FACILITY MANAGEMENT im Interview

Auf dem Weg zum Ausbildungsberuf im FM

Der Gebäudesektor muss dekarbonisiert werden! Doch auf dem Weg zum klimaneutralen Immobilienbestand fehlt es oft nicht an effizienten Technologien oder intelligenten Betriebskonzepten, sondern an der tatsächlichen Umsetzung vor Ort – sprich dem entsprechend ausgebildeten Personal. gefma möchte daher eine duale Ausbildung in der FM-Branche, die ­„Fachkraft Gebäudeinfrastrukturbetrieb“ etablieren. FM-Redakteurin ­Kerstin Galenza sprach mit Dr. Christine Sasse, Vorständin der Dr. Sasse AG und Sprecherin der Brancheninitiative „FM – Die ­Möglichmacher“, die sich seit Jahren für einen eigenen Ausbildungsberuf innerhalb der ­FM-Branche engagiert.

Frau Dr. Sasse, Sie machen sich seit langem stark für die Etablierung eines Ausbildungsberufes im FM. Erste Anstrengungen wurden bereits vor mehr als zehn Jahren unternommen. Warum ­dauert es so lange?

Christine Sasse: Der Bedarf an einem passgenauen Ausbildungsberuf auf Fachkraftniveau wurde von vielen aus der Branche schon frühzeitig erkannt. Es geht darum, Menschen gezielt mit der Kernkompetenz auszustatten, die im beruflichen Alltag gefordert ist. In diesem Fall das Betreiben und Bewirtschaften von Gebäuden, Anlagen und deren Infrastruktur mit all ihren Facetten. Gerade mit Blick auf den Klimaschutz und die Energieeffizienz.

Wir mussten also von Beginn an viel Aufklärungsarbeit leisten. Und nachvollziehbar vermitteln, um was es bei diesem Beruf genau geht – und zwar bei jenen, die bei der Neuordnung eines Berufsbildes zu beteiligen sind. Das sind neben den Gremien im Berufsbildungsprozess verschiedene Berufsverbände, allen voran das Handwerk und die Sozialpartner. Ein Neuordnungsverfahren im Rahmen des dualen Ausbildungssystems durchläuft festgelegte Instanzen, die jeweils sehr genau prüfen, ob das Anspruchsniveau mit anderen Berufsausbildungen vergleichbar ist, wo es ggf. Überschneidungen zu bereits existierenden Berufen gibt und ob ein neuer Beruf überhaupt notwendig ist.

Die Komplexität, die Vielzahl an bereits durchgeführten Infoveranstaltungen, Aufklärungsgesprächen, Expertenworkshops, Studien, Befragungen sowie das größtenteils ehrenamtliche Engagement derer, die das Verfahren seitens der FM-Branche neben ihrer eigentlichen Tätigkeit vorantreiben, führen zu dieser langen Laufzeit. Wir haben jetzt aber ein Stadium erreicht, in dem wir erste Früchte unsere Bemühungen feststellen. Zuversichtlich blicken wir den nächsten Schritten entgegen.

 

Was unterscheidet die „Fachkraft Gebäudeinfrastruktur“ vom bereits etablierten „Fachwirt Facility Management“?

Sasse: Der „Fachwirt Facility Management“ ist eine Weiterbildungsqualifikation für Menschen, die bereits über eine abgeschlossene kaufmännische oder technische Berufsausbildung verfügen und bereits berufspraktische Erfahrungen gesammelt haben. Diese Weiterbildung wird meist berufsbegleitend über 12 Monate absolviert.

Beim geplanten Ausbildungsberuf mit dem Arbeitstitel „Fachkraft Gebäudeinfrastrukturbetrieb“ geht es darum, jungen Menschen im Rahmen einer dreijährigen Ausbildung eine erste Berufsqualifikation zu vermitteln. Die Ausbildung ermöglicht ein breites Spektrum an Einsatzfeldern und bildet das Fundament für individuelle Weiterentwicklung bis hin zum Meister oder einem FM-Studium.

 

Welche Kerninhalte soll der Ausbildungsberuf beinhalten

Sasse: Das Facility Management steht vor der Herausforderung aufgrund der zunehmenden technischen Spezialisierung in der Infrastruktur sowie der steigenden administrativen Anforderungen, geeignete Fachkräfte zu finden. Dies verschärft sich zusätzlich dadurch, dass es keinen Ausbildungsberuf gibt, der das Betreiben von Infrastruktureinrichtungen, wie z.B. Kommunalen Gebäuden, Wohn- und Büroimmobilien, Krankenhäusern, Verkaufsstätten, Bahnhöfen im Focus hat. Um mit diesen Entwicklungen Schritt halten zu können, ist es unumgänglich sich im Betreiben von Infrastruktureinrichtungen weiterzuentwickeln und neue Wege mit nachhaltigen Betriebskonzepten zu beschreiten.

Im Unterschied zu bestehenden Berufsbildern erwirbt die „Fachkraft Ge­­bäudeinfrastrukturbetrieb“ die Kompetenz, Gebäude sowie deren Infrastruktur nachhaltig zu betreiben und instand zu setzen. Die Haupttätigkeit der „Fachkraft Gebäudeinfrastrukturbetrieb“ stellt das alltägliche Betreiben und Bewirtschaften, die Durchführung regelmäßiger Inspektionen sowie ausgewählter Instandsetzungsmaßnahmen dar. Alle hierfür benötigten Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten und Befähigungen werden während der Ausbildung erworben. Dies sind technische und kaufmännische Kenntnisse und Fertigkeiten sowie digitale Kompetenzen, notwendig für einen zeitgemäßen Gebäudebetrieb.

 

Wie soll die Ausbildung zu bestehenden Handwerksberufen abgegrenzt werden? Anders gesagt: Wie schaffen Sie es, hier nicht in Konkurrenz mit dem Handwerk zu treten,

Sasse: Die meisten klassischen technischen Ausbildungsberufe haben den wesentlichen Kompetenzerwerb in der Installation oder Produktion, aber nicht im Betreiben und Bewirtschaften eines Gebäudes und seiner Infrastruktur. Aufgrund der hohen Komplexität und der technischen Ansprüche der einzelnen Gebäudeinfrastruktursysteme sind Gewerke-Spezialisten wie Elektroniker oder Anlagenmechaniker (HLKS) notwendig und unverzichtbar. Sie installieren und sind zuständig für Erst-Inbetriebnahme, Wartung oder Anlagenerneuerung.

Die Aufgabe des Betreibens von Gebäuden muss künftig als eigenständige Berufssparte verstanden werden. Insbesondere auch unter den zunehmenden Anforderungen an einen CO2-neutralen und energieoptimierten Gebäudebetrieb. Der generalistische Beruf soll die vielfältigen Aufgaben auch anderer Gewerke innerhalb des Betreibens von Gebäuden verbinden und koordinieren. Für die Transformation hin zum klimaneutralen Gebäudebestand müssen Synergien erkannt und genutzt werden.

Konkrete Schnittstellen zu verschiedenen gebäudetechnischen Berufen sind expliziter Bestandteil der Ausbildung zur „Fachkraft Gebäudeinfrastrukturbetrieb“. Diese Inhalte sollen im Wesentlichen zum ganzheitlichen Verständnis eines Gebäudes und der Infrastruktur dienen und spezialisierte Gewerke bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützen. So können rare Gewerke-Spezialisten gemäß ihrer Kernkompetenzen eingesetzt werden.

 

Wie sehen die nächsten Schritte aus?

Sasse: Das BIBB (Bundesinstitut für Berufsbildung) führt gerade eine sogenannte Voruntersuchung zur „Fachkraft Gebäudeinfrastrukturbetrieb“ durch. In diesem Prozessschritt sind Expertenbefragungen sowie eine allgemeine Branchenumfrage geplant, die den Bedarf des Berufsbildes weiter quantifizieren sollen.

Im Vorfeld zu dieser Branchenumfrage lud gefma Ende August zu einer Online-Infoveranstaltung ein. Hier wurden die Ausbildungsinhalte des Berufsbildes mit praxisnahen Einsatzbeispielen näher erläutert sowie die Umfrage vorgestellt. Und verschiedene Beiträge der Sozialpartner sowie des BIBB haben die unterschiedlichen Perspektiven des Vorhabens näher beleuchtet. Im Chat gab es die Möglichkeit Fragen zu stellen und Antworten zu erhalten.Gefma und die Möglichmacher hoffen auf eine starke Beteiligung an der Umfrage. Auf Grundlage der Ergebnisse werden sich die Sozialpartner beraten und ggf. eine Neuordnung auf Bildung eines neuen Berufsbildes beim Wirtschaftsministerium beantragen.

Einsatzfelder

Die folgenden drei Einsatzfelder zeigen exemplarisch, wie Menschen mit generalistischer Ausbildung im Facility Management ihr Wissen und ihre Fertigkeiten nutzen. Es ist zu beachten, dass jedes Ausbildungsunternehmen neben grundlegendem Wissen auch vertiefte unternehmensspezifische Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt, die ggf. mit Zusatzzertifikaten ergänzt werden können.

1. Teamplayer in der Gebäudebewirtschaftung

Die Bewirtschaftung von komplexen Gebäuden ist eine Teamaufgabe. Das Facility Management vernetzt Menschen aus einzelnen Gewerken. Die Person mit generalistischer Ausbildung arbeitet aktiv mit. Gemeinsam mit den Teammitgliedern mit handwerklicher Ausbildung werden Entscheidungen getroffen. Aufgaben mit einfachem Komplexitätsgrad können (nach vorheriger Einweisung) eigenständig ausgeführt werden. Dies ermöglicht den Teammitgliedern aus dem Fachhandwerk, gewerkespezifische Aufgaben mit hohem Komplexitätsgrad durchführen zu können und so ihre Fertigkeiten und Ressourcen effektiv einzusetzen. Auch einfache Wartungsarbeiten können von der Person mit generalistischer Ausbildung nach entsprechender Schulung und Einweisung durchgeführt werden. Die Dokumentation der einzelnen Tätigkeiten des Teams um die Gebäudeinstandhaltung laufen bei der Person mit generalistischer Ausbildung zusammen. Hierdurch können ggf. gewerkeübergreifende Probleme festgestellt werden, die bei einer gewerkespezifischen Betrachtung nicht aufgefallen wären.

 

2. Die erste Person vor Ort

Die Bewirtschaftung von mehreren, in einer Region verteilten Liegenschaften erfolgt ebenso durch das Facility Management. Oft handelt es sich hierbei um ein unternehmenseigenes Facility-Management-Team. Die Person mit generalistischer Ausbildung kann hier im Team, aber auch allein tätig werden. Bei Störungen oder Schadensmeldungen ist sie als erstes vor Ort und führt eine Ersteinschätzung durch, denn oft ist durch eine Störungsmeldung nicht klar, welches Fachwissen konkret benötigt wird. Durch den Fachkräftemangel werden wir lernen müssen, Fachexpertise gezielter einzusetzen. Eine generalistische Ausbildung unterstützt hier einen effektiven Einsatz von Wissen und Fertigkeiten. Bis zur Unterstützung einer Person mit spezifischem Fachwissen können Sofortmaßnahmen zur Gefahrenabwehr selbständig eingeleitet werden.

 

3. Die Person, die Nachhaltigkeit vor Ort steuert

Der Gebäudesektor muss hin zum klimaneutralen Gebäudebestand transformiert werden. Das Aufstellen von Nachhaltigkeitspfaden auf dem Papier ist ein wichtiger Schritt. Die tatsächliche Umsetzung und die Feinjustierung erfolgen jedoch täglich vor Ort. Die Anforderungen in der Nutzung der Gebäude an die Energieerzeugung und Verteilung kann sich permanent ändern. Hierfür wird ein generalistisches Verständnis benötigt. Verbunden mit dem Interesse an modernen, vernetzten Steuerungssystemen und dem Zusammenspiel mit Künstlicher Intelligenz kann die Person mit generalistischer Ausbildung einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, einen klimaneutralen Gebäudebestand bis 2045 zu erreichen.

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