Die BIM-Methode
Durch den immer weiter fortschreitenden digitalen Wandel stehen der deutschen Baubranche in den kommenden Jahren große Herausforderungen bevor. Als Synonym für den digitalen Wandel steht in der Baubranche der Begriff des Building Information Modeling‘s (BIM). Die Prozessabläufe von der Planung bis zum Betrieb eines Gebäudes wird BIM in allen Gewerken gänzlich verändern.
Die flächendeckende Einführung von BIM erfordert einen hohen Aufwand hinsichtlich Zeit und Kosten, eröffnet jedoch großes Potenzial für eine neue Dimension der integralen Gebäu-deplanung. Im Gegensatz zur 2D-Planung können virtuelle Gebäudemodelle durch die Anbindung von Datenbanken eine hohe Informationstiefe erreichen.
Oftmals wird unter BIM fälschlicherweise nur die Umsetzung von dreidimensionalen Modellen verstanden. Innerhalb des 3D-Modells sind die in BIM enthaltenen Bauteile genau in ihren visuellen, technischen und funktionalen Eigenschaften beschrieben. Jedoch bietet die BIM-Methodik die Integrierbarkeit und Vernetzung von deutlich mehr Dimensionen an, die gerade im Facility Management erhebliche Chancen bieten. Bereits die grundlegende Einführung der Methode bereitet der Baubranche große Schwierigkeiten, weshalb potenzielle Dimensionserweiterungen bislang größtenteils unbekannt sind.
Die BIM-Methodik und seine Historie in Deutschland
Unter der BIM-Methodik ist die Integration und Verknüpfung aller relevanten Bauwerksdaten in einem virtuellen Datenmodell während des gesamten Lebenszyklus‘ zu verstehen. Der Lebenszyklus steht in diesem Kontext beschreibend für einzelne Phasen, beginnend mit der Konzeption, Planung und Realisierung bis zur Nutzung und zum Rückbau eines Bauwerks. Die Vernetzung der einzelnen Phasen und das damit einhergehende Wachstum an Informationen bietet den phasenzugehörigen Akteuren neue Chancen, stellt sie jedoch gleichzeitig vor neue Herausforderungen. Besonders im Bereich des Facility Management‘s (FM) entstehen durch die Verbindung von BIM und dem Internet of Things (IoT) neue Möglichkeiten z. B. hinsichtlich zustandsorientierter Instandhaltung oder dem Energiemanagement.
International findet BIM seit dem Jahre 2000 zunehmend Verbreitung im Bausektor. Zu den Vorzeigeländern zählen Großbritannien, die Niederlande, Finnland, Norwegen und Dänemark, die allesamt über gesetzliche Vorschriften zur erfolgreichen BIM-Anwendung verfügen. In Deutschland werden jedoch erst seit 2010 innerhalb von Forschungs- oder Auslandsprojekten Erfahrungen gesammelt, welche aufgrund der ungeklärten Normungs-, Vergabe- (HOAI) und Rechtslage nicht weit vorangeschritten sind. Die bis dato gewonnenen Erkenntnisse mündeten 2013 schließlich in einem BIM-Leitfaden, welcher unter anderem ausschlaggebend für die verstärkten BIM-Aktivitäten seitens des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) sowie der DIN- und VDI-Gremien war. 2015 wurde schließlich der Stufenplan „Digitales Planen und Bauen“ vom Bundes-ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur vorgestellt, der ab Ende 2020 zunächst für öffentliche Ausschreibungen in ihrem Zuständigkeitsbereich verbindlich ist. In NRW nutzt die aktuelle Landesregierung die Chancen der Digitalisierung und setzte mit dem aktuell gültigen Koalitionsvertrag von CDU und FDP ein Ausrufezeichen für mehr BIM-Anwendung. Dieser Vertrag schreibt ab 2020 die verpflichtende Nutzung von BIM für die Vergaben des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW und von Straßen.NRW vor.
BIM und Dimensionen
Um Informationen, Daten sowie Themen einfacher und übersichtlich zu definieren, ist eine festgelegte Struktur im BIM-Prozess notwendig. In diesem Kontext spricht man von sogenannten Dimensionen, bei denen es sich letztlich um bestimmte Attribute von Objekten eines Gebäudemodells handelt und die das Herzstück der Methodik ausmachen. Aktuell unterscheidet man folgende Dimensionen voneinander:
■ 2D-Zeichnung = 3D – 1
Unter dieser Dimension sind zweidimensionale Pläne wie z. B. Grundrisse, Ansichten, Schnitte oder Schemata zu verstehen, auf die im BIM-Planungsprozess weitestgehend verzichtet werden kann und sollte. Falls in Ausnahmefällen auf 2D-Zeichnungen zurückgegriffen werden muss, sollten diese aus dem 3D-Modell abgeleitet werden.
■ 3D-Gebäudemodell
Bei der geometrischen Beschreibung und Visualisierung von Architektur, Technischer Gebäudeausrüstung (TGA), Tragwerk und Anlagen als Objekte und Bauteile nutzt man drei Dimensionen, wodurch jedes Objekt/Bauteil eine feste Position im 3D-Koordinatensystem erhält. Hieraus lassen sich Kollisionen und räumliche Beziehungen einfach ermitteln, sowie Detailzeichnungen aus dem Gebäudemodell generieren.
■ 4D-Zeitanalyse = 3D + Zeit
Sollen einem Gebäudemodell über der geometrischen Beschreibung hinaus weitere Informationen hinzugefügt werden, reichen drei Dimensionen nicht mehr aus. Innerhalb der vierten Dimension wird das 3D-Gebäudemodell um eine zeitliche Betrachtungskomponente erweitert. Über die gesamte Projektlaufzeit hinweg ist es somit möglich, den Baufortschritt und die zugehörigen Abläufe zu simulieren und visuell darzustellen.
■ 5D-Kostenanalyse = 4D + Kosten
In der fünften Dimension wird das 4D Objekt um kostenrelevante Informationen erweitert, welches den Projektbeteiligten eine Kostensimulation, Mengen-ermittlungen und Bewertungen aller Arbeitsvorgänge ermöglicht. Ebenso kann der Baufortschritt mit zugehöriger Kostenentwicklung visuell dargestellt werden.
■ 6D-Nachhaltigkeitsanalyse = 5D+Nachhaltigkeit und Effizienz
Die sechste Dimension ergänzt das 5D-Objekt um Nachhaltigkeits- und Effizienzinformationen. Hierdurch können sowohl Simulationen zur Energiemengenermittlung als auch Verbrauchsanalysen durchgeführt werden. Darüber hinaus kann das Modell mit Informationen aus Nachhaltigkeitszertifizierungssystemen angereichert werden, die für die Nachweisführung erforderlich sind.
■ 7D-Gebäudebetrieb = 6D+Facility Management
Wird die sechste Dimension um das Thema Facility Management erweitert, erhält man die siebte Dimension des Gebäudebetriebs. In dieser Dimension werden jegliche Informationen verwendet, die für den Betrieb eines Gebäudes notwendig sind. Hierzu zählen beispielsweise das Flächen-, Anlagen- und Instandhaltungsmanagement sowie Wartungs-/Bedienungsanleitungen, Garantiedaten, Herstellerinformationen und -kontakte. Letztlich wird dem Betreiber des Gebäudes dadurch ein sehr detailliertes und BIM-basiertes Facility Management ermöglicht.
■ XD = 7D + X
Die sieben beschriebenen Dimensionen bilden aktuell die gängigsten Dimensionen über den Gebäudelebenszyklus ab. Dies bedeutet allerdings keineswegs, dass die bestehenden Dimensionen nicht um weitere Gesichtspunkte bzw. Themen erweiterbar sind und somit das BIM-Modell um unterschiedliche Informationsaspekte auswertbar macht. Es können also neue Modalitäten hinzugefügt werden, welche auf andere Dimensionen verweisen oder sogar neue bilden. Vorstellbar sind Informationsaspekte zu Themen wie: Cyber Sicherheit, Lean Construction, Vermögensverwaltung, Gesundheit oder der Verknüpfung mit realen Betriebsdaten mittels dem IoT.
Anwendung und Nutzen von BIM im FM
Eine aktuelle Studie des Fraunhofer Ins-tituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) zur Digitalisierung der Bauwirtschaft zeigen auf, dass lediglich 29 % der nationalen Baubeteiligten BIM als 3D-Gebäudemodell nutzen und nur etwa 10 % es in Zukunft anstreben. Die Erweiterung um eine vierte zeitliche Dimension nutzen momentan 6 %, wobei 7 % es für zukünftige Projekte planen. Der überwiegende Teil beharrt mit 87 % auf die zweidimensionale Projektplanung und verkennt dabei die beträchtlichen Potenziale von BIM. Die Studie zeigt, dass der Großteil der Befragten kaum über die dritte Dimension von BIM hinausdenkt. Gerade im Bereich des FM‘s und hier insbesondere des Computer Aided Facility Managements (CAFM) ergeben sich durch BIM immense Potenziale.
Der wohl größte Vorteil der Methode liegt in der Erstellung eines digitalen Zwillings, welcher mit Informationen angereichert werden kann, um integrierten Wissenstransfer über den gesamten Lebenszyklus zu betreiben. Bei der Übergabe eines Gebäudes an das FM entstehen momentan große Informationsbrüche in Folge einer unvollständigen Informationsübergabe. Durch Datenkonvertierung in unterschiedliche Formate gehen Informationen verloren die anschließend wiedergefunden und analysiert werden müssen. BIM und das zu Grunde liegende IFC-Modell können hier Abhilfe schaffen. Durch standardisierte Model View Definitions (MVD) kann festgelegt werden, welche Daten an das FM übergeben werden sollen. MVD`s definieren also welcher Teil, und damit einhergehend welche Daten eines BIM-Modells bei einem Export übergeben werden müssen. Beispiele hierfür sind der internationale COBie-Standard oder die BIM-Profile des CAFM-Rings. Allerdings müssen noch weitere Standards definiert werden, die festlegen welche Informationen ein „As-Built“ BIM-Modell enthalten muss. Mit Hilfe dieser Standards können Anwendungen des Technischen Gebäude- oder des Flächenmanagements einfacher entwickelt werden.
Die Übernahme statischer Daten der Planung in das FM wird durch die siebte Dimension von BIM dargestellt. Der digitale Zwilling eines Gebäudes im Betrieb besteht jedoch nicht nur aus den übernommenen Planungsinformationen, sondern auch aus realen Betriebsdaten. Gerade im Bereich des Technischen Gebäudemanagement entstehen große Potenziale durch eine Verknüpfung der Betriebs- mit den Planungs- und Herstellerdaten. Immer günstigere Cloud-Technologien ermöglichen die Entwicklung neuer Anwendungen in Bereichen wie der zustandsorientierten Instandhaltung oder dem Energiemanagement. Einfache Anwendungen wie beispielsweise der Abgleich von Soll-Werten der Planung mit den Ist-Werten aus dem Betrieb, bis hin zum Einsatz von Machine Learning zur Ausfallvorhersage von TGA-Komponenten, sind realisierbar. Zwar ist die Erstellung solcher Anwendungen heute schon möglich, jedoch übersteigt der Aufwand des Engineerings häufig den potenziellen Ertrag. Innovative Anwendungen, deren Aufwendungen nicht den potentiellen Ertrag übersteigt, können nur auf Basis weiterer Standards erfolgen. Das IFC-Modell und die damit einhergehende buildingSMART Data Dictionary (bsDD) bilden die notwendige Semantik für die Planungsphase ab. Durch Kooperationen beispielsweise von buildingSMART und eCl@ss kann die Datentiefe weiter ausgebaut werden. Standards für die semantische Beschreibung von Betriebsdaten müssen jedoch noch entwickelt werden. Technologien wie das Metamodell-basierte Kommunikationsprotokoll OPC UA bieten die Möglichkeit Informationen auch für den Betrieb zu standardisieren. Die Verknüpfung standardisierter Planungsdaten aus dem IFC-Modell mit ebenfalls standardisierter Betriebsdaten bilden die Basis innovativer Anwendungen für das FM. Durch Standardisierungen können Anwendungen für den Betrieb entworfen werden, welche automatisiert ablaufen und nur geringen Engineering-Aufwand erfordern. Die Verknüpfung dynamischer Daten aus dem Betrieb mit BIM-Daten aus vorherigen Phasen des Lebenszyklus stellt ein Beispiel für eine Dimension dar, welcher über die siebte hinausgeht.
Fazit
Durch die Integration weiterer Themenfelder wie z. B. Zeit, Kosten, Effizienz & Nachhaltigkeit oder Facility Management kann das 3D-Modell stufenweise zu einem 7D- oder XD-Modell heranwachsen. Das BIM-Modell ist dementsprechend nicht beschränkt, sondern kann um die benötigten Dimensionen, also Informationen, erweitert werden.
In der Praxis wird sich bislang jedoch von BIM-Modellen distanziert, mehr als drei Dimension aufweisen. Fehlende Standards sind neben der Verschiebung des Arbeitsaufwandes innerhalb der HOAI-Leistungsphasen nur vereinzelte Gründe, die für die vorherrschende Situation verantwortlich sind. Auch wenn zu Beginn eines Projekts der vermeintliche Mehraufwand abschreckend wirkt, so schafft die BIM-Methodik viele Vorteile, hilft Mehrfacheingaben zu vermeiden, Kosten und Risiken zu senken, den Informationsbruch zu verhindern und letztendlich die Planungsqualität zu steigern. So bietet BIM speziell für das Facility Management (FM) große Potenziale. Die Verknüpfung des Bauwerksmodells mit Betriebsdaten erhöht so die Nachvollziehbarkeit von Wartungs- und Reparaturmaßnahmen und erlaubt das Gebäude in der Nutzungsphase digital zu verwalten und Informationsverlusten entgegenzuwirken.