den Ist-Zustand dar. Schon ein neues Loch in der Decke, etwa zur Durchführung von Kabeln oder Rohren, kann erforderliche Anpassungsmaßnahmen nach sich ziehen.“ Sein Tipp: Unabhängig von der Betriebsgröße sei, besonders auch bei Produktions- oder Nutzungsänderungen, ein Riskmanagement notwendig, denn Unternehmen und öffentliche Einrichtungen, die sich nicht an die rechtlichen Vorgaben halten, könnten zivil- und strafrechtlich in die Haftung genommen werden.
Reichert rät Unternehmen, sich einen qualifizierten Partner zur Analyse der neuen Ausgangssituation zu suchen, bei der unter anderem die aktuelle Gebäudestruktur in Verbindung mit den variierten Bedingungen erfasst wird. „Diese Analyse sollte im Anschluss mit den staatlichen Stellen, wie Brandschutz- und Landesbauämtern abgestimmt werden.“ Ein Beispiel aus seiner Praxis: „In einer Druckerei in Niederbayern wurden beim Bedrucken von Folien statt wasserlöslichen nun lösungsmittelhaltige Farben eingesetzt. Durch diese Produktionsumstellung ergab sich eine völlig neue Gefährdungssituation, die den Einbau einer Brandmeldeanlage sowie Maßnahmen bei der Be- und Entlüftung und zur Abwehr von Explosionsgefahren nahelegte. Die Baubehörde reagierte mit Auflagen und der Androhung von Zwangsgeld bei nicht fristgerechter Umsetzung.“
Nach seiner Einschätzung entstehen Verstöße gegen Brandschutzauflagen vielfach durch die Unkenntnis der Objektbetreiber, also der Entscheidungs-träger im Unternehmen, aber auch der eingesetzten Architekten oder Technikplaner, die nicht immer fachgerechte Aufklärung der Unternehmen leisten können oder wollen. Unternehmen sollten sich deshalb professionelle Beratung sichern, denn Brandschutz ist hochkomplex, wie sich nicht nur am neuen Berliner Flughafen zeigt.
Sicherheit werde nur ermöglicht, so Reichert und Werdin, wenn nicht erst bei Änderungen, sondern möglichst von vornherein ein Brandschutzkonzept erstellt wird, in dem die vorgesehenen Einzelmaßnahmen zum baulichen, anlagentechnischen, organisatorischen Brandschutz und zum Feuerwehrbereich ineinandergreifen. Besondere Bedeutung komme hier neben der Planung auch dem fachgerechten Einbau professioneller Brandmeldeanlagen in Verbindung mit Rauch- und Wärmeabzugsanlagen sowie einem Flucht- und Rettungswegkonzept zu. Fachbetriebe für Sicherheitstechnik seien hier aufgrund ihrer Qualifikationen geeignete Ansprechpartner, um Lösungen aus einer Hand zu finden und zu realisieren. Die BHE-Mitgliedschaft, das BHE-Zertifikat oder eine VdS-Anerkennung seien hilfreiche Gütekriterien bei der Auswahl einer Fachfirma. Diese bieten eine Beratungsleistung, die nicht nur auf das zwingend Notwendige im Brandschutz ziele, sondern auch sinnvolle freiwillige Maßnahmen berücksichtige. Reichert nennt ein Beispiel: „In einem Kraftwerk war nach den Auflagen nur der Turbinenraum zu überwachen. Der Betreiber hatte aber auf Anraten zusätzlich einen Flammenmelder direkt an der Turbine installieren lassen. Dadurch wurde bei einem Brandfall, als die Deckenmelder noch gar nicht anschlugen, bereits frühzeitig Alarm ausgelöst und kostbare Zeit bei der Brandbekämpfung gewonnen.“