Grünes Energiekonzept für Therapiezentrum
Grün. Diese Farbe fällt einem sofort auf, wenn man sich dem Ziegelhof nähert. Sehr ländlich mutet es an, dabei ist man im Ziegelhof nur fünf Minuten vom Stadtrand Augsburgs entfernt. Umgeben von Bäumen liegt das neue Therapiezentrum der Stiftung „Bunter Kreis“ auf einer Lichtung. Früher stand hier eine Ziegelei, seit Mai dieses Jahres wird auf dem sechs Hektar großen Gelände kranken und behinderten Kindern das ganze Jahr über eine tiergestützte Therapie ermöglicht.
Grün ist aber nicht nur die Lage, grün ist auch das Energiekonzept des Therapiezentrums. Horst Erhardt, Geschäftsführer des „Bunten Kreises“, lässt keinen Zweifel daran, dass beides untrennbar zusammengehört: „Der Ziegelhof liegt inmitten einer Naturidylle, deshalb war uns Naturschutz und Ökologie bei der Realisierung des Projekts auch so wichtig.“ Das gilt für die Gebäude, die Außenanlagen, aber vor allem auch für das Energiekonzept. Der Ziegelhof versorgt sich CO2-frei mit Energie und das weitgehend aus eigenen Quellen. Realisiert wurde das Konzept gemeinsam mit dem regionalen Energieversorger Lechwerke (LEW). Arno Pöhlmann, Energieexperte von LEW, hat gemeinsam mit Erhardt lange getüftelt und gerechnet, bis die
Lösung feststand: „Wir verwenden bewährte Technologien, deutschlandweit einmalig wird der Ziegelhof durch die Kombination und Verknüpfung der verschiedenen Bausteine.“
Die beiden Protagonisten sind vollauf überzeugt von ihrem Konzept, das wird schnell klar beim Rundgang über das Gelände. Horst Erhardt und Arno Pöhlmann starten ihre Energietour beim Herzstück der Heizanlage im Erdgeschoss des Verwaltungsgebäudes: Die beiden Grundwasserwärmepumpen, die aus einem 18 m tiefen Förderbrunnen mit Wasser versorgt werden, haben eine Förderleistung von mindestens 3,5 l je Sekunde. Gleich daneben und kaum zu übersehen stehen drei große Pufferspeicher mit einem Fassungsvermögen von je 950 l. Mit ihnen lässt sich der Ziegelhof mit Wärme und Warmwasser versorgen. Eine Solarthermie-Anlage auf dem Dach des Verwaltungsgebäudes steuert zusätzlich Wärme für die Warmwasserbereitung bei. 100 m südlich vom Verwaltungsgebäude steht das Kraftwerk der Anlage. Zu sehen ist es erstmal nicht, dafür muss man auf das Dach des Stallgebäudes steigen. Dort ist eine PV-Anlage mit einer Leistung von 96,4 kW installiert. „Läuft alles nach Plan, dann kann die Anlage rund 80.000 kWh im Jahr erzeugen“, sagt Pöhlmann mit Blick nach oben. „Rein rechnerisch reicht das, um das komplette Therapiezentrum mit Strom zu versorgen.“
„Praktisch gibt es natürlich etliche Tage im Jahr, an denen
diese Rechnung nicht aufgeht“, räumt Horst Erhardt ein. Damit die Ökobilanz auch dann stimmt, bezieht das Therapiezentrum in solchen Fällen Strom von den heimischen Wasserkraftwerken der Lechwerke. „Ohne Netzanschluss und Reservestrom geht es auch bei uns nicht“, so Erhardt. Allerdings planen die beiden Energiepioniere mit durchaus ambitionierten Zielen: Rund 33 % des selbst erzeugten Stroms soll vor Ort verbraucht (Eigenversorgungsquote) und rund 50 % des Strombedarfs über die eigene Anlage gedeckt werden (Autarkiequote).
„Genau wissen wir das aber erst, wenn das Therapiezentrum im Frühjahr vollständig in Betrieb ist“, erklärt Pöhlmann.
Ein Batteriespeicher wird dem Therapiezentrum dabei helfen, die angepeilten Werte zu erreichen. Mit einem Speichervolumen von 40 kWh fällt der Lithium-Ionen-Akku recht großzügig aus, auch wenn er fast unscheinbar daherkommt im Technikraum im westlichen Gebäudeteil. Dort befinden sich noch weitere energietechnische Besonderheiten. Die für die PV-Anlage notwendigen Wechselrichter wurden dort installiert. Deren Abwärme speist eine Luft-Wasser-Wärmepumpe, die zusätzlich Wärme für das Gebäude erzeugt und bei Bedarf
einen weiteren Pufferspeicher mit 400 l befüllen kann.
„Durch die Kühlung verbessert sich der Wirkungsgrad der Wechselrichter nochmals deutlich“, sagt Energiefachmann
Pöhlmann.
Der Clou der Installation ist neben der Vielzahl der eingesetzten Komponenten aber deren gezielte Steuerung. Energietechniker sprechen hier von einer Kaskadenschaltung. Erst dadurch lässt sich möglichst viel des erzeugten Stroms im Ziegelhof selbst verbrauchen. Normalerweise versorgt die PV-Anlage direkt die Beleuchtung und alle elektrischen Anschlüsse auf dem Gelände. Außerdem wird mit dem Sonnenstrom auch der Batteriespeicher tagsüber geladen, damit nachts ebenfalls Strom zur Verfügung steht.
Das Therapiezentrum des Bunten Kreises geht aber noch einen Schritt weiter. Auch die Wärmepumpen werden mit Hilfe der PV-Anlage mit Sonnenstrom betrieben. Ein in Serie geschalteter zweiter Zähler macht dies möglich: Wenn die Eigenerzeugung nicht ausreicht, profitiert der Ziegelstadel weiterhin vom günstigen CO2-freien Wärmestrom aus dem Netz und zudem kann LEW die Wärmepumpe flexibel steuern, wenn dies aus netztechnischen Gründen notwendig sein sollte.