Plattformökonomie –
Menetekel der FM-Branche!?
Ob NETLFIX oder Airbnb – die Liste der Plattformen, die als Unicorn d. h. mit einer Marktbewertung von über einer Milliarde US-Dollar als junge Angreifer etablierte Branchenstrukturen attackieren, wird immer länger. Und obwohl die Bedeutung dieser Plattformen international stetig wächst, wird das Geschäftsmodell in Deutschland weitgehend ignoriert. Bleibt die FM-Branche von diesen Entwicklungen unberührt oder wird sich die Plattformökonomie bald als Menetekel der Digitalisierung entpuppen?
In nur 60 Sekunden werden von den Abonnenten über NETFLIX mehr als 70.000 Stunden Filmmaterial konsumiert. Dabei stieg das Unternehmen erst im Jahr 2007 – damals noch ohne eigenes Content-Budget – ins Videoon-Demand-Geschäft ein und machte die Inhalte per Streaming für Abonnenten zugänglich. Heute hat NETFLIX weltweit über 130 Millionen Abonnenten und damit gemessen an den Nutzerzahlen in den USA bereits mehr Zuschauer als jeder herkömmliche Fernsehsender.
Und: NETFLIX boomt weiter. Der Börsenwert hat in diesem Jahr die 100 Milliarden US-Dollar-Marke geknackt. Auch die Online-Vermittlungsplattform für Mobilitätsdienstleistungen (Uber) übertrifft mit einem Börsenwert von über 70 Milliarden US-Dollar in ihrem zarten Alter von nur neun Jahren die Marktkapitalisierung eines deutschen Autobauers deutlich, der schon seit 1918 als Bayerische Motorenwerke firmiert – und das, ohne je ein Automobil gefertigt oder auch nur besessen zu haben. Und Airbnb, die im Jahr 2008 im kalifornischen Silicon Valley gegründete Plattform zur Buchung und Vermietung von Unterkünften, kommt im laufenden Jahr auf einenUnternehmenswert von 31 Milliarden US-Dollar – ohne je einen Quadratmeter Fläche selbst entwickelt zu haben. Die im Jahr 1927 gegründete Hotelkette Marriott wird mit ihren über 30 Marken und 6500 Properties zwar ähnlich hoch bewertet, hat dafür aber 40 Mal so viele MitarbeiterInnen auf der Payroll.
Die Liste der Plattformen, die als Unicorn d. h. mit einer Marktbewertung von über einer Milliarde US-Dollar als junge Angreifer etablierte Branchenstrukturen attackieren, wird immer länger. Die Plattformen sind den klassischen Akteuren in den jeweiligen Segmenten oft schon deshalb überlegen, weil sie das Angebot quasi ohne Kosten ausweiten und ihr Geschäftsmodell in hohem Maße skalieren können. Obwohl die Bedeutung dieser Plattformen international stetig wächst, wird das Geschäftsmodell in Deutschland weitgehend ignoriert. Ein Großteil der Geschäftsführer und Vorstände deutscher Unternehmen haben den Begriff noch nicht einmal gehört, zeigen Umfragen des Branchenverbandes Bitkom. Dabei wird die Plattformökonomie bei Fachleuten als Herzstück der digitalen Revolution bezeichnet.
Bleibt die FM-Branche von diesen Entwicklungen unberührt oder wird sich die Plattformökonomie bald als Menetekel der Digitalisierung entpuppen? Was treibt bislang die digitale Transformation im Bereich der Facility Service an? Buzzwords wie „Big data“, „Robotik“, „predictive maintenance“, „AR-Brillen“, „Sensorik“, „Drohnen“, „3D-Druck“, „BIM“, „KI“ geistern schon seit einigen Jahren durch die FM-Gazetten und -Fachtagungen und werden in Teilen auch zaghaft pilotiert. Und das Real Estate Innovation Network (REIN) fördert seit dem letzten Jahr mit seinen frischen Formaten auf der Expo Real faszinierende Neuerungen zutage, die sich zum Teil anschicken, einzelne Prozesse der Immobilienwirtschaft massiv zu verändern. Der einst so tradierte Bereich gerät zumindest an seinen dynamischen Rändern in Bewegung.
Fast ausnahmslos begleiten die großen Beratungshäuser diese Entwicklungen rund um die Digitalisierung mit der mutigen und gleichermaßen vagen Prognose, dass insgesamt mehr Jobs entstehen werden als verlorengehen. Ich vermute, es wird vor allem eine auch für den Bereich der Facility Services sehr schmerzhafte Umschichtung von Arbeitsinhalten bedeuten, da völlig neue Kompetenzen gefragt sein werden. Dabei werden dann wohl dramatische Umwälzungen anstehen: Statt altbewährte Technologien und Sekundärprozesse rund um die Immobilie „nur“ zu verbessern, werden diese, samt der hierfür benötigten Kompetenzen, schlichtweg ersetzt.
Markus Thomzik, Westfälische Hochschule Gelsenkirchen und Institut für angewandte Innovationsforschung e.V. an der Ruhr-Universität Bochum