Archiv Viersen: Von der Projektidee zu nachhaltigem Bauen und Gebäudebetrieb

Zirkuläre Wertschöpfung

Französische Aktenführung im Standesamt, Gerichtsstätten und Galgen, Miss Germany bei der Freibaderöffnung: Das Archiv des Kreises Viersen steckt voller Überraschungen. Solche Fundstücke, wie auch grundlegende Akten und Pläne, werden dort jetzt modern, sicher und dauerhaft aufbewahrt. In einem neuen Gebäude, das Geschichte und Moderne nachhaltig kombiniert und wegen seiner Bauweise nach den Kriterien der Zirkulären Wertschöpfung bundesweite Aufmerksamkeit erlangt hat.

Für seine Ressourcen- und Energieeffizienz wurde der Archiv-Neubau beim Wettbewerb „Klimaaktive Kommune 2022“ des Deutschen Instituts für Urbanistik (difu) durch Bundesminister Dr. Robert Habeck ausgezeichnet. Die Begründung: Mit dem neuen Archiv habe der Kreis Viersen Maßstäbe gesetzt im Bereich klimafreundliches Bauen. Und zusätzlich wurde das Kreisarchiv 2023 von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) mit dem Gütesiegel Gold prämiert.

 

Die Projektidee: Zirkuläre ­Wertschöpfung

Zuvor war das „Gedächtnis des Kreises“ in der ehemaligen kurkölnischen Landesburg in Kempen und weiteren Zweigstellen untergebracht. In der Burg herrschte nicht nur Platzmangel, sondern es gab auch gravierende Mängel beim Brandschutz, denn die Burg war nur sehr schwer zugänglich. Mit einem Neubau wollte der Kreis der Bedeutung des Archivs für die Allgemeinheit gerecht werden. „Das Gebäude, das die Zeugnisse der Vergangenheit sorgfältig aufbewahrt, soll auch sorgsam mit unserer Zukunft umgehen“, sagt Dr. Andreas Coenen, Landrat des Kreises Viersen. Er überzeugte den Kreistag davon, das neue Gebäude nach den Kriterien der Zirkulären Wertschöpfung zu errichten.

Da Dr. Coenen das Thema „Zirkuläre Wertschöpfung“ bereits nach seiner Wahl Ende 2015 zum neuen Maßstab für Bauvorhaben erklärt hatte, wurde diese Prämisse Grundlage des Auslobungstextes des Architekturwettbewerbs für das Kreisarchiv Viersen. Zudem war er davon überzeugt, dass nachhaltige Handlungsweisen langfristig auch die Haushalte entlasten werden. Aus dieser Motivation heraus wurden die Ziele des Vorhabens auf die Zirkuläre Wertschöpfung ausgerichtet.

Der Kreis Viersen setzte sich für dieses Projekt nicht nur das Ziel, ein Gebäude aus recycelbaren oder wiederverwendbaren Baustoffen zu errichten. Das neue Kreisarchiv soll neben der reinen Funktion als archivisches Gedächtnis des Kreises, seiner Städte und Gemeinden, eine Einladung an alle Menschen verkörpern, sich nicht nur mit der lokalen Geschichte zu beschäftigen, sondern sich darüber hinaus mit dem zukunftsorientierten und verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen unseres Planeten zu befassen.

„Ausgangspunkt waren für mich ein Vortrag über das Cradle-to-Cradle-Prinzip und ein Besuch im Stadthaus der niederländischen Grenzstadt Venlo, das nach diesem Prinzip gebaut wurde“, so Landrat Dr. Coenen. Entsprechend wurde die Ausschreibung für den Neubau vorbereitet. Dabei schaltete der Kreis auch das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes NRW ein. „Die Viersener hatten eine Idee. Dafür brauchten sie qualifizierte Unterstützung“, erinnert sich Reinhold Rünker vom Ministerium. Er holte die Stiftung „re!source“ mit ins Boot: „Die Gründungsmitglieder der re!source waren die ersten, die die Notwendigkeit der Ressourcenwende und die Kreislaufwirtschaft am Bau thematisierten“, so Reinhold Rünker. So zog der Kreis Viersen Annette von Hagel, Vorständin der re!source und geschäftsführende Gesellschafterin der Circular Building GmbH, als Bauherrenberaterin hinzu. Mit ihr wurde die Strategie entwickelt und die wesentlichen Themen für ein erfolgreiches Projekt unter dem Aspekt der Kreislauffähigkeit benannt und umgesetzt:

durchgängige Digitalisierung und zentrale Datenhaltung

Building Information Modeling (BIM) und Prozessoptimierungen

Gebäuderessourcenpass bzw. Gebäudematerialpass

Lebenszykluskonzept und Facility Management bei Planungsbeginn, d.h. die Auswirkungen der Planung auf den Gebäudebetrieb und den nachhaltig zirkulären Bauunterhalt

Auswahl und Einbindung leistungsfähiger Projektpartner als Basis für eine erfolgreiches Projekt und einen stimmigen Projektverlauf

Rechtssichere Ausschreibungen

Einführung eines Monitorings der Haustechnik

Entwicklung von Rückbaukonzepten

Prozessbegleitende Einführung des Bewertungssystems Nachhaltiges Bauen

„Die Risiken waren nicht zu unterschätzen“, so Annette von Hagel: „Die EU hätte die, für das Bauvorhaben genehmigten, Fördergelder schlimmstenfalls zurückverlangen können.“

Ohne die frühestmögliche Strategieentwicklung und Begleitung durch Annette von Hagel wäre das Projekt gescheitert, da die Verantwortlichen des Landkreises Viersen auf keinerlei eigene Erfahrung zurückgreifen konnte und vergleichbare Projekte wurden unter ganzheitlichen Aspekten bis dato nicht realisiert.

 

Die Planung des Architekten

Im Wettbewerbsverfahren setzte sich das Büro DGM Architekten aus Krefeld unter 19 eingereichten Arbeiten durch. Der Entwurf überzeugte das Preisgericht mit einem massiven, fensterlosen Magazinkubus, der an einen Berfes, einen für den Niederrhein typischen Wehrturm, erinnert. Für die Feldbrand-Ziegelfassade wurden rund 60.000 alte Ziegelsteine aus einem Abrissgebäude wiederverwertet. Im entstandenen Kubus wird das Archivgut nun auf vier Etagen sicher und geschützt vor Licht und Klimaschwankungen verwahrt. In einem transparenten, hellen Umringsgebäude aus Holzständerwerk finden sich Büros, Lesesaal sowie Vortrags- und Arbeitsräume.

Auch die Nachhaltigkeitsaspekte überzeugen: Das Gebäude hat weder einen Öltank noch einen Gasanschluss. Energetisch versorgt wird es mit einer Kombination aus Kraftdach (eine Zusammensetzung aus Solarabsorber und PV-Anlage), Eisspeicher und Brunnenanlage. Das Regenwasser wird ebenfalls genutzt. Das gesamte Gebäude dient als Baustoffspeicher. „Die Pläne sind nicht nur architektonisch gut gelungen, sie entsprechen auch unserem hohen Nachhaltigkeits-Anspruch der zirkulären Wertschöpfung“, betont Landrat Dr. Coenen. Das Archiv soll weniger Energie verbrauchen als es erzeugt und einen positiven ökologischen Fußabdruck hinterlassen.

 

BIM-gerechte Planung trifft ­Recycling

„Die Aufgabe, ein Archiv zu bauen, ist nicht alltäglich und mit keiner anderen Bauaufgabe vergleichbar“, sagt Architekt Bernd Volkenannt. „Kontinuierliche Temperaturen, konstanter Feuchtigkeitsgehalt sowie schwere Lasten müssen bedacht werden. Zudem“, so Volkenannt, „galt es, gute Arbeitsplätze zu schaffen, die Prozesse zu optimieren und die Wahrnehmung des Archivs in der Öffentlichkeit zu verbessern.“ Verwendet wurde viel Holz, die Innenwände des Archivs wurden als Lehm-Trockenbau errichtet. Für den rauen Gussasphaltboden wurde Re­cyclingmaterial verwendet.

Es galt, eine optimale Umgebung für die Archivalien und die Mitarbeiter zu schaffen, das Gebäude als zirkulär im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu errichten und dafür die BIM-Planungsweise zu nutzen. „Alles Dinge, die insbesondere auf kommunaler Ebene noch am Anfang stehen. Vieles musste hier zum ersten Mal gemacht werden“, so Volkenannt. Auch die Ausschreibung eines so speziellen Gebäudes war eine zusätzliche Herausforderung; die wenigen am Markt verfügbaren nachhaltigen Bauteile und Materialien müssen produktneutral angefragt werden. „Natürlich haben auch die Corona-Pandemie, Lieferschwierigkeiten und Kostensteigerungen den gesamten Prozess beeinflusst“, sagt Volkenannt.

 

Lob von Nutzerseite

„Vieles ist einfacher geworden im neuen Kreisarchiv“, so Archivleiter Dr. Michael Habersack. Ein großes Plus für die Arbeitsabläufe ist der groß dimensionierte Aufzug im Magazin ebenso wie die Laderampe, an der auch bei Regen sicher Anlieferungen mit einem Hubwagen ausgeladen werden können. Viel Lob gibt es auf Nutzerseite: Dazu trägt neben der Gebäudeatmosphäre und der größeren Zahl an elektronischen Arbeitsplätzen auch bei, dass es neben einem Lesesaal auch Arbeits- und Vortragsräume gibt, die von Gruppen, wie dem Viersener Heimatverein, genutzt werden können. Und natürlich die optimierte Unterbringung der Archivalien.

28.000 Archivkartons mussten umziehen, mehrere laufende Kilometer an Archiv- und Bibliotheksgut fanden im neuen Gebäude ebenso einen neuen Platz wie Geräte aus der Restaurierungswerkstatt und für die Digitalisierung. „Diese Dimension erforderte eine europaweite Ausschreibung mit dem entsprechenden Aufwand“, erinnert sich Archivleiter Dr. Habersack an die gewaltigen Herausforderungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Archivs. Doch der Aufwand habe sich gelohnt: „Das Gebäude erhält weiter viel Lob und ist schon mehrfach mit Preisen bedacht worden“, so Dr. Habersack. Und es soll auf Jahrzehnte hinaus auch die künftigen Archivalien beherbergen können: „Die Zuwachsfläche ist auf 30 Jahre hochgerechnet worden.“

 

Maßstäbe für klimafreundliches Bauen

Beim Wettbewerb „Klimaaktive Kommune 2022“ des Deutschen Instituts für Urbanistik (difu) wurde der Kreis Viersen als eine von zehn Kommunen ausgezeichnet. Der Preis wurde in der Kategorie Ressourcen- und Energieeffizienz vergeben. Das zentrale Kreisarchiv kombiniere Historie und Moderne nachhaltig. Der Kreis Viersen habe Maßstäbe gesetzt im Bereich klimafreundliches Bauen. Mit dem Einsatz nachwachsender oder wiederverwerteter Baustoffe würden die baurechtlichen Anforderungen der Energieeffizienz von Neubauten um 45 % unterboten; das Gebäude komme ohne fossile Energieträger aus, heißt es in der Begründung. Der Neubau überzeuge durch seine optimale energetische Planung und Umsetzung nach den Prinzipien der Zirkulären Wertschöpfung. „Die ausgezeichneten Kommunen sind Vorbild dafür, wie mit Klimaschutz mehr Lebensqualität, gutes Zusammenleben und mehr regionale Wertschöpfung vor Ort erreicht werden können“, sagte Dr. Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klima, bei der Preisvergabe.

 

Materialien-Wahl

Beim Entwurf des Kreisarchivs und dem Design der Produkte musste darauf geachtet werden, dass verschiedene Stoffe leicht voneinander trennbar sind, um einen Stoffkreislauf auch wirtschaftlich darstellen zu können. Dies führte zu klareren Zuweisungen der Materialen zu der architektonischen Funktion sowie zu einer Reduzierung der Anzahl verschiedener verwendeter Materialen. Die Anforderungen einer „Zirkulären Wertschöpfung“ prägt die Architektur und wird sichtbar.

Zum Einsatz kamen so viele Materialen wie möglich, die entweder für „Zirkuläre Wertschöpfung“ zertifiziert sind oder nachweislich den Anforderungen der „Zirkulären Wertschöpfung“ entsprechen. Die verwendeten Materialen sind gesundheitsförderlich, d.h. in jedem Fall chemisch unbedenklich, sowie nach Möglichkeit entnehmbar und ohne Qualitätsverluste wiederverwertbar.

Die verwendeten Materialien müssen in ihrer Zusammensetzung bekannt, verfolgbar und rückholfähig sein und dadurch einen nachweisbaren Restwert besitzen. Das neue Kreisarchiv ist so auch zu einem Speicher für Rohstoffe geworden. Das setzt eine intensive Planung bis ins Detail voraus. Die Planungs- und Ausführungs-Prozesse mussten optimal aufeinander abgestimmt werden. Die Bereitschaft, sich von der bekannten und routinierten Vorgehensweise zu lösen und neue Wege zu beschreiten, war eine Voraussetzung für den Erfolg des Projekts.

 

Erdberührte Dämmung

Die erdberührte Dämmung wurde aus Schaumglas (hergestellt aus Altglas) und wurde lose unter Bodenplatte in einer Bettung aus Sand zur Lastverteilung verlegt.

Fertigbeton-Bauteile

Da das Archivgebäude in einem Wasserschutzgebiet errichtet werden sollte und die oberen Bodenschichten nicht tragfähig sind, mussten die Fundamente tief in den Boden einbinden. Um die Eingriffe in den Boden auf das notwendigste zu begrenzen und zusätzlich Sicherheit bei Starkregenereignisse zu Schaffen liegt das Erdgeschoss etwa 1,00 m oberhalb der Erschließungsstraße und auf Ebene der höhergelegenen Hauptverkehrsachse. Die tragenden Fertigbetonteile und deren Anschlusspunkte erforderten einen hohen Vorfertigungsgrad der tragenden Bauteile und Verbindung durch lösbare Anker.

Holzbaukonstruktion

Umringsbau des Erdgeschosses ist eine Holzbaukonstruktion, sie dient einerseits zur Verringerung der Lasten und zudem einer einfachen Demontierbarkeit. Die Holzkonstruktion muss während der gesamten Nutzungsdauer und bei Sanierungen bis zum Rückbau schadstofffrei unterhalten werden. Dies setzte eine langfristige und nachhaltige „Pflege- und Unterhaltungsstrategie“ sowie deren Dokumentation voraus, die beim Kreisarchiv eingeführt wurde.

Fassade

Für die Fassade des Kreisarchivs kamen Ziegel zum Einsatz, die nach Rückbau der alten Spinnerei aus dem Nachbarort Mönchengladbach mit kurzen Transportwegen stammen.

Sie verleihen der Fassade eine lebendige Struktur und dokumentieren die Leitidee der Zirkulären Wertschöpfung.

Trockenbau

Für die nicht tragenden Innenwände kamen Lehmbauplatten und Lehmputz auf Aluminiumprofilen zum Einsatz. Der Lehm dient als Wärmedämmung und die reguliert die Feuchtigkeit. Für das Kreisarchiv mit seiner Vielzahl an Dokumenten ist dies eine elementare Voraussetzung.

Zudem ist der Lehm eine natürliche Ressource, die vom Niederrhein mit einer Distanz von ca. 70 km geliefert wurde. Das Recycling des Aluminiums in Schmelzwerken reduziert den Energiebedarf um 95 % gegenüber der Neugewinnung und Verarbeitung.

 

Gebäude als Materialbank

Das Gebäude wurde bereits bei der Konzeption als werthaltiges Rohstofflager geplant. Damit erhöht sich über die Standzeit der Restwert des Gebäudes, da Baumaterialien einem Preisanstieg aufgrund von wachsender Rohstoffverknappung unterliegen. Die verwendeten Materialien sind kreislauffähig, werden katastriert und sind rückholbar. Voraussetzung ist, dass durch innovative

Verbindungstechniken eine sortenreine Trennbarkeit gegeben ist und die Stoffe keine Schadstoffe enthalten. Ein bei diesem Projekt erstmals eingeführte „Gebäudematerialpass“ fungiert als Inventarisierungsinstrument.

Um die einzelnen Stofffraktionen in einem Kreislauf führen zu können, ist demnach eine strikte Trennung von biologischen und technischen Wertstoffen erforderlich. Die technischen Wertstoffe müssen für eine erneute Verwendung sortenrein zurückgewonnen werden.

Das Konzept erforderte es, die in Produkten enthaltenen Inhaltsstoffe und deren Spezifikationen zu dokumentieren und letztlich eine Wiederverwendung zu organisieren.

Voraussetzung ist eine durchgängige Dokumentation über den gesamten Lebenszyklus mit den verknüpften Informationen welches Baumaterial bzw. Bauteil wurde wann, wo und mit welchen Inhaltsstoffen verbaut und wie können sie zurückgebaut werden.

 

„Digitaler Zwilling“ als Vorbild für andere Kommunen

Nach der erfolgreichen Umsetzung des neuen Kreisarchivs setzt der Kreis Viersen jetzt auch bei weiteren Neubauprojekten auf das Prinzip Zirkuläre Wertschöpfung.

„Wir haben viel gelernt bei der Planung und beim Bau des Kreisarchivs“, sagt Jörg Papenkort, Leiter des Gebäudemanagements. „Und diese Erfahrungen fließen in Zukunft in alle Bauvorhaben des Kreises. Das gilt nicht nur für die verwendeten Baustoffe, sondern auch für die Baumethoden.“

Derzeit befinden sich der Neubau des Straßenverkehrsamtes und der Förderschule des Kreises in der entsprechenden Umsetzung. Bei diesen Projekten wird bereits von Beginn an auf das sogenannte „Building Information Modeling“ (BIM) gesetzt. Diese Arbeitsmethodik ist integraler Bestandteil des Planungsprozesses und ermöglicht eine zentrale Projektabwicklung über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks hinweg. Dabei wird ein sogenannter „Digitaler Zwilling“ erstellt; das virtuelle Gebäudedatenmodell bildet die Grundlage für die Rückbaufähigkeit und die Wieder- bzw. Weiterverwendung einzelner Bauelemente. Damit ist es möglich, den für die Zukunft geforderten Gebäuderessourcenpass zu erstellen. Für diese digitale Methode setzt sich auch der Deutsche Städtetag in seinem Positionspapier „Voraussetzungen für ein kostengerechtes, Termin treues und effizientes Bauen in den Städten“ ein. Bruno Wesch, damaliger Leiter des Gebäudemanagements Kreis Viersen, sagt im Rückblick: „Die Digitalisierung war der Schlüssel. Ohne die umfassende Einführung wäre das Projekt Kreisarchiv gescheitert.“

In Zusammenarbeit mit der BIM-Beratungsunternehmen DT BAU Consulting GmbH, unter Leitung von Dipl. Ing. Architekt Jakob Przybylo, in Kooperation mit Prof. Dr. habil. Michael Mai (em. Professor für Informatik und Facility Management an der HTW Berlin) wurden die Bedarfe der Digitalisierung und BIM definiert und in Folge abgestimmt auf die Anforderungen des Projektes entwickelt. Prof. Dr. habil. Michael Mai betont, dass die Digitalisierung einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren im Facility- und Immobilienmanagement ist. Es ist entscheidend, dass die digitalen Daten durch die Phasen des Planens, Bauens und Betreibens übergangslos verfügbar sind.

 

Freiflächen und Wassermanagement

Sämtliche Flächenkonzeptionen waren unter den Aspekten der Förderung von Klimaschutz, Biodiversität, Flexibilität, Erhöhung der Luftqualität, Kleinklimamanagement sowie nachhaltigem Wassermanagement und Bürgernähe geplant.

Eine möglichst effiziente Trink- und Regenwassernutzung wurde sichergestellt und die Versiegelung von Flächen soll so gering wie möglich gehalten. Die Belange der Wasserschutzzone III waren hierbei zu berücksichtigen. Eine Wassernutzung und entsprechende Systeme wurden im Sinne der „Zirkulären Wertschöpfung“ gestaltet und entsprechend den anderen Elementen einen Nutzen bringen. Neben der Versickerung von Regenwasser und der natürlichen Kühlung des Mikroklimas durch die Verdunstung, dienen die Außenanlagen auch den heimischen Kleintieren als Lebensraum.

 

Finanzmanagement: Materialien haben einen Restwert

Schon 2017 stellte Landrat Dr. Andreas Coenen die Projektidee dem Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landes NRW vor. Dabei warf er die Frage auf, wie der Wert eines nach den Prinzipien der Zirkulären Wertschöpfung errichteten Gebäudes sowie dessen Inneneinrichtung im Haushalt der Kommune abgebildet werden kann. Er regte an, die Abschreibung lediglich bis zu einem definierten Restwert festzuschreiben, der dem Materialwert des „Rohstoffspeichers“ entspricht.

Diese Anregung führte zu einer Neudefinition des Kommunalen Finanzmanagements der Bilanzierung von Vermögensgegenständen des Anlagevermögens durch das Land NRW. Jetzt wird bei Bauplanungen, die unter Zirkulärer Wertschöpfung erfolgen, die Anlage als sogenannte „Materialbank“ geplant. Das bedeutet: Die Materialien haben einen Restwert.

 

Fazit

Das neue Kreisarchiv ist als Gedächtnisspeicher für den Kreis Viersen Bindeglied zwischen Vergangenheit und Zukunft „Das Kreisarchiv ist eines der ersten kommunalen Gebäude in ganz NRW, das nach den Prinzipien der Zirkulären Wertschöpfung geplant und gebaut wurde. Mit diesem Pilotprojekt kommen wir unseren Nachhaltigkeitszielen ein großes Stück näher, worüber ich mich sehr freue“, sagt Landrat Dr. Andreas Coenen. Im Vergleich zu standardmäßigen Neubauten werden damit etwa 75 % der CO2-Emissionen verhindert. Landrat Dr. Andreas Coenen: „Das Kreisarchiv ist ein Leuchtturmprojekt, das andere Bauherren inspirieren möge, ebenfalls so nachhaltig zu bauen.“

„Der Kreis Viersen ist nach wie vor Vorreiter in Sachen Zirkuläre Wertschöpfung“, sagt Architekt Bernd Volkenannt: „Ich sehe immer wieder Voll-Betonneubauten mit Verbundfassaden (z.B. auch neue, kommunale Schulgebäude), die in Sachen CO2-Einsparung, gesunde Baumaterialien und Kreislaufwirtschaft leider nicht sinnvoll sind. Wir hoffen sehr, dass die große Verantwortung, die die Baubranche beim Thema Klimawandel trägt, bald von allen Beteiligten erkannt wird und auch deren Handeln zukünftig verändert.“

Annette von Hagel: „Der Kreis Viersen bewies mit diesem Projekt, dass die Idee der Zirkulären Wertschöpfung realisierbar ist und zahlreiche Vorteile mit sich bringt. Voraussetzung waren insbesondere das hervorragende Team und die Bereitschaft und der Mut, das Projekt mit allen Konsequenzen umzusetzen. Wäre es gescheitert, wäre bei weiteren Projekten die Zirkuläre Wertschöpfung für lange Zeit nicht mehr umsetzbar“

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