BFW-Umfrage zur Digitalisierung
BIM, E-Mobility oder Augmented Reality: In der Vergangenheit waren es diese oder ähnliche Trendthemen, an denen sich die Diskussion um die Digitalisierung der Immobilienbranche orientiert hat. Wie die mittelständischen Immobilienunternehmen die Digitalisierung flächendeckend umsetzen, ließ sich bislang schwer einschätzen.
Mit einer qualitativen und quantitativen Umfrage hat der BFW Bundesverband gemeinsam mit dem BFW-Digitalisierungsbeirat hierüber nun erstmals eine umfassende Datengrundlage geschaffen. Dabei wird zwischen Bauträgern, Projektentwicklern sowie Verwaltern und Bestandshaltern unterschieden.
Die Analyse, die auf den Umfrageergebnissen beruht, hat der BFW im August 2018 auf einer Web-Pressekonferenz „Das Digitalisierungsparadoxon“ vorgestellt. Der Titel basiert auf der Analyse der Umfrageergebnisse – mit einem ernüchternden Ergebnis für das Gros der Immobilienunternehmen. Die komplette Pressekonferenz mit den ausführlichen Ergebnissen können Sie auf den Seiten des www.bfw-bund.de ansehen.
So offenbaren sich in den Umfrageergebnissen eine Reihe von Widersprüchen, die die Umsetzung der Digitalisierung in den Immobilienunternehmen prägen – die sogenannten „Digitalisierungsparadoxa“. Diese Widersprüche haben alle eines gemein: Sie sind „hausgemacht“. Wenn die Unternehmen diese nicht anpacken und auflösen, drohen sie sich bei der Digitalisierung selbst auszubremsen.
Deutlich wird als erstes: Der Digitalisierungsgrad unter den Immobilienunternehmen variiert stark. Das liegt unter anderem an den heterogenen Strukturen, an der regionalen Verankerung, aber auch an den unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen der Unternehmen.
An der Spitze stehen wenige Frontrunner, die bei der digitalen Transformation schon sehr weit vorangeschritten sind. Die große Mehrheit der Immobilienunternehmen liegt weit dahinter – und der Abstand zur Spitze wird tendenziell immer größer. So haben die meisten Unternehmen bislang haben erst digitale Grundlagen umgesetzt. Dabei fokussiert sich die Mehrheit vor allem darauf, interne Prozesse zu optimieren – etwa durch die Einführung von Dokumentenmanagementsystemen, Prozessautomatisierung und neuer Software. Gerade im Bereich der Verwalter und Bestandshalter sind Effizienzsteigerungen die größte Triebkraft für die Umsetzung von digitalen Lösungen im Unternehmen.
Ein wichtiger und richtiger erster Schritt – dem jetzt aber viele weitere Prozesse folgen müssen! Schließlich haben die Unternehmen hohe Erwartungen an die Digitalisierung, setzen aber oft noch nicht konsequent genug Maßnahmen um, um den eigenen Erwartungen gerecht zu werden. Ein wahres „Digitalisierungsparadox“, das nur die Unternehmen selbst auflösen können.
Bei der digitalen Umsetzung von Kernprozessen im Bestand wird deutlich: Während die Unternehmen in den Bereichen Rechnungswesen/Finanzbuchhaltung, Hausverwaltung und Mietermanagement relativ weit fortgeschritten sind, werden in anderen Teilbereichen viele Prozesse noch nicht digital abgebildet. Dazu gehört etwa das Personalmanagement. Entgegen den hohen Erwartungen, die die Branche an die Digitalisierung hat, ist der Umsetzungsgrad bezüglich komplexerer Systeme noch viel zu gering.
Starke Defizite haben die Immobilienunternehmen vor allem beim Aufbau von internem Know-how. Laut den Befragten sind dabei die größten Hürden hohe Kosten, Zeitmangel und fehlendes qualifiziertes Personal. Trotzdem wollen 77% der Unternehmen derzeit keine zusätzlichen Mitarbeiter einstellen; 54% haben noch keinen Umsetzungsplan für die Digitalisierung. Auch die Budgets sehen nur geringe Investitionen in diesem Bereich vor.
Kurzum: Die Unternehmen sagen Ja zur Digitalisierung, sie soll aber möglichst wenig Zeit, Mühe und Geld kosten. Eine wahrlich paradoxe Situation: Ohne entsprechende Investitionen und qualifiziertes Personal kann schließlich gar kein Know-how aufgebaut werden. Ohne dieses Fachwissen wiederum können die vorhandenen Potentiale gar nicht erst nicht erkannt und angepackt werden.
Zudem erkennt die Mehrheit der Unternehmen derzeit noch nicht das große Potenzial, das die Digitalisierung für das Entwickeln neuer Geschäftsmodelle bietet. So glauben 70 % der Verwalter und Bestandshalter sowie 56 % der Bauträger und Projektentwickler nicht daran, dass sie durch die Digitalisierung neue Geschäftsfelder erschließen können. Die Unternehmen treiben viel mehr die Fragen um, wie der Verlauf von zukünftigen Entwicklungen voranschreitet. Das bedeutet aber auch, dass sich die Unternehmen dadurch in eine abwartende Haltung begeben. Eine kontraproduktive Haltung bei der Digitalisierung – schließlich wird Technologiekenntnis vor allem durch Ausprobieren erlangt.
Insbesondere die großen Chancen der Digitalisierung am Gebäude, die von den Unternehmen noch nicht erkannt werden. Auch das ist paradox: Denn wo bereits Smart Home-Technologien umgesetzt werden, sind die Mehrwerte auch für die Unternehmen klar erkennbar.
Im Bereich der Bestandsgebäude werden immer mehr Systeme mit Zugangskontrollen (36%) und schlüssellosem Zugang (21%) verbaut. Zumindest geben die Unternehmen an, dass diese Systeme am Gebäude mittlerweile Standard sind. Auch im Bereich der Smart Home Anwendungen, Ladesäulen für E-Mobilität und dem Energiemanagement laufen mittlerweile schon Pilotprojekte. Dennoch ist erkennbar, dass die Unternehmen bei allen anderen digitalen Technologien sehr verhalten agieren.
Die Folgen dieser passiven Haltung: Je länger die Unternehmen die notwendigen Investitionen aufschieben, umso größer werden Investitionskosten und -risiken. Schließlich stellt die Digitalisierung die Immobilienwirtschaft vor tiefgreifende strukturelle Änderungen, die sich auf alle Bereiche auswirken werden. Auf diesem Weg gibt es für die Unternehmen keine Abkürzung und auch kein „one size fits all“. Auch wenn die Nachfrage nach Wohnraum derzeit groß ist und andere Probleme dringlicher scheinen: Die Unternehmen können Wettbewerbsnachteile mittelfristig nur vermeiden, wenn sie die Digitalisierung jetzt anpacken.