FACILITY MANAGEMENT im Interview

(Service-)Konzepte für ­einen veränderten Markt

In der Post-Corona-Welt verändern sich Arbeitsweisen auch durch ­EU-Nachhaltigkeitsanforderungen (z. B. EU-Taxonomie) oder die vorschreitende Digitalisierung. Dies hat natürlich auch Einfluss auf die Anforderungen an ganzheitliche FM-Provider. Das neue Lünendonk-Whitepaper „Ausschreibungen im Facility Management unter New Work“ ist in Zusammenarbeit mit der Dr. Sasse Gruppe entstanden. Im Gespräch mit FM-Redakteurin Kerstin Galenza erläutert die Vorständin Clara Sasse die derzeitigen Herausforderungen und Strategien bei der Vergabe von FM-Dienstleistungen.

In deutschen Büros ist fast nichts mehr wie vor der Pandemie: An manchen Tagen sind die Büros fast ausgestorben, dann wieder voll besetzt. Wie wirkt sich diese veränderte Nutzung auf die FM-Dienstleister aus?

Clara Sasse: In der Tat setzt sich hier eine Entwicklung fort, die ihren Ursprung in den veränderten Arbeitsbedingungen der Corona-Krise hat. Die aber, das darf man nicht übersehen, auch den Entwicklungen von „new work“ und einem gewandelten Verständnis von „Arbeitsplatz“ mit Blick auf die Arbeitgeber-Attraktivität geschuldet ist. Hatten wir es also anfangs mit Reaktionen auf eine Krise zu tun, sehen wir nun proaktives Handeln der Unternehmen – mit denen wir mehr und mehr Dialoge führen, wie wir sie in ihren Change-Prozessen unterstützen können. Unsere Chance liegt darin, unsere entsprechenden Kompetenzen offensiv zu kommunizieren. Genauso, wie wir konstruktive Vorschläge machen, wie wir unsere Services zu Zeiten und an Orten liefern, wo sie gerade gebraucht werden. Wir sehen das als fortlaufenden Prozess des Lernens und Optimierens – der sich letztlich in einer völlig neuen Form von Verträgen widerspiegelt.

Welche Entwicklung im Bereich der Gebäudebewirtschaftung ist derzeit am dynamischsten?

Clara Sasse: Auf den ersten Blick ganz klar: Die bedarfsorientierte Dienstleistung für die veränderten Bedingungen in „new work“. Die unterschiedlichen Ausgangslagen und bedarfsorientierten Wünsche der Auftraggeber haben einen intensiven Entwicklungsprozess angestoßen, der Kreativität und Innovationsfähigkeit – manchmal auch Improvisationsfähigkeit – bei der Gebäudebewirtschaftung fordert. Vor diesem offensichtlichen Effekt wird derzeit allerdings ein zweites Handlungsfeld überlagert, wo externer Druck den Dynamo antreibt: die energetische Komponente der Aufgabe. Die praktische Anwendung von Energie-Intelligenz, über die wir auf einer breiten Datenbasis und über operative Benchmarks verfügen, bringt den Markt zusehends in Bewegung. Noch bis vor wenigen Jahren war das in Ausschreibungen vielleicht ein Nebensatz. Jetzt ist es ein fester Faktor.

Welche Zusatzangebote, die früher nicht unbedingt bei Ausschreibungen berücksichtigt wurden, sind heute am stärksten nachgefragt?

Clara Sasse: Es sind die Zusatzangebote an sich, die Ausschreibungen heute prägen. Das 08/15-Pflichtenheft von gestern ist tot. Es lebe das individuell geprägte, bedarfsorientierte Angebot. Kosteneffizienz inklusive. Zwei Beispiele. Wo es früher je eine Jubilar- und Weihnachtsfeier gab und vielleicht noch eine Hausmesse, zieht sich heute ein Reigen von Events durchs Jahr. Mitarbeitende, Geschäftsfreunde, Multiplikatoren – sie wollen begeistert werden, oftmals in Ad-hoc-Aktionen. Als Dienstleiser sind unsere Antworten auf diese Veränderung gefragt. Und: Wir müssen digitaler arbeiten, uns idealerweise auch direkt mit den Systemen der Auftraggeber vernetzen können. Das hat sich vom Zusatz zur Standard-Anforderung entwickelt. In der Pandemie, die Sie vorher angesprochen hatten, war digitale Kommunikation ein hilfreiches Goodie. Heute ist sie Pflicht.

Welche Vertragsmodelle ­werden sich Ihrer Ansicht nach durchsetzen?

Clara Sasse: Wie im Whitepaper angesprochen: „Bei einer Weiterentwicklung von lange als etabliert angesehenen Prozessen und Lösungen stellt sich schnell die Frage, ob Innovationen innerhalb des aktuellen rechtlichen Rahmens möglich sind.“ Das sind sie nach unserer Erfahrung nicht. Fixierte Gewerke schränken bei Partner über Gebühr ein. Also gehört die Zukunft den Vertragsmodellen mit Spielraum für flexibles Handeln. In denen Qualität gemessen wird – und nicht Köpfe und Hände gezählt. In diesem Kontext wichtig aus unserer Erfahrung: In der Bewerbungs- wie in der Verhandlungsphase gehören heute mehr Leute an den Tisch als Einkauf und Rechtsabteilung. Ohne das Mitwirken von HR, der IT oder der Verantwortlichen für Nachhaltigkeit bleibt das nötige Projektdenken im Sand stecken.

Für die zusätzlichen und auch veränderten Services bedarf es sicherlich auch anders ausgebildetes Personal. Und das ist durch den andauernden Fachkräftemangel rar. Wie gehen Sie im Unternehmen damit um?

Clara Sasse: Wir knüpfen hier an die gerade geäußerten Gedanken an. Wenn der Fokus auf Qualität liegt, ist es unsere Aufgabe, diese durch intelligente Steuerung und Nutzung von Technik durch Menschen zu erzeugen. Ob wir den Hebel nun bei der Kommunikation oder im Operativen ansetzen: Kein Weg ist gangbar ohne kontinuierlich fortentwickelten Einsatz von digitalen Tools. Wir sind heute in der Lage, unsere Mitarbeitenden schneller und umfassender denn je auf neue Verfahren oder Aufgaben zu qualifizieren. Auch Seiteneinsteiger oder Spurwechsler lassen sich so schneller in leistungsfähige Teams integrieren. Unser ­Augenmerk richten wir daher darauf

- dass wir erstens den Mehrwert sichtbar machen, den die Nutzung digitaler Tools für jede Aufgabe und jeden Arbeitsplatz mit sich bringt;

- dass wir zweitens die Vorteile dieser Tools zur individuellen Entlastung bzw. Leistungssteigerung vermitteln;

- und dass wir drittens über alle Ebenen und Prozesse jene „Daten-Intelligenz“ herstellen, die uns für die Kunden zu Lieferanten wertvoller Informationen macht.

Damit lösen wir nicht das komplette Spektrum an Herausforderungen durch Fachkräftemangel, aber wir sehen uns perspektivisch gut aufgestellt, um unnötige Risiken zu vermeiden.

Sie sind die zweite Generation in Ihrem Familienunternehmen – welches sind die größten Veränderungen im Vergleich zur „alten“ FM-Welt?

Clara Sasse: Diese „alte“ Welt haben wir schon vor langem überwunden. Auch wenn ein Generationswechsel von außen oft wie eine Zäsur wahrgenommen wird: Gerade in Familien gibt es einen fließenden Übergang durch zahllose „Zwischenwelten“, die aus der Individualität der handelnden Personen entspringt. Themen wie Digitalisierung oder Fachkräftemangel sind ja nicht erst seit heute auf unserer Aufgabenliste. Die „lernende Veränderung“ ist wesenstypisch für die Familie und das Unternehmen Dr. Sasse, sonst hätten wir nicht unsere Rolle am Markt erarbeiten können. Hier bringen wir als Nachfolgerinnen vor allem das Bewusstsein und die Verantwortung ein, unser Unternehmen, unsere Mitarbeitenden und unsere Leistungsqualität so auszurichten, dass es weiter „enkeltauglich“ bleibt. Hier bringen wir auch unser gewachsenes Wissen und unsere familiäre Energie ein: für unsere Positionierung als Wertschöpfungspartner und als „Berater für intelligente Veränderung“ auf Augenhöhe mit unseren Kunden. Das ist, auf beiden Seiten der Geschäftsbeziehung, ein never ending process, auf die wir mit Veränderungen wie unserem Leistungssteuerungsmodell zeitgemäße Antworten geben: Raus aus starren Auftragsformen, hinein in gemessene Qualität von Service und Zufriedenheit. Hierfür erwarten wir eine größere Akzeptanz und Wertschätzung, als diese der alten FM-Welt von außen zuteilwurde.

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